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Fanfiction

The good, the bad and the ugly - Wie ein Phönix aus der Asche

von Polaris

Tang streift mir sanft über das Gesicht und an mein Ohr dringen von weiter, weiter Ferne her fremde Klänge wie Walgesang, während ich ertrinke. Die glasgrün schwarze Tiefe, in die die mächtige Meeresströmung mich und Remus Lupin hinabreißt, ist kalt und unheimlich. Ich blinzle ein letztes Mal hinauf zur Oberfläche und erkenne schemenhaft langgestreckte schlanke Körper, die pfeilschnell durch das Wasser schießen und uns in immer enger werdenden Bahnen zu umkreisen beginnen.
Haifutter also – tausendmal besser denn die Alternative, Voldemort als Inferi dienen zu müssen.
Und ich bleibe irgendwo in den unterseeischen Ausläufern der Klippe an einem Felsvorsprung hängen, und während einer der zahl- und zahnreichen hungrigen Bewohner dieser Untiefen mir die Finger aufzubiegen versucht, damit ich Lupins Umhang loslassen muss, steckt ein anderer mir ein widerwärtiges Kraut zwischen die Lippen. Der schleimige, gummiartige Geschmack löst bei mir pures Entsetzen aus, denn ich habe Angst, es ist ein weiteres grausame Träume auslösendes Gift wie das aus Dumbledores Kelch.
Mit letzter Kraft wehre ich mich dagegen und muss doch auch dieses Zeugs herunterschlucken, als der Atemreflex mir mit einem groĂźen Schwall Wasser die Lungen fĂĽllt, und dann verliere ich endgĂĽltig das Bewusstsein.
Der Tod ist warm und sanft und schaukelnd, und eigentlich gar nicht so schlimm...

Ein rauer, heißer Waschlappen fährt mir über das Gesicht, dann nochmals – und nochmals. Atem, der nach Fleisch und Fisch und ungeputzten Zähnen stinkt, beleidigt meine Nase. Ich versuche, diese Quelle der Störung beiseite zu schieben, damit ich in dem köstlichen und anspruchslosen Frieden verharren kann, der mich in sanftem Rhythmus umfängt und dabei in seinen Armen wiegt wie eine Mutter ihr Kind.
„Fang! Komm zurück zu mir! Hier liegt Remus Lupin!“, dröhnt eine mächtige Stimme, die mir vage vertraut erscheint.
Der Waschlappen fährt ein weiteres Mal über mein Gesicht – ich kann so was nicht ausstehen – und eine feuchte und ziemlich harte Nase stupst mich hartnäckig an, damit ich mich bewegen und wegrennen soll. Katz und Maus.
„Lass das schmutzige Treibgut dort in Ruhe, Fang, und hilf mir lieber! Das da ist nur ein Bündel Tang und Dreck!“
Der riesige Hund neben mir ignoriert den Befehl seines Herrn und hebt im Gegenteil an herz- und ohrenzerreißend zu winseln. Ich hingegen wünschte, der Aufruhr legte sich endlich und ich könne zurücksinken in die kühle stille Tiefe, in der niemand etwas von mir begehrt, fordert oder mich zu tun zwingt ...
„Fang! Jetzt komm endlich! Wir haben es eilig - Remus geht es sehr schlecht!“
Ein Scharren, weiteres Winseln.
Schritte neben mir im Sand. Jemand fasst mir ins Haar und biegt mir den Kopf zurĂĽck, so dass ich zu ihm hinaufblinzeln muss.
„Snape!“, sagt Hagrid tödlich überrascht, packt mit seinen mächtigen Pranken meinen zerfetzten und wassertriefenden Umhang sowie eine handvoll meines Haares und zerrt mich daran grob und mühelos als sei ich ein Kind halb hoch auf die Knie. „Dumbledores Mörder!“, ergänzt er heiser.
Ich grinse hilflos – und erbreche alles, was ich in den letzten Stunden habe schlucken müssen, wie ein Wasserfall über seinen Maulwurffellmantel.

Als ich das nächste Mal zu mir komme, liege ich unter einem Stapel Felle und Decken warm verpackt auf einer Strohschütte, und ich trage trockene Kleider … meine eigenen Kleider, die ich in Hogwarts zurücklassen musste. Auf dem Boden neben meiner provisorischen Bettstatt steht ein Becher mit einer dunklen Flüssigkeit, die ich im Lichte der Sterne, die immer wieder durch vorbeijagende Wolken verdunkelt werden, nicht identifizieren kann. Auf dem Teller daneben befinden sich ein Stück Brot und eine Ecke Käse. Eben dieses habe ich während meiner Zeit in Hogwarts fast immer zu Abend gegessen.
Obwohl ich wieder einmal sehr durstig bin – das Salzwasser, das ich geschluckt habe, ist schuld – kann ich mich kaum überwinden, jemals wieder irgendetwas zu trinken. Misstrauisch schnuppere ich an der Flüssigkeit im Krug und stelle fest, dass der Inhalt duftet wie eine Mischung aus Dumbledores besten elfengemachten Rotwein und Drachenblut – Norwegischer Stachelbuckel, wenn ich mich nicht irre.
Nachdem ich mich doch noch dazu zwingen konnte, kleine Schlucke davon zu nehmen, geht es mir mit jedem davon wieder besser, so dass ich schließlich alles austrinke und auch Brot und Käse esse.
Während ich noch kaue und meine Lebensgeister nach und nach wieder erwachen, schaue ich mich um. Ich bin irgendwo im Freien, und zwar in einem riesigen, zirkuskuppelartigen Käfig, der in zwei unterschiedlich große Sektionen unterteilt ist. In einem weiten Kreis rings um den Käfig herum ist alle Vegetation verdorrt, und am Rande dieser verbrannten Lichtung mitten im Walde ringen kohlschwarze Bäume ihre verstümmelten Äste gen den Nachthimmel.
Ich werfe die Decken und Felle zur Seite und stehe auf, um mich umzusehen.
Mein Teil dieser gigantischen Vogelvoliere misst etwa fünfzig Schritt im Durchmesser. Ich spähe mit zusammengekniffenen Augen durch die trennenden Gitterstäbe und sehe auf der anderen Seite des Käfigs einen kleinen Verschlag, in dem zusammengerollt und ebenfalls auf einer mit Stroh und warmen Decken improvisierten Bettstatt eine Gestalt liegt …
Es ist Lupin - und er atmet!
Meine Hände schließen sich voll Erleichterung um die Gitterstäbe, die ebenfalls schwarz und irgendwie verbrannt aussehen, als die Wolken aufreißen und der Vollmond zwischen ihnen hervorbricht.
