Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

BETAVERSION: Hogwarts 1962: Zirkel der Wölfe - Eselin besucht Eulerei

von Kiosk

21. Eselin besucht Eulerei


Personen:
Erinys Norcross: Egoistische Slytherin Drittklässlerin. Beste Freundin von Ulysses

Ulysses Rathburn: Ravenclaw Zweitklässler. Ein frühreifer Trotzkopf

Forester Rathburn und Odysseus Rathburn: Ulysses` Vater und Großvater. Das Familienunternehmen geht zurück auf den findigen Odysseus

Klemencia (Klee) Greene: Muntere und sehr vorlaute Gryffindor Zweitklässlerin

Liam Evonshare: Gryffindor Zweitklässler. Still und kühl, aber der beste Freund von Klee

Charley Greene: Hufflepuff Zweitklässler. Klemencias molliger Zwillingsbruder

Nathaniel Deepwood: Hufflepuff Zweitklässler. Er stammt, wie Ulysses, aus Plymouth

Sybill Trelawney: Drittklässlerin aus Slytherin. Neigt zu düsteren Weißsagungen…

Raymond D`oily: Erstklässler aus Slytherin. Wortgewandt, hübsch, aber auch ölig und gerissen

Die Klobande: Bestehend aus den drei jugendlichen Slytherins Veikko, Erebus und Prester. Ziehen Jüngeren mit Nonsens-Steuern das Geld aus der Tasche

Madame Barbette Burgunda: Die übergewichtige Lehrerin des Benimmkurses. War schon ungefähr ein Dutzend mal verheiratet, doch ihre Gatten hatten stets die Angewohnheit, früh zu versterben…

Zsa Zsa Zabini: Barbette Burgundas wunderschöne Adoptivtochter. Arbeitet Ehrenamtlich in afrikanischen Zauberschulen, nun zu Besuch in Hogwarts

Willigis Wulfgard: Ein Magier zur Zeit der Gründer. Ein leidenschaftlicher Jäger, dem einst das Land gehörte, auf dem nun Hogwarts steht. Starb durch eine Rotte von Warzenschweinen. Nun ein Geist

Der weiße Grimm: Der Geist des toten Wolfes Gwydion. Zur Zeit der Gründer der ständige Gefährte Wulfgards. Starb durch eine Rotte von Warzenschweinen

Nerie: Ein verwaistes Fischotterweibchen. Klemencia zog sie im letzten Jahr auf

Bisherige Handlung: Der Spätherbst ist gekommen. Zsa Zsa Zabini stattet Hogwarts einen Besuch ab und Madame Burgunda kündigt an, sich demnächst auf eine längere, romantische Reise zu begeben… zusammen mit Professor Hellingsgard, wie Erinys und Ulysses bald herausfinden. Doch zu der Abschiedsfeier ist Erinys - dank einer etwas beleidigenden Aussage - nicht eingeladen.

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Der Sonntag an dem Burgundas kleine Abschiedfeier stattfinden sollte, war ein stürmischer, schneegeplagter Tag, der die Schüler vor die Kamine trieb. Nur die Wenigsten wagten es, sich durch die klirrende Kälte hindurch nach Hogsmeade durchzuschlagen; Ulysses sah nur wenige Tapfere von seinem Fenster aus.
„Gehst du nicht mit ihnen?“, erkundigte er sich bei Erinys, die neben ihm stand und gelangweilt an einer Laufmasche ihrer Winterstrumpfhose pulte. Erinys war in der dritten Klasse und es stand ihr somit frei, das gemütliche Zauberdorf zu besuchen; eine Gelegenheit, die sie normalerweise auch immer gerne annahm. Nur heute, da schien sich Erinys für nichts begeistern zu können, weder für das Zimtgebäck das die Hauselfen verteilt hatten, noch für diverse Zauberspiele.
„Zu kalt draußen“, sagte sie bloß schleppend und machte dabei ein miesepetriges Gesicht.
„Zu kalt?“ Ulysses zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Erinys, du kommst aus einer viel, viel kälteren Gegend. Oder bist du etwa bequem geworden während deines Aufenthalts im Vereinigten Königreich?“
Erinys schenkte ihm ein halbherziges Lächeln. „Ein wenig vielleicht.“
Ulysses hegte eher den Verdacht, dass Erinys einzig und alleine keine Lust hatte, auf eigene Faust Hogsmeade einen Besuch abzustatten. Denn selbst so unerträgliche Bekanntschaften wie Imperia Malfoy oder Sybill Trelawney blieben an diesem Tag lieber im warmen Inneren des Schlosses. Die einzigen Schüler, die Ulysses und Erinys unter den Besuchern von Hogsmeade kannten, waren ausgerechnet die Mitglieder der Klobande…und auf die hätte wohl selbst die Jugendabteilung von Askaban lieber verzichtet.

Trotz Erinys` gelangweilter Miene, plötzlich sprang sie halb von ihrem Platz auf, reckte den Hals und lugte durch das Fenster. Ulysses folgte ihrem Blick. Dort, bei dem kleinen Tannenhain, geduckt hinter einer Schneeverwehung die sich an die schmalen Stämme schmiegte, sah Ulysses vier Gestalten, die geduckt daherliefen. Die Vier schienen der Hogsmeadegruppe zu folgen, legten aber anscheinend sehr viel Wert darauf, nicht entdeckt zu werden. Jeden Baum, jeden kleinen Hügel, nutzten sie als Deckung. Ulysses hätte wohl ewig rätseln können, um wen es sich bei den Schülern handelte, bis er plötzlich das Tier erspähte, das ihnen folgte: Auf den ersten Blick glaubte Ulysses an eine braune Katze, oder einen Dackel, bis ihm bewusst wurde, dass es sich bei dem Tier eindeutig um das Fischotterweibchen Nerie handelte. Klemencia Greenes Haustier.
Auch Erinys hatte bereits ihre Schlüsse gezogen. „Ich verwette meine Kröte Haubert, dass es sich bei den Vier um Klee, Liam, Nathaniel und Charley handelt.“
„Sieht so aus, als würden sie sich nach Hogsmeade schleichen wollten“, stellte Ulysses fest. Er hatte sich, in Begleitung von Erinys, selbst schon oft genug zum Zauberdorf geschlichen. Und obwohl man ihn bisher niemals dabei erwischt hatte, er wusste sehr wohl, dass gehöriger Punktabzug drohte, wenn man dabei beobachtet wurde.
Erinys grinste so gehässig, als ob sie sich dessen ebenfalls sehr wohl bewusst war. Wie eine dicke Spinne, die ihre Beute im Netz musterte, betrachtete Erinys die vier Zweitklässler mit einem zufriedenen Ausdruck in den Augen.
„Du wirst sie doch nicht verpfeifen, Erinys?“, erkundigte sich Ulysses vorsichtig.
Erinys zog die Augenbrauen hoch und sah ihn an wie ein kleines, unschuldiges Mädchen. „Unsinn, so etwas würde ich niemals tun!“, sagte sie. Der sarkastische Unterton war jedoch unüberhörbar.
„Wirklich, Erinys, du solltest das nicht tun. Bringt doch nichts.“
Erinys lächelte falsch. „Nun…wenn Gryffindor und Hufflepuff Punkte verlieren würden - ein reines Gedankenspiel natürlich -, dann wären Ravenclaw und Slytherin wieder obenauf. Richtig?“
„Richtig“, sagte Ulysses kühl. „Aber es wäre nicht besonders fair.“
„Richtig. Besonders fair wäre es nicht…aber es wäre vielleicht der Todesstoß für die Bemühungen der Gryffindors und Hufflepuffs, den Hauspokal zu gewinnen. Die wären dann aus dem Rennen. Und unsere beiden Häuser, Slytherin und Ravenclaw, würden den Laden schmeißen.“
Im Grunde interessierte sich Erinys nicht für den Hauspokal, das wusste Ulysses. Ihr einziger Ansporn bestand eher darin, den beiden anderen Schulhäusern eins auszuwischen. Oder besser gesagt: Die Idee dahinter war alleine, dem Quartett Liam, Klemencia, Charley und Nathaniel eins auszuwischen. Auf Erinys musste diese Gelegenheit einen unwiderstehlichen Reiz ausüben.

