von Dr. S
âNettes FĂ€hnchen.â
Regulus nahm den Blick von dem silbergrĂŒnen FĂ€hnchen, das James Potter auf den Boden geworfen hatte. Er hatte es aus fĂŒr ihn unerfindlichen GrĂŒnden eingesteckt und betrachtete es jetzt fĂŒr seinen Geschmack ein wenig zu oft. Was hatte Potter sich eigentlich dabei gedacht mit so einem Ding herumzuwedeln? Und warum hatte er es dann einfach weggeworfen?
Regulus steckte das FĂ€hnchen wieder in seine Brusttasche und drehte sich zu seinem Mannschaftskollegen, der auf die Sitzbank deutete.
âIst da noch frei?â
Regulus nickte, rutschte ein StĂŒck zur Seite und hatte somit nicht nur sofort ein Muskelpaket neben sich sitzen, sondern sah sich mit der Erwartung konfrontiert, dessen riesige Hand schĂŒtteln zu mĂŒssen, welche ihm sicherlich alle Finger brechen wĂŒrde.
âAvery, ich bin Treiber. Du bist der neue Sucher, nicht?â
Regulus nickte erneut, wĂ€hrend er sich eine gedankliche Notiz machte Treibern nie wieder die HĂ€nde zu schĂŒtteln â oder vielleicht nur diesem speziellen Treiber nicht. âRegulus Black. Hast du auch einen Nachnamen, Avery?â
âOh, Avery ist mein Nachname.â Breit grinsend lieĂ Avery Regulusâ Hand los und schaute kurz ĂŒber die Schulter, aber die Umkleide war noch leer. Eine erste Teambesprechung wĂŒrde das hier nicht werden, wenn es bei ihnen beiden bleiben wĂŒrde. Avery schaute auf seine Uhr und schien zu bemerken, dass er ebenfalls zu spĂ€t gekommen war. Er kratzte sich am Hinterkopf und wandte sich wieder Regulus zu. âDie sind alle nicht sehr pĂŒnktlich. Normalerweise kannst du âne Viertelstunde drauf packen, wenn Selwyn sechzehn Uhr sagt.â
Vielleicht hĂ€tte man ihm das vorher sagen können, weil Regulus eine Viertelstunde zu frĂŒh gekommen war. Damit wartete er jetzt fast eine halbe Stunde und dazu kam, dass er den ganzen Tag nervös gewesen war, sich mit einem Haufen Quidditch-besessener Menschen treffen zu mĂŒssen, die ununterbrochen nur das im Kopf hatten, was er fĂŒr kompletten Schwachsinn hielt.
âDu bist der kleine Bruder von Sirius Black, oder?â Averys Frage war so ĂŒberflĂŒssig, dass sie Regulus die Augen verdrehen lieĂ â vielleicht aber auch, weil er immer nur der kleine Bruder von Sirius Black war. âHĂ€tte nicht gedacht, dass du auch nur einen Funken Talent besitzt. Ich meine⊠dein Bruder ist âne absolute Null wennâs um Quidditch geht.â
âIn der TatâŠâ Regulus versuchte zu vermitteln, dass er kein Interesse daran hatte, ĂŒber seinen Bruder herzuziehen. Anscheinend hatte er damit ErfolgâŠ
âWasân dein Team?â Leider schien Avery ihn nicht einfach in Ruhe hier sitzen lassen zu wollen.
Regulus verstand nicht einmal, was der jetzt von ihm wollte. âBitte?â
âWelche Mannschaft du unterstĂŒtzt.â Avery schien ihn wohl amĂŒsant zu finden, weil er schon wieder grinsen musste. Warum mussten immer alle grinsen, wenn sie mit ihm redeten? Regulus musste schon wieder an James Potter denken und allmĂ€hlich nervte ihn das. Sein Magen drehte sich davon immer wieder um, aber verursachte merkwĂŒrdigerweise kein ĂbelkeitsgefĂŒhl. Trotzdem war es ihm unangenehm.
Regulus presste sich eine Hand auf den Magen.