Remus Lupins vom Monde beschienener Körper beginnt sich zu dehnen und zu winden und in grässlichen Verrenkungen zu verdrehen, und ich sehe Haut aufplatzen und höre grässliche knackende Geräusche wie von Knochen, die sich gewaltsam ausdehnen und die Haut durchstoßen, während Muskeln und Sehnen noch nicht nachkommen konnten und reißen wie überspannte Bogensehnen … Und Lupin windet sich in grauenhaften Schmerzen und vor Pein jaulend und heulend in seine Werwolfgestalt, während mir das Herz vor Entsetzen gefriert: Nie zuvor habe ich mit ansehen müssen, wie Remus zum Werwolf wird …
Während das Wesen jenseits des Stahlgitters nach und nach seine Menschlichkeit verliert und zur Bestie wird, schweifen meine Gedanken zurück zu jenem Tag vor etwa vier Jahren, als mich Dumbledore zu einem sehr späten gemeinsamen Abendessen kurz vor Mitternacht in sein Büro bat, weil er mit mir die Besetzung des Lehrstuhles für Verteidigung gegen die Dunklen Künste erörtern wolle. Ich war ein wenig überrascht, weil ich ihn in jedem Jahr mehrfach zu überreden suchte, mir endlich diesen Posten zu übertragen, was er jedoch ebenso regelmäßig ablehnte. Als ich den Wasserspeiern das Passwort genannt hatte, empfingen mich der Duft nach köstlichem Essen sowie Albus Dumbledore bereits an der Tür.
„Guten Abend, Severus. Ich möchte dich bitten, einen möglichen Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu überreden, zu uns nach Hogwarts zu kommen und die Schüler im kommenden Jahr zu unterrichten.“
Ich war milde überrascht, denn Dumbledore pflegte Personalfragen im Allgemeinen mit seiner Stellvertreterin Minerva McGonagall und nicht mit mir zu erörtern.
„Ich?“, fragte ich darum erstaunt und versuchte an ihm vorbei ins Zimmer zu spähen, um einen Blick auf meinen Konkurrenten um dieses Amt zu erhaschen. „Ich bin wirklich nicht besonders gut im Umgang mit Menschen … wie sollte ausgerechnet ich dabei helfen können?“
„Du bist ausnahmsweise absolut perfekt für diesen Zweck geeignet, Severus!“, antwortete er mit einem seltsamen Lächeln und zwinkerte mir zu.
Ich hob skeptisch eine Braue.
Dumbledore legte freundschaftlich die Hand auf meine Schulter. „Habe ich deine Unterstützung, Severus? Wirst du mir helfen, meinen Wunschkandidaten für unser Lehrerkollegium zu gewinnen?“
„Meinetwegen!“, murmelte ich mürrisch und betrat widerstrebend das Büro.
Dumbledore lächelte sanft und machte wie beiläufig einen Schritt zur Seite, so dass mein Blick auf den festlich gedeckten Tisch fiel und den Gast, der bereits daran saß: Remus John Lupin!
„DER!“, fauchte ich zornig und tastete in langjährigem Reflex nach dem Zauberstab, der natürlich unten in meinem Kerkerbüro lag. „Was macht der Kerl denn hier?“
Remus Lupin, der sich bereits halb zu einem Gruß erhoben hatte, kam zögerlich auf die Füße und machte einen tödlich verlegenen Eindruck.
„Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee war hierher zu kommen …“
„Papperlapapp Schnickschnack!“, antwortete Dumbledore gutgelaunt und schob mich zu einem freien Stuhl. „Wir werden jetzt gemeinsam speisen – und ihr beide werdet euch endlich einmal gesittet miteinander unterhalten, anstatt euch gegenseitig an die Kehle zu springen, sobald ihr des anderen ansichtig werdet!“ Mit eisernem Griff hielt mich Dumbledore am Ellenbogen gepackt, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als am Tisch Platz zu nehmen …
Das Gespräch verlief stockend und beschränkte sich notgedrungen auf freundliche Konversation zwischen dem Direktor und dem Werwolf. Ich antwortete nur auf direkte Fragen, und dann so kurz angebunden, dass es schon an Unhöflichkeit grenzte. Ich wusste, dass Dumbledore sowohl enttäuscht als auch verärgert war, wenn er sich auch nicht das Geringste anmerken ließ und sich wie üblich als vollendeter Gastgeber erwies - aber ausnahmsweise waren mir seine Meinung und Missbilligung völlig gleichgültig.
Beim Essen beobachtete ich Remus schweigend und aus zusammengekniffenen Augen. Er war noch schmaler und blasser als in unserer Jugend, und seine Kleidung war abgetragen und unmodern; trotzdem war seine Erscheinung gepflegt und sauber. Er erinnerte mich stark an meinen Vater zu den Zeiten, in denen er mal wieder mehrere Wochen oder gar Monate lang arbeitslos war: Lupin wirkte niedergeschlagen, mutlos und sehr zurückhaltend. Er hatte hervorragende Manieren, natürlich, und trotzdem entging mir nicht, dass der Inhalt der Schüsseln und Platten beinahe ausschließlich in seinen Magen wanderte, in dem offenbar ein schwarzes Loch zu füllen war. Traurig erinnerte ich mich an die Zeiten meiner Toastbrot-mit-Ketchup-Diäten aus Geldmangel, und leises Mitleid mit meinem ehemaligen Feind aus Jugendtagen regte sich in mir.
So schnell lasse ich mich nicht von ein paar treuen Hundeaugen weich kochen - ich zwang mich an die vielen Gelegenheiten zu denken, zu denen seine Freunde mich durch die Mangel drehten, während der Herr Werwolf vornehm schweigend zusah und so tat, als ginge ihn das alles gar nichts an. Er war ein Feigling, wie er im Buche stand, denn Lupin war sich völlig im Klaren darüber, dass ich gegen das eingespielte Dream-Team James und Sirius und ihren heimtückischen Applausknecht Peter Pettigrew keine Chance hatte, was auch immer ich unternahm oder mir an Flüchen ausdachte – ich konnte Remus Unbehagen an seinem betretenen Gesicht und der tiefen Furche zwischen seinen Augenbrauen ablesen. Aber nie – nicht ein einziges Mal - stand er auf und sagte ihnen geradeheraus ins Gesicht, was er über ihre Grausamkeiten dachte … Ich verachtete Remus Lupins heuchlerisches Gutmenschentum und sein geschickt mit den Deckmäntelchen von Duldsamkeit und Sanftmut verbrämtes Selbstmitleid zutiefst.