Nur leider fehlte Ulysses die Zeit, ihr den miesen Plan auszureden. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass er sich beeilen musste, wenn er noch rechtzeitig beim Slug-Klub erscheinen wollte. Professor Slughorn hatte ein weihnachtliches Büffet angekündigt…bei genauerer Überlegung musste Ulysses aber zugeben, dass er das weihnachtliche Büffet vielleicht lieber auslassen sollte. Sein Bauch hatte nämlich längst nicht aufgegeben Fett anzusetzen. Die Zeiten in denen er - krankheitsbedingt - nur noch aus Haut, Knochen und einem überempfindlichen Magen bestanden hatte, waren schon lange vorbei. Und er wollte der mageren Erinys nicht wieder die Möglichkeit geben, sich über seine Molligkeit lustig zu machen…ihre Mitmenschen zu verhöhnen tat sie nämlich nur allzu gerne.
„Ich muss langsam gehen.“ Ulysses wandte sich von dem Fenster ab und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, damit er wenigstens auf dem Kopf einigermaßen ordentlich aussah. Seine Haare mussten unbedingt geschnitten werden. Einige verirrte braune Strähnen hingen ihm inzwischen regelmäßig vor den Augen, was seitens der Lehrer schon oft für den ein oder anderen strengen Blick gesorgt hatte.
Zum Abschied zwickte Erinys ihn kurz in die Seite und grinste ihr typisches Gehässigkeitsgrinsen. „Gibt ein schönes Märchen. Ein Junge wird von einer Hexe gemästet, damit sie etwas zum Essen hat. Im übertragenen Sinne heißt das also: Nimm bloß keine Pralinen von Madame Burgunda und Konsorten an, Dickie. Sonst schlachtet sie dich am Ende noch als Erstes.“

XXXXXXXXXXX

„Noch ein wenig Schokolade, Ulysses?“ Zsa Zsa Zabini beugte sich zu ihm hinunter und lächelte wohltuend. Auf ihren Lippen schimmerte ein Hauch von Rot und ihre langen, schwarzen Haare hatte sie heute zu unzähligen Zöpfchen geflochten und elegant hochgesteckt. Professor Slughorn hatte die junge Frau, wie bereits vor Wochen angekündigt, in seinen Slug-Klub geladen. Und Ulysses war sicherlich nicht der einzige, der ihr bewundernde Blicke zuwarf. Der blonde Erstklässler Raymond D`oily, der selbst ein geradezu unverschämt hübsches Gesicht besaß, studierte Zsa Zsas Erscheinung mit stiller Aufmerksamkeit.
„Haben Sie noch eine dieser Mokkapralinen, Ms. Zabini?“, fragte Ulysses geistesabwesend. Sie fischte sich drei der gewünschten Pralinen von dem Silbertablett, bettete sie in ein violettes Spitzentuch und schob sie zu Ulysses hinüber.
„Die scheinen dir ja ausgezeichnet zu schmecken, mein Lieber. Wenn du willst, schreibe ich dir die Adresse auf. Ich fürchte, der Genuss ist jedoch etwas kostspieliger als gewöhnlich.“
„Oh, Ms. Zabini. Ich denke, Ulysses wird sich die Pralinen durchaus leisten können“, mischte sich Professor Slughorn ein. Seine dicken Wangen hatten vor lauter Glühwein einen lebhaften Rotton angenommen. Er war eindeutig beschwippst. „Die Rathburns haben mehr als genug Zaubergeld. Ulysses hier wird eines Tages ein gutgehendes Familienunternehmen leiten. Und wenn er den unbegreiflichen Geschäftssinn seines Großvaters geerbt haben sollte, wird er sein Vermögen innerhalb eines Jahres sicher noch verdoppeln können, da bin ich sicher. Odysseus Rathburn war ein echter Teufelskerl.“ Slughorn prostete Ulysses zu und gluckste zufrieden.
Raymond D`oily schnaubte bloß. „Sie sollten nicht vergessen, Professor, dass mein Vater auf dem internationalen Markt führend ist. Die Rathburns machen hier in Großbritannien gute Geschäfte, doch die D`oilys handeln weltweit. Und Forester Rathburn ist auch nicht mehr als ein Unterhändler meines Vaters.“ Raymond fixierte Ulysses mit seinen großen, klaren Engelsaugen an, die mit dichten Wimpern umrahmt waren. Der Slytherin lächelte ölig. „Mein Vater ist der Boss deines Vaters, Rathburn. Und wenn du eines Tages den Familienbetrieb übernimmst bedeutet das nur, dass ich quasi dein Boss sein werde.“
„Was du nicht sagst, D`oily“, schnarrte Ulysses trocken. „Die hässliche Schleimspur, die du hinterlässt, werde ich wohl nie loswerden, oder?“
Wieder gluckste Slughorn. „Ihr beide verfügt tatsächlich über diesen bissigen Geschäftssinn, den ich so sehr schätze. Herrlich.“
Raymond lächelte süffisant und Ulysses wandte sich von ihm ab. Sein Herz pochte wild und wütend. Wenn er Raymond jetzt nicht ignorieren würde, wäre das Risiko hoch, einen Herzanfall zu kassieren. Er hörte eine Weile lang zu, wie sich Zsa Zsa mit dem Hufflepuff Ambrosius Flume über die Herstellung von süßem Kokoswein unterhielten.
„Kokoswein für Kinder ist köstlich. Viel besser als das englische Butterbier“, sagte Zsa Zsa gerade freundlich. „Leider habe ich noch keinen Kokoswein in Hogsmeade entdecken können. Man könnte sich eine goldene Nase damit verdienen.“
„Sicher eine gute Idee. Butterbier verkauft sich nur in der kalten Jahreszeit besonders gut. Ich denke, süßer Kokoswein wäre besonders geeignet für die Sommermonate.“ Ambrosius fachsimpelte gerne. Ulysses hatte gehört, dass Ambrosius nach den Sommerferien für den Vollen Goldtopf, den Süßwarenladen in Hogsmeade arbeiten würde. Eine Anstellung, die er vornehmlich Professor Slughorn zu verdanken hatte.
Ulysses schob sich eine von Zsa Zsas Mokkapralinen in den Mund und kaute übersättigt darauf herum. Sein Bauch drückte bereits gegen den Hosenbund und das, obwohl ihm das Mittagessen noch bevor stand.