Avery stupste ihn an. âBisschen nervös, was? Musst du nicht sein. Wir sind alle ganzâŠâ
Die TĂŒr wurde aufgestoĂen und drei ebenfalls sehr groĂe Jungen kamen herein. Regulus schĂ€tzte sie mindestens zwei oder drei Jahre Ă€lter ein. Gleichzeitig warfen sie ihm einen finsteren Blick zu und lieĂen sich ebenfalls zur selben Zeit auf die Bank gegenĂŒber fallen.
Avery hob die Hand. âIhr seid ein bisschen spĂ€t dran. Ich hab unserm neuen Sucher grad erzĂ€hlt, wie flauschig wir alle sind.â
âHaltâs Maul, Avery.â
Regulus hob die Augenbrauen und schaute zu Avery, der sich von so einer barschen ZurĂŒckweisung anscheinend ĂŒberhaupt nicht einschĂŒchtern lieĂ. LĂ€ssig deutete er auf die drei ĂŒbelgelaunten Kerle gegenĂŒber.
âDas sind Travers, Chambers und Rowle, nicht in alphabetischer Reihenfolge, sondern nach Sympathie meinerseitsâ, stellte Avery grinsend vor. âUnsere JĂ€ger. Chambers und Rowle sind auch neu, Black. Oh, und der da grad durch die TĂŒr schlurft ist Yaxley, unser HĂŒter. Huhu!â
âAvery, halt die Schnauzeâ, klĂ€ffte der eher schmalgebaute, dafĂŒr aber hochgewachsene Junge, der Selwyn hinter sich verborgen hatte.
âHey, keine Streitereien in meiner Gegenwartâ, machte der KapitĂ€n auf sich aufmerksam und schubste Yaxley brutal auf die Bank neben Avery. Er verschrĂ€nkte die Arme vor der Brust und blieb genau zwischen den BĂ€nken stehen, musterte sein Team, als hĂ€tte er doch noch Gelegenheit einen umzutauschen.
Avery lehnte sich zu Regulus. âSelwyn kennst du ja schonâ, wisperte er. âEr sieht so vielleicht ganz nett aus, aber streng dich lieber an, sonst kriegst du seinen Klatscher aus⊠Àhm, Versehen an den Kopf.â
Regulus bereute es mit jeder Sekunde mehr sich auf diese Sache eingelassen zu haben. Er war mit Abstand das jĂŒngste und kleinste Teammitglied. Sogar Avery ĂŒberragte ihn im Sitzen um einen halben Kopf. Regulus passte allein optisch nicht ins Bild von Selwyns Mannschaft, aber das schien den KapitĂ€n nicht zu stören.
âPerfekt, wunderbar!â Selwyn rieb sich zufrieden lĂ€chelnd die HĂ€nde. âIch bin zuversichtlich, dass wir in dieser Konstellation groĂe Chancen auf den Pokal haben. Gryffindor hat jetzt zwei Jahre in Folge gewonnen und mir geht das langsam auf den Sack. Also geben wir alles um das zu Ă€ndern, verstanden?â
âAy, Captân!â Es klang fĂŒrchterlich abgerichtet wie Travers, Yaxley und Avery sofort reagierten, aber anscheinend wurde das hier erwartet. Selwyn verteilte erwartungsvolle Blicke an die Neuen, aber wĂ€hrend Chambers und Rowle ihr verspĂ€tetes âAy, Captânâ ablieferten, war Regulus das immer noch zu blöd. Er hatte doch gewusst, dass man Niveau hier vergebens suchen wĂŒrde.
âDazu hab ich mir einen genauen Trainingsplan ĂŒberlegt. Avery.â Selwyn winkte seinem Treiber zu, worauf der endlich aufstand und Regulus ein bisschen Platz zum Atmen lieĂ. Avery eilte irgendwo hinter die hohen Schrankreihen und kam mit einer Rolltafel wieder, die er hinter Selwyn schob. Darauf abgebildet waren sieben durchnummerierte Kreidepunkte, die anfingen sich zu bewegen, als Selwyn mit dem Zauberstab gegen den Schiefer klopfte.
Avery plumpste wieder neben Regulus.