Ich rĂĽhrte nicht einen Bissen an und nippte nur hin und wieder an dem Elfenwein.
„Nun, Severus, du bist sehr schweigsam heute Abend. Was denkst du – wäre Lupin nicht ein Gewinn für uns hier in Hogwarts?“, wandte sich der Direktor von Hogwarts mit freundlichem Lächeln an mich.
Ich schnaubte verächtlich und stellte mein Glas so feste auf den Tisch, das es klirrte. „Im Gegenteil – wir würden eine Niete ziehen!“
Lupins haselnussfarbene Augen wurden dunkler, und seine Ohren liefen rot an.
„Ich habe es ihnen ja gesagt, Dumbledore: Severus wird mir nie verzeihen, dass ich als Vertrauensschüler so kläglich versagt habe …“ Lupin tupfte sich rasch mit der Serviette den Mund und erhob sich halb, als Dumbledore ihm die Hand auf den Arm legte und ihn sanft aber bestimmt zurück auf den Stuhl drückte.
„Doch, er wird!“ Dumbledores ruhige blaue Augen blickten mich über die Ränder seiner Halbmondbrille hinweg auffordernd an.
„Nein, das werde ich nicht!“ Zornig stieß ich den Stuhl zurück. „Wenn er nach Hogwarts kommt, dann gehe ich!“
„Das ist keine Option!“, sagte Dumbledore ruhig, jedoch mit einer Schärfe in der Stimme, die nahe legte, dass ein Widerspruch schon sehr gut begründet sein müsste, um ihn umstimmen zu können. „Ich möchte mich ja nicht über meine Arbeit als Direktor dieser Schule beklagen, aber es ist verflixt schwierig, jedes Jahr aufs Neue fähiges Personal für den Posten als Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu finden! Alastair Moody unterzieht sich im St. Mungos einem Wiederherstellungszauber für seine Nase und steht frühestens im nächsten Jahr zur Verfügung, und Dolores Umbridge vom Zaubereiministerium … Nein, Lupin ist eindeutig meine erste Wahl! Und du, Severus, wirst dem zustimmen!“
„Niemals!“, knurrte ich.
„Denk an das Wohl unserer Schüler und überwinde deine Vorurteile, Severus!“. gemahnte mich Dumbledore freundlich.
„Der da …“, bemerkte ich kalt, …ist ein elender Feigling, der den Schülern das denkbar schlechteste Vorbild liefert.“
„Ich möchte dich sehr freundlich bitten, Anwesende direkt anzusprechen oder mit ihrem Namen anzureden, wenn du Behauptungen über sie aufstellst.“, wies der Direktor mich mit ausgesuchter Höflichkeit zurecht. „Und wie wir beide bereits mehrfach und erschöpfend erörtert haben, Severus, bin ich in diesem Punkt anderer Meinung!“
„Das ist ihr gutes Recht als Direktor dieser Schule.“, entgegnete ich eisig und nahm einen Schluck Wein, um den hilflosen Zorn in meinem Gesicht hinter dem Weinkelch zu verbergen. „Ich bin nicht in der Position, ihre Entscheidungen zu kritisieren, Schulleiter.“
„Nein, Severus, das bist du nicht, denn du kannst deinen kindischen Groll noch immer nicht überwinden! In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass sich Remus Lupin hier ebenfalls ein hervorragender Anlass bieten würde, dich zu hassen - im Gegensatz zu dir hat er jedoch niemals auch nur mit einer Silbe angedeutet, er mache dich für den Tod seines Freundes James und seiner Frau verantwortlich!“
Ich antwortete nicht, doch irgendwie zerbrach der filigrane gläserne Kelch knirschend in meiner Hand, und die Reste des Weines besudelten die blütenweiße Tischdecke.
Lupin zuckte zusammen und erhob sich nun trotz Dumbledores Protest. „Das hier hat keinen Zweck.“, meinte der Werwolf resigniert und griff nach seinem Mantel – einem scheußlichen, vielfach geflickten Modell aus Vorkriegszeiten. „Ich möchte mich trotzdem bei dir entschuldigen, Severus. Meine Freunde und ich, wir haben dich sieben Jahre lang grausam gequält. Ich weiß, dass ich damals versagt habe und will diese Tatsache auch nicht beschönigen.“
Er streckte mir die Hand zur Versöhnung hin.
Ich blinzelte überrascht – den Mut zu einer Entschuldigung hatte ich von ihm nicht erwartet, und ganz besonders nicht nach meinen feindseligen Ausfällen ihm gegenüber.
Ich starrte auf seine zur Versöhnung ausgestreckte Hand, als hinge sie am Arm eines Inferius.
„Wie auch immer du dich entscheidest – meine damalige Pflichtverletzung als Vertrauensschüler bedauere ich inzwischen aufrichtig, Severus!“, wiederholte Lupin freundlich.
Ich blinzelte nicht einmal.
Dumbledore wartete ziemlich lange, bevor er das Schweigen brach, und Lupin lieĂź mit traurigem Ausdruck in den sanften Hundeaugen die Hand schlieĂźlich sinken.
„Genug!“, meinte Dumbledore leise, aber so scharf, dass ich unwillkürlich zusammenfuhr. „Ich lasse nicht zu, dass diese Angelegenheit uns alle weiter belastet. Gerade du, Severus, solltest doch am besten wissen, was Reue bedeutet!“ Ich setzte zu einer heftigen Entgegnung an, doch Dumbledore ließ sich nicht unterbrechen, sondern fuhr ungerührt fort: „Remus Lupin wird am ersten September nach Hogwarts kommen und Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichten - und du, Severus, wirst ihm jeden Monat bei Vollmond den Wolfsbanntrank brauen. Wage jetzt nur nicht zu behaupten, dieser Trank sei zu schwierig für dich!“
Da ich genau das zu behaupten vorgehabt hatte, blinzelte ich heftig und stieß dann zwischen den Zähnen hervor: „Ist dies eine Bitte des Direktors von Hogwarts oder ein Befehl vom Großmeister des Phönixordens?“ Eine Bitte würde ich abschlagen.
Dumbledores blaue Augen glitzerten.
„Ein Befehl, Severus.“, meinte er sehr milde.