Nach einigen Minuten erhob sich Zsa Zsa von dem Tisch, an dem sie alle gesessen hatten. Sie schenkte Slughorn ein entschuldigendes Zwinkern. „Tut mir Leid Professor, aber Sie wissen ja, dass ich heute noch zu einer anderen Feier geladen wurde. Ich muss meiner Mutter unbedingt unter die Arme greifen bei den Vorbereitungen. Gegen sechs Uhr erwarten wir die ersten Gäste.“
„Natürlich, meine Liebe.“
„Gehe ich Recht in der Annahme, dass Sie heute Abend auch erscheinen werden, Professor?“ Zsa Zsa legte den Kopf schief und schmunzelte wissend.
„Selbstverständlich. So eine Feier lasse ich mir nicht entgehen“, sagte Slughorn.
„Also dann, auf Wiedersehen.“ Zsa Zsa wandte sich ab und verabschiedete sich auch bei den übrigen Schülern. Als sich ihr Blick mit Ulysses` Blick kreuzte hielt sie jedoch inne. „Beinahe hätte ich es vergessen“, seufzte sie und schlug sich mit der Handfläche leicht gegen die Stirn. „Ulysses, ich muss unbedingt deine Freundin Erinys Norcross finden.“
Ulysses, der wie immer weitaus mehr in diesen Blick interpretiert hatte, fühlte sich etwas überrumpelt. „Erinys?“ echote er.
„Sie wurde von meiner Mutter nicht zu der Feier eingeladen. Ich fand es jedoch unfair und habe deshalb beschlossen, Erinys zu meinem persönlichen Gast zu machen.“
Als ob Erinys das interessieren würde, dachte sich Ulysses amüsiert. Bei der Vorstellung, Zsa Zsa würde die knochige Erinys in ein prächtiges Abendkleid zwingen, musste er verstohlen grinsen.
„Nun?“
Ulysses überlegte kurz. Es war Sonntagvormittag und es gab keinen besonderen Ort, an dem Erinys regelmäßig ihre Sonntage verbrachte. Vor allem nicht, wenn sie auf Ulysses` Gesellschaft verzichten musste. „Sie hat ein paar Aufgaben in Geisterkunde zu erledigen“, sagte er schließlich. „Ich könnte mir vorstellen, dass sie vielleicht in der Bibliothek ist. Ganz vielleicht aber nur. Ich bin mir nicht sicher.“

XXXXXXXXXXX

Tatsächlich hielt sich Erinys Norcross zu diesem Zeitpunkt keineswegs in der Bibliothek auf. Vielmehr verbarg sie sich so gut es ging hinter der Brustwehr eines kleinen, massiven Steinbalkons und lugte vorsichtig hinunter. Ihrem schlechten Gewissen - das sich zeitweise tatsächlich sogar etwas geregt hatte…aber nur etwas - zum Trotz, hatte sie den kleinen, unerlaubten Hogsmeade-Ausflug von Liam, Klee und ihren beiden Anhängseln verpfiffen.
Sie schob diese böse Tat jedoch auf ihr ausgeprägtes Pflichtbewusstsein.
Nun, keine Stunde später, trotteten die vier wiedergefundenen Ausflügler in Begleitung des Hausmeisters und Argus Filch, zurück nach Hogwarts. Mr. Pringle rieb sich die Hände, als wäre ihm soeben ein dicker Fang ins Netz gegangen, und auch Argus wirkte, selbst aus großer Höhe, überaus selbstzufrieden.
Empfangen wurden die vier Ausreißer bereits von einer mürrischen Professor McGonagall, die ihre Fäuste in die Hüfte gestemmt hatte. Ihr dunkler Wintermantel bauschte sich im kalten Sturm. Ihre erste Amtshandlung bestand darin, Liam am Arm zu greifen und heftig auf ihn einzureden. Erinys konnte ihre Worte nicht verstehen, dazu war sie zu weit entfernt und der Wind rauschte zu laut um ihre Ohren. Doch die Tatsache, dass Liams sonst so beherrschte Miene quasi in sich zusammenfiel, genügte ihr vollkommen. Über den Punktabzug dürfte selbst er sich gehörig ärgern. Und Slytherin wäre danach wieder fein raus. Aber so war nun mal das Leben und im Krieg und in der Liebe war alles erlaubt. Vor allem im Krieg, dachte Erinys befriedigt.

Liams Gegenschlag in diesem „Krieg“ folgte jedoch bereits kurze Zeit später.
Erinys saß in der Bibliothek und goldgrünes, schummriges Licht fiel durch das bleigefasste Buntglasfenster ihrer ruhigen Sitzecke. In regelmäßigen Abständen spähte Erinys über die Seiten ihres Buches hinweg, zu Sybill Trelawney, die bedeutend weiter entfernt saß. Erinys konnte ihre krausen, dunklen Haare und einen Teil von Sybills Kopf und Rücken erkennen, wenn sie durch die schmale Buchlücke im Regal lugte. Seit ihrem verhängnisvollen Waldausflug hatten Erinys und Sybill kein weiteres Wort mehr miteinander gewechselt, obwohl Erinys sehr wohl wusste, dass es ihre Pflicht war sich bei Sybill zu entschuldigen. Aber diesen Gedanken schob sie jedes Mal weit, weit von sich. Sybill lebte in ihrer eigenen, schrulligen Welt und eine Entschuldigung bedeutete ihr sicher nicht so viel wie anderen. Erinys hatte eher das Gefühl, dass sie lieber in Ruhe gelassen werden wollte, allen voran von Erinys selbst.
Und diese unkomplizierten Spielregeln befolgte Erinys Norcross nur allzu gerne.
„Einhundertfünfzig Punkte Abzug. Vielen Dank Norcross.“
Erinys hielt erschrocken den Atem an, als die ruhige, nüchterne Stimme hinter ihr erklang. Ruckartig wandte sie sich um und starrte nun direkt in Liam Evonshares hübsches, schmales Gesicht, dessen graue Augen sie kühl musterten.
Erinys verdrängte die Tatsache, dass der Schock ihr Herz so kräftig wie ein Stromschlag durchzuckt hatte und es wie wild schlagen ließ. Sie zwang sich zu einem vorsichtigen Lächeln. Das hier war nur Liam, ein schweigsamer Zweitklässler, der allenfalls ein Talent zum Heranpirschen besaß. Kein Grund besorgt zu sein.
„Hundertfünfzig, Evonshare? Da sieht man mal, dass sich solche Ausflüge nicht lohnen, wie?“
„Sehr lustig, Norcross. Du bist eine verdammte Petze.“
„Genau wie deine Klemencia. Die hat mich schließlich vor kurzem auch verpfiffen. Ich wollte nur sichergehen, dass die ausgleichende Gerechtigkeit mal wieder zum Zuge kommt. Jetzt sind wir quitt, Evonshare. Kein Grund Streit anzufangen.“
Diese Bemerkung quittierte Liam aber bloß mit einem falschen Schmunzeln und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Erinys gleiten, bildete mit seinen Händen ein Zelt und stützte sein Kinn darauf ab. Seine hellen Augen ruhten unverbannt auf Erinys` Buch, in dem sie gelesen hatte.
Erinys schaffte es volle zehn Sekunden, Liams seltsames Verhalten zu ignorieren. Dann aber hob sie den Blick und starrte trotzig zu ihm hinüber, wie er seelenruhig auf seinem Platz saß.
„Könntest du das bitte lassen?“, sagte sie unwirsch.
Liam setzte die Miene eines Unschuldigen auf. „Was denn?“ fragte er mit einem fast schon süßlichen Unterton.
„Setz` dich gefälligst woanders hin, Evonshare! Ich arbeite hier.“
„Du sitzt an einem Tisch, der für mindestens vier Schüler gedacht ist“, entgegnete Liam mit übertriebener Gelassenheit. „Ich habe ein Recht hier zu sitzen. Außerdem tue ich dir ja nichts, ich sitze hier bloß ganz ruhig.“
Erinys` Augenbrauen senkten sich unwillkürlich und ihr Herz schlug boshaft in ihrer Brust. Sie wusste, dass Liam sie einzig und allein provozieren wollte und sah es deshalb in keinster Weise ein, sich von dieser Provokation unnötig anstacheln zu lassen. Also lenkte sie ihre Aufmerksamkeit zurück auf das Buch, las Zeile um Zeile. Doch sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihre überreizten Nerven nun schmerzhaft in ihrem Schädel pochten und nach Ruhe verlangten. Liam musste gehen, oder Erinys würde sich am Ende gezwungen sehen, ihm eines dieser dicken, zweitausend Seiten starken Bücher in sein hübsches Gesicht zu schlagen.
Eine Weile hockten die beiden Schüler schweigend beieinander. Erinys nahm Liams leise Atemgeräusche mit einer Deutlichkeit war, die sie langsam aber sicher in den Wahnsinn zu treiben schien. Sie fasste sich an die Schläfen und ignorierte das Aufheulen einsetzender Kopfschmerzen, während Liam begann, mit den Fingernägeln eine alte, oberflächliche Brandspur im Tisch nachzuziehen. Dabei gähnte er laut.
„Liam Evonshare!“ Erinys schlug mit der Faust auf das Holz. „Verschwinde!“, zischte sie.
Liam musterte sie mit kühlem Trotz. „Du bist nicht die einzige, die Hausaufgaben zu erledigen hat“, sagte er.
„Bei Freya, ich sehe dich aber nicht arbeiten!“
„Warts ab.“
Erinys glaubte eine unterschwellige Drohung aus Liams Worten herauszuhören, aber sie konnte sie auch täuschen. Sie bedachte ihn mit einem letzten, giftigen Blick, bevor sie ihre Sachen zurück in die Schultasche stopfte und aufsprang. „Weißt du was? Die Lust am Lernen ist mir gerade vergangen. Meinetwegen kannst du hier sitzen bleiben und versauern, ich zumindest lasse mich nicht so einfach provozieren!“