âBlack, als Sucher kriegst du ein Sondertraining, wĂ€hrend wir anderen immer zusammen spielen. Das heiĂt ihr trainiert nicht nur TorschĂŒsse und PĂ€sse, beziehungsweise das Abfangen dieser oder in Yaxleys Fall eben hĂŒbsche Paraden, sondern mĂŒsst auch gleichzeitig immer darauf achten, dass der Klatscher euch nicht vom Besen wirft. Madam Pomfrey siehtâs sowieso nicht so gern, wenn ich ihren KrankenflĂŒgel fĂŒlle.â Selwyn machte eine kurze Pause und schaute dabei jeden einzeln an, als könne er so erkennen, ob jemand noch Fragen hĂ€tte.
Regulus musste sich nicht einmal anstrengen wĂ€hrend Selwyns folgendem Redeschwall gelangweilt auszusehen. Er wusste nicht, ob er das ein ganzes Jahr aushielt. Gerade wusste er nicht einmal, warum er das ĂŒberhaupt tat. Weil er James Potter etwas beweisen wollte? Nein, weil er endlich dieses dĂ€mliche Grinsen aus dem dĂ€mlichen Gesicht wischen wollte.
Regulus griff in seine Umhangtasche und umfasste den Schnatz, zog ihn vorsichtig heraus. Potter hatte zuerst gesagt, er wolle ihn wiederhaben, wenn Regulus versagt hatte. Dann war Regulus erfolgreich in die Mannschaft gekommen und Potter verlor plötzlich jegliches Interesse darauf zu warten, dass Regulus nach einem verlorenen Spiel gedemĂŒtigt zu ihm kriechen musste, um den Schnatz wieder abzuliefern? Er verstand das nicht. Er verstand nicht, warum Potter den Schnatz hatte wiederhaben wollen und er verstand erst recht nicht, warum Potter so wĂŒtend geworden war.
âDazu kommt noch, dass wir konsequent an unserer Einstellung als Team arbeiten mĂŒssen. Das hat letztes Jahr komplett gefehlt.â Selwyn schien es nicht zu stören, dass Regulus lieber den Schnatz in die Luft warf, kurz fliegen lieĂ und wieder einfing, anstatt ihm seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. âWir sind eine Mannschaft, wir mĂŒssen alle dasselbe Ziel verfolgen. Und das ist der Pokal. Wenn wir nicht als Team agieren, dann können wir das Vorhaben Gryffindor in den Arsch zu treten gleich abhaken. Um Vertrauen aufzubauen und bereits bestehendes noch zu verstĂ€rken habe ich beschlossen, dass wir von jetzt an einfach alles zusammen machen.â
Regulus hĂ€tte fast den Schnatz entkommen lassen und behielt ihn nun lieber fest in der Hand. Schockierte Ausrufe bestĂ€tigten seine BefĂŒrchtung, dass der KapitĂ€n diesen Sport wohl wirklich ein wenig zu ernst nahm. Wenn das hier ein Vollzeitunternehmen wurde, dann musste dabei aber schon mehr als die Auslöschung von James Potters arrogantem Grinsen drin sein.
âWas soll das heiĂen⊠alles?â, schnaubte Chambers.
âAlles heiĂt alles.â Selwyn lieĂ sich von den gröĂtenteils entsetzten Gesichtern nicht aus der Ruhe bringen. âWir werden zusammen essen â natĂŒrlich streng nach dem DiĂ€tplan, den ich euch spĂ€ter aushĂ€ndigen werde â und natĂŒrlich verbringen wir unsere Zeit im Gemeinschaftsraum, beziehungsweise in der Bibliothek gemeinsam. Helfen uns bei den Hausaufgaben, sowas ebenâŠâ
âNa, tollâŠâ Chambers verschrĂ€nkte demonstrativ ablehnend die Arme vor der Brust. âDarf ich alleine aufs Klo gehen?â
âDu darfst gleich komplett gehen, wenn du nicht die Meinung deines KapitĂ€ns teilstâ, gab Selwyn kĂŒhl zurĂŒck. âNoch seid ihr alle ersetzbar.â Avery rĂ€usperte sich, worauf Selwyn sich korrigierte: âFast alle. Ihr habt die Gelegenheit Teil von etwas GroĂem zu werden. Etwas, das euer Leben komplett verĂ€ndern kann, wenn ihr euch einmal mit allem was ihr habt reinhĂ€ngt. Verstanden?â Chambers zog sich prompt die Finger ĂŒber den Mund, als wĂŒrde er einen ReiĂverschluss schlieĂen. Selwyn nickte zufrieden. âNoch Fragen?â
Travers hob die Hand und Selwyn bedeutete ihm zu sprechen. âWas wir⊠Àhm⊠letztes Jahr⊠also⊠Ich finde, das wĂ€re doch noch einen Versuch wertâŠâ
Selwyn schĂŒttelte vehement den Kopf.