Ich beugte mit einer knappen Bewegung den Kopf in Dumbledores Richtung, stieß heftig den Stuhl zurück, schlug den Umhang über die Schulter und rauschte unter den missbilligenden Gesichtern und empörten Ausrufen der Schulleiterportraits an den Wänden grußlos aus dem Zimmer …
Obwohl Dumbledore später mit keinem Wort diesen Schlagabtausch in seinem Büro erwähnte – er war immer erstaunlich wenig nachtragend – denke ich inzwischen anders über Lupin: Er wollte mich in der Zentaurenhöhle überreden, zur richtigen Seite zurückzukehren, obwohl ich ihn zuvor auf das Heftigste beleidigt hatte, um zu verhindern, dass er in aller Unschuld weiter über die Sache mit dem jungen Werwolf ausplauderte und mich mit Rodolphus Lestrange als möglichen, jedoch höchst interessierten Zuhörer wortwörtlich in des Teufels Küche brachte … Lupin kehrte zusammen mit McGonagall und Shacklebolt zurück, um mich aus den Händen von Scrimgeour und Umbridge zu befreien – und er erbarmte sich meiner und gab mir Wasser, als ich völlig fertig vor ihm am Boden lag. Nein, Lupin ist bestimmt kein Held, aber ein so abgrundtief jämmerlicher Feigling wie seine ehemaligen Kumpane ist er wohl auch nicht…
Lupins Verwandlung ist nun abgeschlossen: Das Monster dort drüben richtet sich zu seiner vollen Größe auf und wirft den grausam deformierten Kopf in den Nacken, um den Mond anzuheulen, so dass mir das Blut in den Adern gefrieren will. Die Verwandlung Greybacks und seines Werwolfrudels fand ich zwar ebenfalls schrecklich und Furcht erregend, aber es flößte mir nicht annähernd das Grauen ein, das ich bei Remus Lupin empfinde. Seit seiner Kindheit wird er einmal im Monat zu einem Monster, das er nicht kontrollieren kann – und zum ersten Male begreife ich, welche Schmerzen er erduldet, welche Angst ihm der Kontrollverlust über sein Handeln einjagen muss, denn er läuft ständig Gefahr, diejenigen, die er liebt, zu töten oder schwer zu verletzen und dabei zu dem Leben am Rande der Zauberergesellschaft zu verdammen, das er selbst führen muss. Dazu kommt, dass ihm, wohin er auch geht, Angst und Abscheu entgegenschlagen, und er wird auf seine Weise immer ein Ausgestoßener bleiben … Wenn ich den Tagespropheten aufschlage und die Schlagzeilen über mich lese, mit denen mir der blanke Hass der Menschen ins Gesicht springt, kann ich ganz gut nachvollziehen, warum Remus damals wider besseren Wissens zu seinen Freunden hielt und nicht zu mir …
Ich war im Unrecht und Dumbledore wieder einmal viel klüger und weitsichtiger als ich. Manchmal frage ich mich, ob ich je lernen werde, so zu sein wie er … Wahrscheinlich nicht, schon aus Zeitmangel.
Ich höre Schritte hinter mir und ein leises Klirren wie von Eisen, und als ich mich umwende, erkenne ich als schwarze Silhouette vor dem dunklen Nachthimmel Hagrids riesenhafte Gestalt.
„Warum lässt du zu, dass Lupin so leidet?“, frage ich leise und wende mich wieder ab, um den Werwolf anzustarren, der offenbar Witterung aufnimmt und aufgeregt herumzulaufen beginnt, die Nase fest am Boden. „Kann denn niemand außer mir den Wolfsbanntrank zubereiten?“
Hagrid räuspert sich.
„McGonagall ist krank, und Filius Flittwick … Er hat es versucht, und ich habe Lupin heute Abend das Ergebnis seiner Bemühungen gegeben, aber leider wirkt Filius Wolfsbanntrank nicht so, wie er sollte …“
Ein trauriges Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen.
„Flitwick ist zu klein und ihm fehlt die Kraft. Wenn das Mondsteinpulver hinzugefügt wurde, wird der Trank sofort zäh, und er muss kräftig aufgeschlagen werden, damit er wieder schaumig und leicht wird. Du hättest Flitwick dabei helfen müssen …“, ergänze ich mit mildem Vorwurf.
„Ich werde beim nächsten Vollmond daran denken.“, antwortet Hagrid reserviert.
„Unbedingt! Und sobald Minerva wieder gesund ist, sollte sie bei der Zubereitung die Tollkirschkonfitüre durch einen Löffel von Dumbledores Himbeermarmelade ersetzen, das verbessert nämlich nicht nur den Geschmack. Ich hab’s ausprobiert …“ Mir fällt soeben ein, dass ich ja inzwischen die Lösung für Remus Lupins pelziges Problem gefunden habe: eine Modifizierung des Zaubertrankes, die es dem Werwolf ermöglichen wird, auch bei Vollmond Menschengestalt und Verstand zu behalten!
Aufgeregt wende ich mich um, um dem Wildhüter und Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe meine neueste Entdeckung mitzuteilen – und erstarre.
Hagrid steht nur zwei Schritt hinter mir, und ich reiche ihm knapp bis zum Ellenbogen. Damit habe ich einen hervorragenden Ausblick auf das Halsband und die Ketten aus schwerem Eisen, die er in seinen mächtigen Fäusten bereithält.
Nein, wir führen hier kein Fachgespräch unter Kollegen wie früher, als er mir Haar vom Einhornschweif oder Akromantulagift für den Zaubertrankunterricht mitbrachte oder ich ihm gegen die Hautprobleme seiner Feuersalamander das Einreiben der betroffenen Hautpartien mit extrascharfem Chilipulver empfahl …
Hagrid hält mich für einen Todesser und den Mörder Dumbledores, und er ist sicher nicht gekommen, um mit mir über alte Hausrezepte zu plaudern.
„Was willst du?“, frage ich heiser und starre auf die Dinger in seiner Faust, die vor meiner Nase baumeln und von denen ich doch gar nicht wissen will, was er damit vorhat.
„Das fragst du noch, TODESSER!“, zischt Hagrid, und er ist plötzlich nicht mehr der warmherzige, fürsorgliche Mann, den ich kannte, sondern ein wütender Riese mit Kräften, welche die meinen bei Weitem übersteigen. Er hebt die mächtige Faust, und die Eisenketten, die er fest umklammert hält, rasseln bedrohlich.
Ich trete so weit ich kann zurück – was nicht sehr viel ist, denn ich stoße sofort mit dem Rücken an den Zaun.
„Wo bin ich? Wie komme ich hierher?“, frage ich leise.
„Fang hat dich am Strand gefunden, fast ersoffen und halbtot! Einer von den Meermenschen, die Dumbledore letzten Sommer vor einer Höhle in den Klippen an der Küste als Wachen postiere, hat seine Verwandten hier im See alarmiert, die wiederum mir Bescheid gaben. Sie schoben dir und Lupin Dianthuskraut in den Mund, damit ihr unter Wasser atmen konntet, und brachten Euch in Sicherheit. Gut, dass die Meerleute nicht aufgegeben haben und von ihrem Wachposten abgezogen sind, nachdem du Dumbledore im letzten Sommer umgebracht hast!“
Ich öffne den Mund, schließe ihn jedoch wieder. Was kann ich darauf schon erwidern, das nicht nach billiger Rechtfertigung klingt?