Zügig machte sie sich daran, aus der Bibliothek zu verschwinden. Flüchten tat sie jedoch keinesfalls. Sie fürchtete sich in keiner Weise vor Liam, mochte er noch so groß, verschwiegen und hinterlistig sein. Sie besaß den Stolz einer jeden Drittklässlerin, die über die Zweitklässler nur die Nase rümpfen konnte.
Sie schummelte das Buch, in dem sie zuvor noch gelesen hatte, an Madame Pince vorbei, die gerade damit beschäftigt war, Soßenflecken von ihrem Tagespropheten zu tupfen und dabei einen höchst pikierten Eindruck machte. Erinys verspürte nicht die geringste Lust, sich länger in der Bibliothek aufzuhalten als nötig. Im Slytheringemeinschaftsraum würde sie genügend Ruhe finden um weiter zu arbeiten und das Beste daran war, dass kein Gryffindor namens Liam Evonshare sie dort erreichen und zur Weißglut treiben konnte.
Und doch hatte sie genau diesen Gryffindor namens Liam Evonshare nicht mit einkalkuliert. Sie war noch nicht weit gekommen, da stieß das „ausgeborgte“ Buch aus der Bibliothek plötzlich einen kläglichen Schluchzer aus und klapperte mit seinen Buchrücken.
„Oh, nicht doch“, seufzte Erinys und zog das Buch aus ihrer Tasche. Sie wusste, dass einige Bücher aus der Bibliothek anfingen sich bemerkbar zu machen, wenn man sie ohne Erlaubnis einfach mitnahm. Allerdings hatte Erinys auch geglaubt, dass dieses Phänomen ausschließlich bei den verbotenen Büchern auftrat. Ihr Buch hingegen war harmlos und behandelte lediglich das Thema Geistererscheinungen. Und das war doch noch lange keinen Grund, einen solchen Radau zu veranstalten, oder?
Das dicke Buch klappte sich selbstständig auf und blätterte seine Seiten in rasendem Tempo hin und her. Es stieß ein krächzendes Wimmern aus, das kläglich durch den Korridor hallte.
Erinys zückte ihren Zauberstab und tippte gegen den Ledereinband. „Silencio!“, zischte sie, obwohl sie wusste, dass ein simpler Zauberspruch gegen diese Diebstahlsicherung nichts bewirken würde. Damit behielt sie natürlich Recht.

„Probleme, Norcross?“, plötzlich war Liams leise, nüchterne Stimme hinter ihr. Erinys fuhr herum und fand sich erneut in seiner unangenehmen Gesellschaft wieder. Liam stand zwei Meter von ihr entfernt, die Hände ruhig hinter seinem Rücken gefaltet. Erinys konnte in seinen Augen keine Spur von Häme ausmachen, aber sie konnte sich auch genauso gut täuschen. Liam Evonshare war mit dem Gesicht eines erfahrenen Pokerspielers geboren worden. Selten, sehr selten verlor er die Beherrschung über seine Mimik.
„Du solltest das Buch besser zurückbringen. Es wird immer lauter schreien. Du willst doch nicht, dass Direktor Dippet vor Schreck aus seinem Bettchen fällt, oder?“, riet ihr Liam ohne das es im Geringsten nach einem Rat klang. Er hätte genauso gut über das morgige Wetter sinnieren können.
„Danke Evonshare für deine Mühe“, sagte Erinys kühl. „Aber ich glaube, du kannst jetzt wieder verschwinden. Kein Grund mir wie eine Klette zu folgen, oder?“
„Ich habe Gründe dir zu folgen“, entgegnete er unverzüglich. Erinys horchte auf und musterte ihn kritisch und aufmerksam. Das Buch in ihren Händen krächzte immer lauter und zerrte an ihren Nerven.
„Du folgst mir, weil du mich zur Weißglut treiben willst. Richtig, Evonshare?“
„Falsch. Ich folge dir, weil ich dich in eine Übung mit einbeziehen möchte“, Liams Worte waren gewählt und gestelzt, ebenso der Klang seiner Stimme. Wahrscheinlich, dachte sich Erinys, hat er sich auf diesen Moment lange vorbereitet. Eine Vermutung, die ihre Wachsamkeit nur weiter verstärkte. Sie griff ihren Zauberstab fester und drehte die Spitze unbemerkt mehr in seine Richtung, schließlich wollte sie auf seinen Erstschlag vorbereitet sein.
„Ich habe ein paar nette Zauber auf Lager, doch mir fehlen die Gelegenheiten sie auszuprobieren“, fuhr Liam präzise fort. „Unter anderem ein Zauber, der genau auf dich zugeschnitten ist, Norcross.“
Erinys musste sich nicht zu einem siegessicheren Lächeln zwingen, ihr Lächeln war ehrlich. „Und du glaubst, du kannst mich jetzt mit diesem Zauber überrumpeln, was?“ höhnte sie. „Jetzt, wo du mir deinen Plan bereits verraten hast? Ich wusste nicht, dass du so dumm bist, Liam Evonshare.“ Erinys hatte allen Grund, sich überlegen zu fühlen. Sie war eine Drittklässlerin und gute Duellantin, ihren Zauberstab hielt sie schon seit gut einer halben Minute in der rechten Hand. Die Zeit, die Liam brauchen würde um seinen Zauberstab zu ziehen, würde Erinys eindeutig für sich verbuchen und den Gryffindor auf den Boden schicken, ehe er überhaupt bereit war.
Eine simple Gleichung.

Doch wieder hatte sie Liams Trickkiste nicht in diese Gleichung mit einbezogen.
Das Krächzen des „geborgten“ Buches schraubte sich allmählich lauter und steigerte sich fast schon bis zur schieren Unerträglichkeit. Bald würde Madame Pince oder ein Lehrer darauf aufmerksam werden.
Liam lächelte verschmitzt, hob den Arm und wischte sich die schwarzen Haarsträhnen von der Stirn. Und in diesem Moment wusste Erinys, dass sie einen Fehler gemacht hatte: Liams Zauberstab befand sich in eben dieser Hand, gut verdeckt unter einem überlangen Ärmel. Erst als er sich mit der besagten Hand die Haare aus dem Gesicht wischte, entdeckte sie den Zauberstab, den er die ganze Zeit gehalten hatte. Ehe sie reagieren konnte, hatte Liam schon mit dem versteckten Zauberstab eine schnelle Bewegung ausgeführt. „Doncus“ hieß der Spruch, der ein rostrotes Leuchten aus Liams Stab herausbrechen ließ und Erinys schmerzhaft erfasste. Sie stolperte ungeschickt rückwärts, bis sie die kalte Steinwand im Rücken hatte, an der sie wie gelähmt hinabsackte.