âWarum nicht?â, fragte Travers und wirkte extrem bedrĂŒckt.
âWir sind dieses Jahr ehrlich. Na ja, so ehrlich, wie wir eben sein können. Keine komischen Intrigen. Hext Potters Arsch meinetwegen zum Mond, das lass ich durchgehen, aber nichts Zwischenmenschliches.â Selwyn verzog das Gesicht, als Travers den Kopf hĂ€ngen lieĂ. âMerlins Bart, wenn du jetzt wieder heulen musst, dann geh bitte raus!â
Travers seufzte nur schwer auf.
âNa jaâŠâ Selwyn rĂ€usperte sich und rollte die Tafel aus dem Weg, deutete hinter sich auf die TĂŒr. âAuf, auf, wir haben noch viel zu tun! Zieht euch um und in fĂŒnf Minuten will ich euch in der Luft sehen!â Damit drehte er sich um und stolzierte aus der Umkleide.
Regulus drehte mit fragendem Blick den Kopf zu Avery, der gluckste, als Travers sich wie mit Blei gefĂŒllt von der Sitzbank erhob.
âLetztes Jahr, da dachten wir, es sei eine gute Idee die Spieler der anderen HĂ€user gegeneinander auszuspielen, und das hat auch ganz gut funktioniert, bis⊠na jaâŠâ Avery konnte sich bei einem Blick in Traversâ Richtung das hĂ€mische Grinsen nicht verkneifen. âDer dĂ€mliche Travers hat sich bis ĂŒber beide Ohren in den Feind verknallt und das ging voll nach hinten los. Er hat beim entscheidenden Spiel gegen Gryffindor den Quaffel stĂ€ndig gegen den Kopf bekommen, weil er die ganze Zeit ihre Sucherin anstarren musste. Die kennst du, oder?â
Regulus schĂŒttelte den Kopf.
âHĂŒbsches Ding, aber schon ewig vergeben. Hat Traversâ Herz gebrochen und auf den Scherben Walzer mit ihrem tollen, groĂartigen, gutaussehenden Freund getanzt.â Avery konnte sich gerade noch ducken, bevor Traversâ durch die Luft rasendes Hemd ihm den Mund stopfte.
âKannst du nicht einmal den Schnabel halten, Avery?â, schnauzte er, das hochrote Gesicht schnell in seinem Spind verbergend.
âSelber Schuldâ, gab Avery gehĂ€ssig zurĂŒck, grinste Regulus dann zu. âAch, ja⊠Die Liebe. Davon lassen wir dieses Jahr lieber die Finger, auĂer du willst nĂ€here Bekanntschaft mit Selwyns Klatscher machen.â
Regulus schluckte leicht, als er realisierte, was fĂŒr eine Verpflichtung er hier eingegangen war. Der Schnatz in seiner Hand zuckte mit den FlĂŒgeln und Regulusâ Magen fing schon wieder an so komisch zu kribbeln, weil der Gedanke an James Potter bei jeder Gelegenheit in seinen Kopf zu kriechen versuchte.
Als er aufseufzte bemerkte er ein komisches Echo. Er schaute sich um und entdeckte, dass Travers vertrĂ€umt auf irgendetwas in seiner Hand starrte. Nicht nur, dass er gleichzeitig aufgeseufzt hatte, seine Haltung erinnerte doch auch sehr an die Art und Weise, wie Regulus entweder Schnatz oder FĂ€hnchen anstarrte. Und warum hatte er das FĂ€hnchen ĂŒberhaupt eingesteckt? Es war MĂŒll.
Regulus wandte sich von Travers ab. Zum GlĂŒck konnte ihm sowas wie Liebe nicht passieren.
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