„Wie geht es Lupin?“, frage ich endlich. „Ich meine, wenn nicht mehr Vollmond ist.“
„Er wird durchkommen.“
Ich zucke betont gleichgĂĽltig die Schultern.
„Was hast du vor mit mir? Lieferst du mich dem Zaubereiministerium aus?“ In Askaban bin ich vor Voldemort sicher – aber wahrscheinlich nicht besonders lange, denn er wird bald offen die Macht in der Zauberwelt an sich reißen. Außerdem weiß ich nicht, ob ich Askaban wirklich für die bessere Alternative halten soll.
„Ich habe mich noch nicht entschieden - bis jetzt weiß keine Menschenseele und noch nicht einmal Professor McGonagall, dass ich dich überhaupt aufgelesen habe! Hier in dem Käfig, den ich vor ein paar Jahren für meinen norwegischen Stachelbuckel gebaut habe, bist du erst einmal sicher weggeschlossen! Lupin als Werwolf ist übrigens in dem abgetrennten Teil, in dem sich der kleine Norbert aufhalten konnte, während ich seinen Stall ausmistete…“
„Lass mich gehen, Hagrid!“, fordere ich leise.
Seine Hand packt mich so plötzlich am Hemd, zerrt mich hoch und wirft mich gegen die Gitter, dass mir die Luft wegbleibt.
„Du wagst es, mich um deine Freiheit zu bitten – nachdem du Dumbledore umgebracht hast?! Du musst verrückt sein, wenn du glaubst, mich mit einer von deinen Lügengeschichten einwickeln zu können!
„Las mich gehen!“, wiederhole ich so leise wie zuvor. „Es ist wichtig!“
Hagrid lacht ein dröhnendes, höhnisches Lachen, das sehr an seine riesenhaften Verwandten gemahnt.
„Die hier sind wichtig!“, sagt er und schwenkt die Ketten in seiner Faust. „Eigentlich habe ich sie gekauft, damit ich mit Norbert im verbotenen Wald Gassi gehen konnte – und wenn sie einen Drachen im Zaume halten können, dann können sie auch dich zähmen!“ Hagrid mustert mich bei diesen Worten mit einem ganz seltsamen und merkwürdigen Ausdruck in den schwarzen Käferaugen, den ich in all unseren gemeinsamen Jahren in Hogwarts noch niemals bei ihm gesehen habe.
Es dauert ein paar Sekunden, bis ich begreife: Hagrid hat Angst - vor mir!
Diese Erkenntnis fährt mir in die Magengrube wie ein Faustschlag. Wenn Hagrid, der sich bisher noch vor keinem noch so Furcht einflößenden und gefährlichen magischen Geschöpf gefürchtet hat, ausgerechnet vor mir Angst bekommt, dann …
„Nein. Das darfst du nicht!“, flüstere ich tonlos.
„Oh doch – ich muss sogar! Du bist die grauenhafteste Kreatur, die mir in meinem ganzen Leben untergekommen ist, Snape! Die Geschöpfe, um die ich mich sonst kümmere, sind nur stark oder giftig oder haben große Zähne und messerscharfe Klauen – du aber bist gerissener, hinterhältiger und gefährlicher als jedes Monster, das die Zauberwelt kennt! Die Kinder oben im Schloss müssen ruhig in ihren Betten schlafen können, während du dich in ihrer Nähe aufhältst!“ Und damit beginnt er, mir das Drachenhalsband umzulegen, und ich sehe, dass sich die Haare auf seinen Unterarmen aufgestellt haben bei dem Gedanken an die Bedrohung, die ich in seinen Augen für die Schüler in Hogwarts darstelle. Wenn Hagrid wüsste, wer dort oben im Schloss im Büro des Lehrers für Verteidigung gegen die Dunklen Künste sitzt …
Ich schließe die Augen und halte ganz still. Ich möchte mir und ihm die Demütigung ersparen, uns wie Muggel zu prügeln und im Dreck zu wälzen, und ich hätte ohnehin kaum eine Chance gegen seine Körperkräfte. Doch wäre es nicht Hagrid, den ich so lange kenne und so sehr schätze, ich würde es trotzdem versuchen …
Hagrids Finger beben, und er bringt das Schloss des Drachenhalsbandes nicht zu. Er fummelt und zerrt und reiĂźt am Verschluss und zittert mit jeder Sekunde heftiger, und als er mir versehentlich mit dem stacheligen Drachenhalsband die Haut anritzt und ich unwillkĂĽrlich zusammenzucke, reiĂźt ihm der Geduldsfaden.
„Beim Merlin – ich kann das nicht! Warum musst du nur genauso aussehen und dich so bewegen und genauso sprechen wie der Mann, den ich einmal kannte? Warum sieht man dir nicht endlich an, dass du ein grässlicheres Monster bist als der Werwolf dort drüben?! UND WIE KONNTEST DU ES NUR FERTIGBRINGEN, ALBUS DUMBLEDORE ZU TÖTEN?“, brüllt er mir ins Gesicht und schleudert die widerspenstigen Ketten in hohem Bogen von sich, so dass sie erst an die Kuppel des Stahlgitters über unseren Köpfen krachen und danach scheppernd und klirrend zu Boden fallen.
Ich schweige entsetzt und zu Tode erschrocken, während mich der Wildhüter am Kragen packt und auf seine Augenhöhe hinaufzerrt, um mir eine quälend lange Zeit tief und forschend in die Augen zu blicken.
Ich blinzle nicht.
„Ach, fahr zur Hölle!“, stößt er schließlich hervor und schleudert mich heftig zu Boden wie ein besonders widerwärtig stinkendes Aas.
Krachend fällt die Käfigtür ins Schloß, und seine Schritte verhallen in Richtung auf seine Hütte in der Mondnacht. Der Werwolf nebenan läuft ruhelos am Gitter entlang. Während er knurrend und fauchend einen Weg sucht, das uns beide trennende Gitter zu überwinden und mich zu zerfetzen, schießt mir durch den Kopf, dass ich den Weg zur Hölle schon kenne …

Wo wir gerade bei Weg sind: Ich muss einen Weg finden, so schnell wie möglich hier heraus zu kommen.