XXXXXXXXXXX

Liam Evonshare ist ein Mistkerl.
Ein verdammter Mistkerl!
Immer und immer wieder fluchte Erinys stumm vor sich hin, während sie so schnell sie konnte das Treppenhaus hinaufstürzte. Es war möglich, dass Liam die Verfolgung aufgenommen hatte, aber das war sicher nicht der einzige Grund für Erinys, zu flüchten. Schallendes Gelächter der übrigen Schüler folgte ihr überallhin und selbst jene die nicht lachten, grinsten meist verstohlen und voller Schadenfreude.
Dazu hatten sie auch allen Grund. Erinys bot einen elendigen Anblick. Das war ihr sehr wohl bewusst, auch ohne ihr Spiegelbild vor Augen zu haben. Ihr Körper bewegte sich schwerfällig und unkoordiniert, ihr rechter Fuß fühlte sich an wie ein Fremdkörper. Als sie kurz anhielt um testweiße die Zehen zu strecken, wurde ihr schlagartig bewusst, dass es keine Zehen mehr gab, die man hätte strecken können.
Liam hatte sie verhext. Verwandelt. Jedoch nicht vollständig. Er war nur ein schweigsamer Zweitklässler und seine schulischen Leistungen waren allgemein nicht der Rede wert. Aber es hatte ausgereicht um Erinys in eine Art von Schimäre zu verwandeln. Halb Mensch, halb Tier. Und diese Mischung war so missglückt und armselig, dass es Erinys nicht nur Schmerzen bereitete, sondern sie auch vor der ganzen Schule bloßstellte.
Erinys war eine Eselin. Eine halbe Eselin. Und der Fremdkörper in ihrem rechten Schuh war nichts anderes, als ein Huf.
Verdammter Mistkerl!
Er wird dafür büßen.

Erinys erreichte die Eulerei. Aufmerksame Eulenaugen wandten sich ihr zu, als sie sich in den stinkenden Raum schleppte. Der Geruch war beißend, eine ätzende Schärfe drang in ihre Nase. Trotzdem sog sie schnuppernd Luft ein, so viel wie in ihre Lunge passte. Ihre Nase hatte sich eindeutig verfeinert. Sie besaß nun den Geruchssinn eines Huftieres.
Die Eulerei war menschenleer, dennoch beschloss sie, sich besser in dem geheimen Nebenraum zu verstecken. Diese zweite, seit langem ungenutzte Eulerei hatten sie im letzten Schuljahr entdeckt. Nicht viele wussten davon.
In der zweiten Eulerei war es düster und die nackten Steinwände starrten ihr kalt entgegen. Die Nischenplätze waren leer, doch der Vogelgeruch lag noch immer schwer in der Luft und alte, dreckige Federn bedeckten den Boden.
Erinys sah sich um. In einer schwereinsehbaren Ecke standen einige Dinge, die mit langen Leinentüchern abgedeckt waren. Unter einem der Leinen lugten die steinernen Zehen einer Statue hervor. Offenbar hatte man diese Ecke irgendwann als kleinen Stellraum benutzt. Erinys zwängte sich an zwei eng beieinander stehende, überlebensgroße Statuen vorbei und suchte in dem dunklen Stellraum Deckung. Liam wusste von der zweiten Eulerei und sie hatte nicht die geringste Lust, sich noch einmal mit ihm anzulegen. Nicht jetzt. Nicht heute.
Rache brauchte Zeit zum Reifen.
Erinys setzte sich auf den Boden und zog sich den Schuh von dem schmerzenden rechten Fuß. Wie erwartet kam aber nur ein kleiner, runder Eselshuf zum Vorschein, statt eines Fußes. Oberhalb der Hufwurzel sprossen spröde, dunkle Tierhaare. Genau wie auf ihren Armen. Traurig betrachtete sie ihre Hände. Ihre Linke war wie verklumpt, fast so als ob die Fingerknochen zusammengewachsen wären. Ihre Nägel waren dunkelgrau und fest, genau wie ein Huf.
Liam hatte schier entsetzlich gezaubert. Sie musste aussehen wie ein verkrüppeltes Mischwesen und ganz nebenbei fühlte sie sich auch wie ein verkrüppeltes Mischwesen. Sämtliche Knochen drückten und zerrten, als ob sie aus ihr herausbrechen wollten. Als hätte man mit ihrem Skelett Puzzle gespielt und dabei falsch zusammengesetzt.
Professor McGonagall, ihre Verwandlungslehrerin, hatte sie eingehend vor diesen Nebenwirkungen gewarnt. „Missglückte Verwandlungen gehören zu den schlimmsten Dingen, die einem Menschen passieren können“, hatte sie einmal gesagt. „Immer wieder gibt es Unfälle. Mitunter tödliche Unfälle. Nilpferdkopf auf Menschentorso, Hühnerbeine mit Löwenkörper…ihr könnt euch vorstellen, dass unter solchen Belastungen ein Skelett auch einfach zerbersten kann.“
Der einzige Trost der Erinys bleib, war die Tatsache, dass sie keine Schuld an dieser Misere hatte. Liam Evonshare hatte sie verhext, sie selbst war unschuldig. Sie schloss für einen Moment die Augen und malte sich aus, was passieren würde, wenn Liam wegen diesem Vorfall die Schule verlassen müsste.
Hart aber fair. Er hatte sie schließlich nun schon zum zweiten Mal in Lebensgefahr gebracht. Beim ersten Mal hatte er dafür gesorgt, dass sie aus großer Höhe von einem Besen gefallen war. Und jetzt, beim zweiten Mal, hatte er, ein mittelmäßiger Zweitklässler, sich unerlaubt an einer Verwandlung versucht, deren Folgen er sicher nicht einmal abschätzen konnte.
Direktor Dippet durfte nicht die Augen davor verschließen, dass der stille Liam in Wirklichkeit gemeingefährlich war. Erinys selbst würde dafür sorgen, dass Liam die Schule verlassen würde. Bei diesem Gedanken lächelte sie grimmig.

Als sie wieder die Augen aufschlug, entdeckte sie direkt vor sich einen großen, flachen Gegenstand, der ebenfalls in ein Leinentuch gehüllt war. Nur reichte das Leinentuch nicht ganz bis zum staubbedeckten Boden. Erinys erkannte eine dreckige Spiegelfläche, die unter dem letzten Zentimeter Stoff hindurchblitzte. Ruckartig stand sie auf und zog das Tuch hinunter. Und tatsächlich, es war ein großer Standspiegel den sie zu Tage förderte. Das Holz, in das der ovale Spiegel eingefasst war, war alt und spröde, aber schönverarbeitet.
Erinys wischte mit ihrer beharrten Hand die Dreckschichten von der Fläche, doch das half wenig. Schließlich zog sie ihren Zauberstab - zum Glück hatte sich aus ihrer rechten Hand kein Huf gebildet - und sprach einen Reinigungszauber aus. Selbst das zeigte nur bedingt Wirkung, aber für Erinys reichte es alle male. Sie starrte ihr Spiegelbild an, hin und hergerissen zwischen Lachen und Weinen.
Ein buckeliges, mit borstigem Fell überzogenes Wesen blickte sie aus dem Spiegel an. Der Kopf langgezogen, die Nase kaum mehr spitz, sondern flach und breit wie Nüstern. Und unter Erinys` kurzen, schwarzen Haaren lugten unverkennbar zwei haarige Pinselohren hervor. Sie strich sich prüfend mit der Hand über ihren Nacken nur um festzustellen, dass sich dort eine eselstypische feste Stehmähne gebildet hatte. Erinys` Blick wanderte abwärts, sie betrachtete ihren leicht buckeligen Körper, ihre sehnigen Arme im Spiegelbild. Ihre Augen kamen erst wieder beim schaurigen Anblick ihrer Beine zum stehen, die unter dem Schulrock halb verdeckt waren. Ihre Beine waren schon immer dünn gewesen, doch jetzt konnte nur der dichte, dunkelbraune Fellbewuchs die Tatsache verschleiern, dass ihre Eselsbeine mager und stelzenartig waren und - zumindest einseitig - in einem schmalen Huf endeten.
„Zumindest ist mir kein Schweif gewachsen“, sagte Erinys leise zu sich selbst und versuchte, es mit Humor zu nehmen. Es klang dennoch furchtbar trostlos. Sie trat näher an den Spiegel heran und inspizierte ihre Mundhöhle. Wie nicht anders zu erwarten hatten sich ihre Zähne in lange, hässliche Eselshauer verwandelt, die Erinys ein äußerst dümmliches Aussehen verliehen.
Gut, ihr Äußeres mochte sich zu einem furchtbaren, schimärischen Zerrbild gewandelt haben, aber das war kein Grund den Kopf zu verlieren. Spätestens in der Krankenstation würde Erinys ihre eselhaften Attribute wieder verlieren. Sie zweifelte nicht an Pomfreys Fähigkeiten. Das Problem bestand eher darin, mit dieser grotesken Form überhaupt die Station zu erreichen. Erinys verfügte zwar über ein gutausgeprägtes Selbstbewusstsein, aber das ging nun wirklich zu weit. Sie beschloss einfach abzuwarten, am Besten bis zur Nachtruhe, wenn all die anderen Schüler aus den Korridoren und Treppenhäusern verschwunden waren.