Offensichtlich handelt es sich bei meinem Gefängnis um den Drachenkäfig, den Hagrid für eines seiner fragwürdigen Haustiere errichtet hat. Leider stehen die Gitterstäbe nicht weit genug auseinander, dass ich mich zwischen ihnen hindurchquetschen könnte, und über den Zaun klettern ist leider auch nicht möglich: Drachen können fliegen, und die Kuppel ist über uns geschlossen, damit der liebe Norbert nicht entfleuchen konnte …
Rat- und mutlos lasse ich mich in sicherer Entfernung zum Gehege des Werwolfes auf dem Boden nieder, denn das Monster hat inzwischen mangels anderer Beute beschlossen, dass es mich zum Frühstück verspeisen möchte. Nunmehr hat es begonnen, sich unter dem Gitter zu mir hindurch zu graben. Ich kann nur hoffen, dass die Sonne aufgeht, bevor ihm sein Vorhaben gelingt …
Graben? Genau! Was der Werwolf kann, das kann ich auch! Ich hole den Becher, der das Elfenwein-Drachenblut-Gemisch enthielt, mit dem Hagrid mich wieder auf die Beine gebracht hat, und beginne damit die Erde aufzureiĂźen.
Fang gesellt sich bald zu mir und will mir wieder durch die Gitterstäbe hindurch das Gesicht abschlecken, und weil ihm das nicht gelingt, beginnt er auf seiner Seite zu graben.
Obwohl ich Fangs Anhänglichkeit mit gegenüber nie verstanden habe – ich meine, Menschen mögen mich gewöhnlich nicht besonders, Tiere jedoch fast immer (Hagrids neuer Hippogreif mal ausgenommen) – so freue ich mich doch sehr, dass er mir hilft. Unsere gemeinsamen Bemühungen tragen kurz vor Morgengrauen Früchte: Ich kann mich unter dem Stahlgitter hindurch ins Freie schieben!
Ich kraule Fang hinter den Ohren, lasse es zu, dass er mir wild das Gesicht abschleckt und mache mich endlich unter dem wilden Geheul des um seine Beute betrogenen Werwolfes auf in Richtung Schulgelände. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich auch gleich meinen Zauberstab bei Dumbledores Grabmal abholen, wo Draco ihn hoffentlich absprachegemäß versteckt haben wird.
„Fang? Fang! Wo bist du? Komm her!“, dringt Hagrids Stimme plötzlich durch die frühmorgendliche Stille und lässt die Vögel kurz verstummen. „Fang, du treuloser Saurüde, muss ich dich denn neuerdings dauernd suchen?“
Fang schaut mit seinen treuen Hundeaugen unsicher zu mir auf. Ich streiche ihm zum Abschied sanft ĂĽber den Kopf.
„Geh!“, sage ich leise. „Hab dank für alles!“
Bevor ich seinen ungestümen Zärtlichkeiten ausweichen kann, zieht der riesige Rüde noch einmal schnell und überraschend seine feuchtwarme Zunge über mein Gesicht, und ich wische mir mit dem Ärmel den Hundespeichel ab, während er freudig und sorglos auf seinen Herren zueilt.
Die Bäume in diesem Teil des verbotenen Waldes stehen eng beieinander und sind mit dichtem Unterholz verfilzt, so dass ich ohne meinen Zauberstab nur langsam und recht mühsam vorwärts komme. Gebüsch und Brombeerranken halten mich immer wieder fest und zerkratzen mir Gesicht und Hände, und schon höre ich Hagrids aufgebrachten Schrei: „Der Todesser! Er ist entkommen! – Ich muss die Kinder beschützen!“
Holz splittert, und in der Ferne schwanken die Spitzen einiger Fichten.
„Such, Fang, such! Wir müssen den Mörder und Verräter unbedingt aufspüren, bevor er das Schloss erreichen kann!“
Und Fang, die gute und einfältige Hundeseele, hält das ganze für ein Spiel und macht sich freudig auf, seinen Spielkameraden aufzuspüren …
Ich verdopple meine Anstrengungen und renne, bis die Lungen schmerzen und das Herz mir bis zum Halse schlägt, doch Hagrid mit seinen Riesenkräften und der weitaus besseren Ortskenntnis kommt rasch näher und droht mich einzuholen, bevor ich das Grabmal erreiche und mich mit dem Zauberstab seiner erwehren kann.
Endlich habe ich es geschafft: das Seeufer liegt vor mir, und nicht weit von meiner Position entfernt schimmert der weiße Marmor des Grabmals geheimnisvoll und zugleich unendlich tröstlich durch den Morgennebel. Doch ich habe keine Zeit, mich an diesem Anblick zu erfreuen, denn Hagrid hat mich beinahe eingeholt, ich höre bereits sein Schnaufen und das Knacken der Äste unter seinen Stiefeln …
Etwa auf halbem Wege zwischen Waldrand und Grabmal erreicht mich seine Warnung.
„Bleib stehen, Snape! Keinen Schritt weiter!“
Ich ignoriere ihn. Nur noch ein paar Fuß bis zum Ziel …
„Severus!“, ruft er mit gequälter Stimme - das erste Mal, das Hagrid mich beim Vornamen nennt – „Bleib stehen, oder ich muss dich töten! Ich kann nicht zulassen, dass du den Kindern etwas antust!“
Ich renne weiter ohne mich umzusehen, denn mir bleibt nichts anderes übrig. Außerdem glaube ich nicht, dass Hagrid es fertig bringt, einem unbewaffneten Mann mit seiner Armbrust in den Rücken zu schießen … außer er meint tatsächlich, die Kinder vor mir retten zu müssen.
Ich schlage zur Sicherheit ein paar Haken wie ein Hase und hoffe inständig, dass Hagrid, falls er in seiner Verzweiflung doch abdrücken sollte, vielleicht nur auf meine Beine zielt… Nur noch wenige Schritte bis zu meinem Zauberstab …
Ein hohes Sirren in der Luft, dann ein Rauschen - ein schreckliches Krächzen, das fast klingt wie ein Schrei!
Rutschend komme ich zum Stehen, wende mich in Panik um und erhasche noch den Anblick eines rotgoldenen Federknäuels, das - von einem Armbrustbolzen mitten in der Brust durchbohrt - wie ein nasser Sack zu Boden plumpst.
„Fawkes!“, schreie ich entsetzt. „Fawkes!“
Auf der Stelle mache ich kehrt und renne jetzt so schnell ich kann in die entgegen gesetzte Richtung auf den Phönix zu, um ihn aufzufangen - doch ich komme zu spät!
Ich falle neben dem tödlich getroffenen Vogel auf die Knie und fasse verzweifelt nach seinem Kopf, um ihn zu stützen, und goldenes Phönixblut quillt haltlos zwischen meinen Fingern hindurch, und ich kann die Blutung nicht stillen kann.