Sie stand noch immer vor dem Spiegel, als ihr plötzlich etwas ins Auge sprang. Im Spiegelbild machte sie eine nebligblaue Reflektion aus, die hinter ihrem Rücken zu schweben schien. Das Leuchten war fahl und geisterhaft, wie ein besonders schwaches Polarlicht. Doch es reichte allemal aus, um Erinys` ungetrübte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Erinys drehte sich um und stellte fest, dass das sonderbare Licht nicht nur im Spiegelbild existierte. Dort, direkt vor ihr im Schatten stand eine eisenverstärkte, alte Holztruhe, mit aufgeklapptem Deckel. Bedeckt von uraltem Staub lag in ihrem Inneren der abgetrennte steinerne Kopf einer Statue, und unter diesem Kopf fanden sich weitere Teile dieser Statue, wie z.B. eine Hand, ein Stück eines Schwertes, eine Pfote…Pfote?
Erinys musste Husten, als sie die Steinpfote vorsichtig aus der Kiste barg und dabei die dicke Schicht Staub aufwirbelte. Mit dem Licht ihres Zauberstabes betrachtete sie das Fundstück genauer und stellte fest, dass es sich tatsächlich um eine große Hundepfote handelte, gearbeitet aus sehr hellem Stein. Offenbar lagerten in dieser Kiste die Überreste alter, zerstörter Statuen, was an und für sich nichts Ungewöhnliches war. Doch diese Pfote ließ sie augenblicklich an Willigis Wulfgard und seinen Wolf Gwydion denken. Dank ihrer Nachforschungen wusste sie, dass einst ein steinernes Abbild von Willigis dem Wölfischen hergestellt worden war, um die Erinnerung an den Verstorbenen wach zu halten.
Sie legte sie Pfote bei Seite und besah sich den menschlichen Kopf, der obenauf in der Kiste lag. Die Züge des Mannes waren bereits nicht mehr gut zu erkennen, das Alter hatte daran genagt. Dennoch stärkte es ihre wage Vermutung, dass es sich hierbei vielleicht tatsächlich um Willigis Wulfgards verschwundene Statue handeln könnte.