„Fawkes! Du darfst nicht sterben! Dein Zyklus war noch nicht vollendet!“, fordere ich in tiefster Verzweiflung. Nicht auch noch Fawkes! Nein! Nein! NEIN!!!
Der Phönix krächzt noch einmal leise, dann sinkt sein Kopf zur Seite, und das wundervolle rotgoldene Gefieder zerfällt nach kurzem Aufflackern unter meinen Händen zu Staub.
Ich krümme mich zusammen, grabe die Hände in die mit Phönixasche bedeckte Erde und schreie, ohne dass ein Ton über meine Lippen dringt.
Irgendwann fasst mich jemand an der Schulter, und ich hebe den Kopf, um in Hagrids bärtiges Gesicht zu blicken.
„Warum hast du das getan?“, frage ich noch immer ungläubig, und meine Stimme knirscht wie eine Tür in rostigen Angeln. „Fawkes hatte nichts mit meiner Flucht zu tun! Warum hast du ausgerechnet auf den Phönix geschossen - anstatt auf mich!?“
Hagrids Miene ĂĽber dem buschigen Bart ist ebenfalls blank vor Entsetzen.
„Ich habe auf deine Beine gezielt, Severus, aber du hast ganz plötzlich einen Haken geschlagen … Der Armbrustbolzen hätte dich genau zwischen den Schulterblättern getroffen, wenn sich Fawkes nicht dazwischen geworfen hätte!“
Ich schlucke heftig und kämpfe gegen ein Gefühl von Unwirklichkeit an. Also habe ich jetzt auch noch Fawkes umgebracht!
„Es tut mir leid!“, stammelt Hagrid. „Das wollte ich nicht!“
„Nein, gewiss nicht.“, sage ich leise und lasse die Asche des Phönix durch meine Finger rinnen. Fawkes wurde getroffen, als sein Gefieder in voller Pracht stand – vielleicht gibt es ja wenigstens eine winzige Hoffnung …
„Du hättest entkommen können.“, sagt Hagrid plötzlich und legt wie beiläufig einen neuen Bolzen in die Armbrust. „Warum bist du nicht längst über alle Berge?“
Ich ignoriere das Knacken, mit dem die gespannte Armbrustsehne einrastet, und taste weiter im Gras nach der Asche des Phönix.
„Was spielt das noch für eine Rolle?“, frage ich müde.
„Mehr als du denkst.“, antwortet der Halbriese und schwenkt die Armbrust in meine Richtung, so dass der Bolzen jetzt auf mein Brustbein zeigt.
Im Grase piepst etwas, und mein Herz macht einen ganz unglaublichen Satz.
„Fawkes?!“, rufen der Wildhüter und ich gleichzeitig.
„Tschilp!“, antwortet zu Hagrids Füßen der hässlichste, mickrige, nackteste Jungphönix, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Fang tritt zu uns und schnüffelt vorsichtig an dem Küken, bevor er es mit seiner rauen Zunge ableckt.
Sanft schiebe ich den Saurüden zur Seite und nehme den neugeborenen Fawkes in die zitternden Hände. Ich kann mich an wenige Gelegenheiten erinnern, zu denen ich so glücklich war wie jetzt.
„Was sollte das denn werden?“, schelte ich mit leisem Vorwurf den nackten, fröstelnden Vogel, der sich vertrauensvoll in meine Hand kuschelt, und befreie ihn behutsam von einem Rest der Eierschale, die noch an seinem Schnabel klebt. „Du weißt doch genau, dass du nur unsterblich bist, wenn dein Zyklus sich dem Ende entgegenneigt!“
Fawkes krächzt etwas Unverständliches und reibt seinen Kopf an meinem Arm.
„Gib ihn mir! Ich werde ihn in meiner Hütte aufpäppeln, bis er wieder fliegen kann.“, sagt Hagrid und wischt sich mit seinem riesigen, rotgewürfelten Taschentuch die Tränen vom Gesicht.
Vorsichtig lasse ich das zerbrechliche Phönixküken in das weiche Fell seiner Wildhütertasche gleiten, wo Fawkes sogleich den Kopf unter die Flügel steckt und einschlummert.
Als Hagrid seinen Kopf hebt und mich voller Wildhüterstolz anlächelt, begegne ich seinem Blick mit großem Ernst.
„Ich werde jetzt zu Dumbledores Grabmal gehen und mir meinen Zauberstab zurückholen, den jemand dort für mich versteckt hat!“, stelle ich ruhig fest. „Du magst versuchen, mich daran zu hindern – doch wisse, Hagrid, Hüter der Schlüssel von Hogwarts: Ich werde kämpfen bis zum letzten Atemzug.“
Hagrids Augen weiten sich, und die Hand, die immer noch die Armbrust umklammert, bebt so heftig, dass jeder im Umkreis von 50 FuĂź um seine Gesundheit fĂĽrchten muss.
Ohne weitere Erklärung drehe ich mich um, straffe die Schultern und schreite ruhig auf das Grabmal zu, in dem Dumbledore nun schon so lange begraben liegt.
Die Zeit nimmt eine besondere Konfiguration an und dehnt und streckt sich und macht Schritte und Sekunden zu winzigen Unendlichkeiten.
Kein Bolzen trifft mich in den RĂĽcken, und so lege ich endlich vorsichtig meine ausgestreckte Hand auf den weiĂźen Marmor. Das steinerne Bildnis Dumbledores fĂĽhlt sich kĂĽhl und fest an unter meinen zitternden Fingern.
„Ich bin angekommen, Albus.“, flüstere ich tonlos. „Und nun hilf mir!“
Tausend Gedanken und Erinnerungen schießen mir durch den Kopf, und ich möchte schreien und weinen und ihn umarmen und in blindem Zorn auf den Marmor einschlagen, und alles zur selben Zeit.
„Du hast gewusst, was du mir antust, nicht wahr?“, frage ich das steinerne Gesicht. „Doch du wolltest nicht zulassen, dass ich einen Rückzieher mache!“
Das Grabmal öffnet die steinernen Augen und wendet mir sein Haupt zu. Langsam entfalten sich die schlanken Hände Dumbledores, und zwischen den weiten Ärmeln des Gewandes kommt mein Zauberstab zum Vorschein.