Aber selbst diese Entdeckung war nicht so interessant wie der Ursprung dieses fahlen Lichts, dass Erinys überhaupt erst hergelockt hatte. In einem Seitenfach im Inneren der verstärkten Kiste, befand sich ein staubiges Stoffbündel, aus dem mehrere Phiolen hervorlugten. Erinys war bemerkenswert vorsichtig, als sie das Bündel behutsam aus der Kiste hob und vor sich auf den Holzboden legte. Tatsächlich, das Licht kam aus dem Inneren dieser Phiolen. Sie holte eine hervor und begutachtete sie. In dem verkorkten Fläschchen schien ein nebligblauer Faden zu schwimmen, der ein schwaches Leuchten abstrahlte. Auch in den anderen Phiolen, insgesamt befanden sich vier Stück in dem Säckchen, schwirrte jeweils eines der dünnen Nebelfäden. Erinys war vollkommen ratlos. Sie ahnte, dass diese Entdeckung wichtig sein würde, aber es war ihr unmöglich zu bestimmen, um was es sich bei ihrer Entdeckung überhaupt handelte. Niemals zuvor hatte sie etwas Vergleichbares gesehen, und egal wie lange sie in ihren Erinnerungen kramte, sie konnte sich nicht einmal entsinnen, im Unterricht je davon gehört zu haben.
Eine Entdeckung ohne Namen und Bezeichnung. Aber wichtig war es allemal.
Erinys leuchtete die Kiste aus, förderte aber keine weiteren Überraschungen zu Tage, außer einen steinernen Wolfskopf, der inmitten all des Schutts lag. Der Kopf war überlebensgroß und schaurig anzuschauen, denn in den Augenhöhlen saßen Pupillen aus eisblauem Gestein, die Erinys kühl und besonnen anzustarren schienen. Nun war sie sich mehr als sicher, dass es sich um die Reste des Willigis Wulfgard Abbildes handeln musste. Gerade als sie beginnen wollte, die zahlreichen Einzelteile wie ein Puzzle zusammenzulegen, hielt Erinys plötzlich inne und lauschte. Mit ihren etwas zu kurz geratenen Eselsohren hörte sie überraschend gut und sie glaubte, einen Laut in der Eulerei wahrgenommen zu haben. Und da war es wieder: Eine leise Frauenstimme, die jemanden zu rufen schien. Vielleicht war es eine Lehrerin, die von Erinys` kleinem Problem erfahren hatte und nun nach ihr suchte?
Rasch stand Erinys auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Sie wollte unbedingt aus diesem Eselskörper und hielt es für eine gute Idee, sich der Lehrerin unverzüglich zu zeigen. Die Frau würde schon wissen was zu tun war.
Einen Moment hielt Erinys jedoch inne und blickte zu den Phiolen, die noch immer auf dem Holzboden standen. Sie überlegte, die vier Fläschchen mit zu nehmen, entschied sich aber dagegen. Kein Angestellter Hogwarts würde es ihr erlauben, einfach Gegenstände aus einem Lager zu borgen und die Gefahr war zu groß, dass man Erinys jetzt erwischen würde. Also nahm sie die Phiolen, steckte sie zurück in den Beutel und verschloss sie erneut in der Truhe. In ein paar Tagen würde Erinys einfach zurückkehren und ihre Beute mit aller Vorsicht aus der zweiten Eulerei schmuggeln.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass im Lager keine Spuren mehr von ihrem Besuch zeugten, schlich sie leise zu dem versteckten Durchgang, der die beiden Eulerein voneinander trennte. Je näher sie kam, umso deutlicher hörte sie die Frauenstimme. Schließlich schlüpfte sie durch den Durchgang und erreichte wieder die erste Eulerei, deren beißender Gestank ihr augenblicklich zuwider war. Erinys hob den Blick und entdeckte am Fenster eine große, schlanke Frau, die angestrengt auf die Schlossgründe hinab starrte. Ein Schwall langer, rabenschwarzer Locken bedeckte ihren halben Rücken. Selbst in dem hier herrschenden Zwielicht erkannte Erinys die Frau augenblicklich, nicht zuletzt an der dunklen Haut: Es war Zsa Zsa Zabini.
Erinys räusperte sich verhalten, was bewirkte, dass Zsa Zsa sich zu ihr umwandte. Trotz ihrer offensichtlichen Überraschung, war jede einzelne Bewegung so anmutig wie bei einer erfahrenen Tänzerin.
Zsa Zsas Hand wanderte zu ihrem Mund, der, Erinys` kümmerlichen Anblick sei dank, atemlos aufgeklappt war. Ihre dunklen Augen wurden groß. „Miss Norcross?“, fragte sie. „Bist du das?“
„Leider ja“, antwortete Erinys schleppend, war sich jedoch im nächsten Moment nicht sicher, ob sie nun in Worten geredet oder schlicht geschrieen hatte wie ein müder Esel.
Doch Zsa Zsa schien sich ihrer Sache sicher. Vorsichtig nährte sich die junge Frau ihr und ging schließlich vor Erinys in die Hocke. Zsa Zsa musterte ihre Erscheinung genau und zupfte testweiße kurz an dem haarigen, spitzen Eselsohr. Unwillkürlich scharrte Erinys mit ihrem einzelnen Huf über den dreckigen Holzboden.
„Wer hat das getan?“, erkundigte sich Zsa Zsa und legte leicht den Kopf schief. „Es sieht furchtbar aus.“
„Liam Evonshare.“ Erinys` Worte kamen mühselig hervor, an ihr Eselsgebiss hatte sich ihre Zunge noch nicht gewöhnt.
Zsa Zsa zückte ihren Zauberstab, ein schönes, elegantschwarzes Stück. Er lag sehr gut in Zsa Zsas Hand und wirkte wie geschaffen für sie. Mit einem raschen Schwenker und einem leisegesprochenen Zauber behob die Frau in Windeseile Erinys` borstiges Problem. Keine Sekunde später spürte sie, wie ein Ruck durch ihren Körper lief und sie sah zu, wie ihr einzelner Huf sich in rasanter Geschwindigkeit in einen Fuß zurückbildete.
Zsa Zsa erhob sich schwungvoll und legte Erinys ihre Hand auf die Schulter. „Wie fühlst du dich?“
„Eindeutig besser.“ Erinys befühlte ihren Kopf und ihren Nacken und war glücklich als sie feststellte, dass sowohl die spitzen Ohren als auch die Stehmähne restlos verschwunden waren. Zufrieden wandte sie sich Zabini zu. „Vielen Dank.“ Und dann, nach einer kurzen Pause: „Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?“
„Ich wollte dich von Anfang an finden. Ein Drittklässler aus Huffepuff hat mir schließlich gesagt, dass er dich dabei beobachtet hat, wie du zur Eulerei hochgestürmt bist. Aber verrate mir einmal, was du jetzt vorhasst. Wirst du dich wegen dieser Geschichte an deinen Hauslehrer Professor Slughorn wenden?“
Erinys hatte die nächsten Schritte noch nicht bedacht, doch Zsa Zsa Zabinis Worte waren selbstverständlich einleuchtend. Wenn sie unverzüglich Professor Slughorn davon unterrichten würde, bestand die Möglichkeit, dass Liam noch heute seine Sachen packen und Hogwarts verlassen musste. Alleine das Gedankenspiel war interessant genug um sie zum schmunzeln zu bringen. „Ja“, sagte sie schließlich. „Ich sollte meinen Hauslehrer suchen. Der Schüler, der mich verhext hat, ging eindeutig zu weit, meinen Sie nicht?“
Zsa Zsa deutete ein Schulterzucken an. „So sind Kinder eben.“ Plötzlich zog sie etwas aus ihrer Brusttasche hervor, einen goldenen Gegenstand, den Erinys als kleine Taschenuhr mitsamt Goldkette identifizierte. Zsa Zsa warf einen prüfenden Blick auf das Ziffernblatt, bevor sie die kleine Uhr wieder wegsteckte. „Eigentlich hatte ich etwas anderes im Sinn. Es gibt einen guten Grund, warum ich auf der Suche nach dir war.“
„So?“
„Heute findet die kleine Feier von Barbette statt. Sie hat dir keine Einladung überreicht.“
„Aus gutem Grund nicht“, antwortete Erinys etwas verschämt. „Ich habe sie beleidigt.“
Zsa Zsa winkte ab. „Ein Ausrutscher. Man kann nicht von einem Mädchen perfekte Benimmregeln erwarten, das aus einem so schäbigen Umfeld kommt. Man kann es nicht erwarten, aber man kann es erarbeiten. Verstehst du, was ich meine?“
Erinys ahnte dunkel was ihr blühte, sie hatte bereits zwei Schritte weiter gedacht, zwang sich aber dennoch zu einem Nicken.
„Ich habe vor, dich zu der Feier einzuladen. Du wirst mein persönlicher Gast sein.“
Genau diese Worte hatte Erinys erwartet. Sie registrierte, dass ihr Herz heftig in ihrer Brust trommelte. Ihr war auch bewusst, dass sie Zsa Zsas Nettigkeit besser ehren sollte, doch dass änderte nichts an der Tatsache, dass sie im Grunde nie vorgehabt hatte, Barbette Burgundas Feier zu besuchen. Dass Erinys die Einladung verwehrt geblieben war, hatte sie tatsächlich als echtes Glück betrachtet.
Und obwohl Zsa Zsa Zabini der Meinung war, Erinys hätte auf Grund ihres Umfelds kein Gespür für Benehmen entwickeln können, besaß Erinys dennoch genug Höflichkeit. Sie hätte es Zsa Zsa klar ins Gesicht sagen können, dass sie absolut keine Lust verspürte, Burgundas Feier einen Besuch abzustatten, was natürlich der Wahrheit entsprach. Aber Erinys` wusste Zsa Zsas Mühen zu schätzen. Nicht viele Menschen hatten Erinys Norcross je so offen willkommen geheißen, inklusive ihrer eigenen Eltern und ihrer Familie.

„Nun?“, fragte Zsa Zsa. „Wirst du meine Einladung annehmen?“
Erinys senkte unsicher den Blick und starrte den dreckigen Steinfußboden ratlos an, als ob der ihr eine große Hilfe sein könnte. Ihr schlechtes Gewissen machte sich leise flüsternd bemerkbar, alleine bei den Gedanken, Zsa Zsas Einladung abzuschlagen.
„Na schön“, sagte Erinys schließlich gedehnt und bemüht gelangweilt. Sie blickte in das Gesicht der jungen Frau und zwang sich zu einem herausfordernden Lächeln. „Aber nur, wenn man mich nicht zwingt zu tanzen! Das kann ich nämlich nicht.“
„Ich kann dir einige Tanzschritte beibringen“, flötete Zsa Zsa munter.
„Nein, nein!“ Erinys schüttelte energisch den Kopf. „Das ist überhaupt nicht nötig! Ich bin eben ein Trampeltier, da kann man nichts dran ändern!“
Als Antwort grinste Zsa Zsa überraschend frech. „Kein Trampeltier, Erinys Norcross. Eine Eselin. Und wenn Pferde kotzen können, dann können Esel Walzer tanzen, du wirst schon sehen.“

XXXXXXXXXXX

Es war Schlag Fünf, als Zsa Zsa Zabini begann, Erinys für die Feier zurechtzumachen. Mit dieser Prozedur hatte Erinys keineswegs gerechnet, und wo sie sich die Haarwäsche noch gefallen ließ, spätestens beim Anblick von Zsa Zsas Schminkutensilien wurde ihr eiskalt ums Herz.
„Ich benutze so etwas nicht!“, versuchte sie die Frau abzuwimmeln, als diese gerade einen dunkelroten Lippenstift aus dem Holzköfferchen fischte.
Erinys und Zsa Zsa befanden sich in dem Schlafsaal, der normalerweise die Slytherin Zweiklässlerinnen beherbergte. Doch nun war der Raum menschenleer, eben bis auf Erinys und Zsa Zsa, die sich auf eines der Betten gesetzt hatten.
„Du hast dich noch nie geschminkt?“, erkundigte sich Zsa Zsa fast schon verwundert.
„Ist das schlimm?“, gab Erinys trotzig zurück. „Ich bin gerade erst vierzehn Jahre alt geworden, kein Mädchen schminkt sich in den Alter.“ Und dann fügte sie mit bösartigem Unterton hinzu. „Bis auf Imperia Malfoy und ihre Freundinnen, natürlich.“
Zsa Zsa setzte sich etwas bequemer hin und betrachtete Erinys mit einem geduldigen, langen Blick, als ob sie es darauf auslegen wollte, Erinys` Seele zu analysieren. „Du bist wirklich ein schwieriger Fall“, sagte sie schließlich. „Wovor hast du nur solche Angst?“
Erinys` Kopf fuhr überrascht zur Seite. „Angst?“, echote sie giftig. „Wovor sollte ich Angst haben? Vor Lippenstiften und Puderdosen?“
Zsa Zsa zuckte mit den Schultern. „Ich kann dir nicht sagen, wovor du dich fürchtest. Das kannst nur du selbst.“ Beiläufig wühlte sie wieder in dem hübschen, kleinen Schminkköfferchen herum und holte weitere Utensilien hervor, die sie fein säuberlich auf das Bettlaken legte. „Ich habe gehört, dass du kein gutes Verhältnis zu deiner Mutter hast“, bemerkte Zsa Zsa schließlich.
Erinys schnaubte bloß ungeduldig. „Na und?“
„Hat sich deine Mutter häufig geschminkt?“
Nun kam Erinys ins stocken. Unsicher musterte sie Zsa Zsa und fragte sich, welche Absichten die junge Frau mit diesem Gespräch hegen könnte. „Meine Mutter trat in Kneipen, sang, spielte Gitarre… sie war nicht schön genug, um sich den Männern ungeschminkt zu präsentieren. Also ja. Sie hat sich geschminkt, bis man sie kaum mehr erkannte.“ Voller Selbstverachtung registrierte Erinys, dass ihre Stimme bei diesem Thema brüchig und dünn wurde. Hinten, in ihrer Kehle brannte ein schrecklicher Druck, den sie mit kräftigen Schlucken versuchte zu beseitigen. Warum war es ihr nicht möglich, über ihre Mutter zu reden, ohne dass sich die Tränen ankündigten?

Zsa Zsa bedachte sie mit einem verständnisvollen Blick. „Du bist sehr aufgeweckt, Erinys Norcross. Das bewundere ich. Aber diese Gabe besitze ich auch. Und ich frage mich, ob deine Ablehnung gegenüber „Mädchenkram“ vielleicht-“
„- Vielleicht auf meine Mutter zurückzuführen ist?“, unterbrach Erinys sie.
Zsa Zsa nickte bestätigend. „Genau das wollte ich sagen. Vielleicht hast du Angst wie deine Mutter zu werden, weswegen du stets das Gegenteilige unternimmst.“
Erinys legte ihre Hände auf die Knie und betrachtete ihre Füße. Sie fühlte sich innerlich schwer beschädigt, weil Zsa Zsa es gelungen war, ihr mit wenigen Worten auf die Schliche zu kommen. Und das obwohl Erinys es stets vermieden hatte, über solch persönliche Dinge zu sprechen, aus Angst, jemand könnte ihr zu Nahe kommen.
Zsa Zsa verstand das Schweigen offenbar sehr genau. Sie rutschte vom Bett, setzte sich vor Erinys und strich ihr die klammen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Du solltest versuchen deine Stacheln etwas einzuziehen, Erinys. Ich kenne deine Mutter zwar nicht, aber ich weiß, dass du nicht so bist wie sie und auch nie so werden wirst. Und weißt du warum?“
Erinys, noch immer nicht fähig zu antworten, zuckte mit gespieltem Desinteresse mit den Schultern.
„Weil du ein mutiges und tapferes Mädchen bist, Erinys. Du würdest mit Klauen und Zähnen gegen jedes Hindernis ankämpfen, bis zum Umfallen. Auch wenn du mager und blass bist, ich kenne kaum Vierzehnjährige, die ähnlich robust sind wie du. Egal was geschieht, du würdest niemals aufgeben. Ich halte dich für ein großartiges Mädchen, du hast das Herz einer Löwin.“
„Oder einer Eselin.“ Erinys lächelte kläglich, aber sie befand sich fernab jeden Humors.
Zsa Zsas Mundwinkel hoben sich zu einem breiten, herzlichen Grinsen. „Wusstest du nicht, dass eine einzige Eselin ein gesamtes Wolfsrudel verjagen kann, wenn sie ihr Fohlen hütet? Esel sind mutiger und klüger als du denkst. Aber genug geredet. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit bis zu der Feier und ich werde dich nun herrichten, ob du willst oder nicht.“

Fortsetzung folgt…

XXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kommentar: Öh? Dass Erinys ausgerechnet in einen Esel verwandelt wurde, hat gewisse Gründe. Ich habe einmal darüber nachgedacht, in welche Tiergestalt sich die Charaktere verwandeln könnten, wenn sie Animagi wären. Erinys wäre dann nämlich tatsächlich ein Wildesel oder ein Maulesel. Klingt zwar fies, aber zu Erinys passt so ein stures, bockiges und tapferes Tier nun mal wie die Faust aufs Auge. ;)
Elicius wäre ganz klar ein Bär. Bei Ulysses bin ich mir nicht so ganz sicher, aber ich glaube, er wäre ein Waschbär. Besonders im Bezug auf seine spätere „Entwicklung“ passt der Waschbär gut…so nett sind diese kleinen Biester nämlich nicht, die können ziemlich frech und bösartig werden…

Elize7: Jaa, Ulysses kann ziemlich vernünftig sein, wenn er will. Ich denke, seine Liebesgeschichte mit Imbellis und seine Anschließende Depression haben ihm die Kindheit leider etwas ausgetrieben. Aber das wird sich wieder ändern. Der Kleine ist schließlich erst 12 und hat noch kein Recht auf Vernunft und Erwachsenengetue. Erinys ist im Gegensatz sogar schon 14 und trotzdem noch immer ein echter Kindskopf, was ich auch total an ihr liebe :)

Mila: Hö, hö. Finde ich ja interessant, dass du Erinys nicht magst. Die meisten finden sie neuerdings nämlich immer interessanter, deswegen finde ich es gut, mal wieder ein paar Gegenstimmen zu hören. Aber das ist okay. Ich versuche nicht auf Biegen und Brechen meine Charaktere jedem schmackhaft zu machen. Ich mag es, wenn die Geschmäcker weit auseinandergehen und jeder seinen ganz eigenen Liebling hat. Erinys ist da wohl ein besonderer Fall. Sie ist so kühl und selbstbezogen, entweder man hasst sie oder man liebt sie.

Tami9: Falsch geraten ;) War eigentlich absehbar, dass zumindest Erinys und Liam sich noch Flüche um den Köppe hauen werden XD
Aber Erinys wird noch gehörigen Mist bauen, dass verspreche ich dir. Wirklich gehörigen Mist. Aber du kennst sie ja ^^

HAC.Potter: Nun, vielleicht komme ich ja noch mal dazu, ein Buch zu schreiben. Und wehe, wenn du mir keine drei Exemplare abkaufst. Vorerst bleibe ich aber wohl besser eine einfache FF Autorin. Das ist nämlich ein verdammt gutes Training.


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
Soundtrack: Der Hobbit 3
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Manchmal ist es auch sehr schade, dass eine Figur verschwindet und im nächsten Band nicht mehr vorkommt. Dazu zählt beispielsweise Gilderoy Lockhart, den ich sehr mochte, weil er so furchtbar eitel war und ich mir einen Spaß daraus machte Leute aus dem Showbusiness mit seiner Charakterisierung zu veralbern.
Rufus Beck