Ich nehme den Zauberstab aus den marmornen Händen von Dumbledores Ebenbild, und da ist mir, als flüstere der Wind in mein Ohr: „Ich kann dir nichts ersparen – doch ich werde bei dir sein!“
Hagrid ist stumm zu mir an das Grabmal getreten, und schweigend beobachten wir, wie der steinerne Dumbledore sein Gewand ordnet und die Hände friedlich auf der Brust faltet, so dass er aussieht wie zuvor. Doch dann, im letzten Moment, bevor die Statue wieder zu ewiger, heiterer Ruhe erstarrt, dreht Dumbledore noch einmal ganz kurz den Kopf und zwinkert uns zu.
Bedächtig stecke ich den Zauberstab in den Umhang und will mich schweigend zum Gehen wenden, als Hagrid mich am Arm packt.
„Du hast etwas vergessen, Severus Snape!“
Ich halte inne. „Tatsächlich?“, frage ich ausdruckslos.
„Ja.“, bestätigt Hagrid, umklammert meinen Arm wie eine Stahlzwinge und kramt in den Taschen seines Maulwurffellmantels. „Das hier!“
Er streckt mir die Pranke hin, und in seinem Handteller liegt das Amulett, das mir Tricky geschenkt hatte.
„Woher hast du das?“, frage ich scharf und schnappe danach.
Hagrids Reaktion ist schnell wie eine Wieselfalle, und er fängt meine Hand mit dem Amulett darin mit seiner Riesenpranke.
„Genau das wollte ich dich auch fragen.“, sagt er leise. „Du trugst das Amulett um den hals, als ich dich aus dem Wasser zog. – Wem hast du es gestohlen?“
Also bin ich jetzt nicht nur ein Mörder und Verräter, sondern auch noch ein Dieb!
„Ich bekam dieses Amulett von einer Hauselfe geschenkt. Sie heißt Tricky. Sie ist irgendwie mit Dobby, Potters beschränktem Hauselfenfreund, verwandt.“ Ich nicke dem Wildhüter auffordernd zu, denn jetzt ist er an der Reihe.
Hagrid nickt langsam. „Das könnte passen. Ich gab im letzten Herbst etwas von dem Haar an Dobby, weil er mich im Auftrag eines Freundes darum bat.“
„Tricky sagte, es sei Haar vom Haupte und vom Barte des Propheten.“, erkläre ich ratlos darüber, wie ausgerechnet Hagrid an so etwas Merkwürdiges und Eigenartiges gelangt sein soll. Haar vom Einhornschweif oder meinetwegen sogar von einem Zentaur, aber das …?
„Ich habe Dumbledore in sein Grab gebettet und ihm eine Strähne vom Haupthaar und von seinem langen weißen Bart abgeschnitten, um seiner zu gedenken. Das ist bei meinen Leuten so Sitte.“, meint der Halbriese verlegen ob dieses merkwürdigen Brauches. „Dobby bat mich inständig um „Haar vom Haupte und vom Barte des Propheten“. Ich habe dem Hauself ein wenig von Dumbledores Haar abgegeben, denn er versicherte, es handele sich um eine Angelegenheit auf Leben und Tod.“
Ein zaghaftes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.
„Er sprach die Wahrheit. Ohne Trickys Amulett wäre ich gestorben!“
Hagrids käferschwarze Augen begegnen den meinen, und ganz langsam löst er den Griff seiner riesigen Pranke, mit der er meine Hand umklammert hält.
„Ich weiß nicht, warum das alles geschehen ist und Dumbledore sterben musste – aber ich weiß, dass du noch derselbe bist, mit dem ich all die Jahre hindurch in Hogwarts gelebt habe. - Und der, den ich kenne, würde niemals einem der Schüler ein Leid zufügen!“, sagt er sehr leise.
Schweigend hänge ich mir das Amulett wieder um den Hals, wo es unter dem Hemd verschwindet.
Hagrid räuspert sich, und seine Stimme gewinnt ihre dröhnende Kraft zurück. „Mach dir keine Sorgen mehr, Severus: Ich werde bezeugen, dass du noch auf unserer Seite kämpfst! McGonagall wird uns ganz gewiss unterstützen, sobald sie wieder gesund ist, und Lupin natürlich auch! Ich habe Harry ohnehin nicht glauben wollen, dass ausgerechnet du Dumbledore getötet haben solltest- der arme Junge war ja völlig mit den Nerven am Ende, so dass ihm seine Fantasie wohl einen Streich gespielt hat! Die Zauberwelt muss wissen, dass du noch zu uns gehörst, und natürlich wird sich das Missverständnis mit Dumbledores Tod schnell aufklären! Das Zaubereiministerium …“
Ich unterbreche ihn scharf. „Nein! Auf gar keinen Fall! Du darfst niemandem von mir erzählen!“
Hagrid starrt mich verständnislos an.
„Aber sie werden dich jagen und töten, Severus! Die Leute hassen und fürchten dich beinahe so sehr wie Du-weißt-schon-wen!“
„Sein Name ist Voldemort.“, berichtige ich mechanisch. „Und es ist mir egal, was die Leute über mich denken. Aber wenn Voldemort erfährt, dass ich nicht tot bin, wird er mich finden. Nein, es ist viel besser, wenn ich in den Augen der Welt weiterhin tot oder ein Mörder bin, und so muss es auch bleiben!“
„Was hat Du-weißt-schon-wer mit dir angestellt, das er dich für tot halten muss?“, fragt Hagrid besorgt.
Ich grinse zynisch. „Er hat mir angeboten, mich unsterblich zu machen. Zuerst wollte er mir helfen, einen Teil meiner Seele in einem Horkrux zu verschließen. Nach einer kleinen Auseinandersetzung hat er es sich dann anders überlegt und wollte mich, genau wie den bewusstlosen Lupin, zu einem Inferius machen. Mir sagten beide Varianten der Unsterblichkeit nicht besonders zu, und ich musste sein Angebot leider ablehnen. Denn Rest kennst du – du hast Remus und mich schließlich mit Hilfe der Meermenschen aufgefischt!“ Ich ordne meine Kleidung und blicke suchend zum Horizont. Die Sonne geht soeben auf, und bald werden die Schulgründe von Hogwarts mit Schülern bevölkert sein. Zeit zu verschwinden.
„Hagrid – wirst du dieses Geheimnis bewahren, wie du auch mein anderes Geheimnis all die Jahre hindurch getreu gehütet hast? Wirst du mir diesen Dienst erweisen?“ Es fällt mir, wie immer, schwer, jemanden um etwas zu bitten, und meine Stimme klingt flacher als sonst.
Hagrid nickt schwer, und er zieht dabei ein seltsames Gesicht, als sei ich eines seiner wilden Biester, um das er sich Sorgen machen mĂĽsse.
„Ich werde deine Geheimnisse für alle Zeiten sicher bewahren wie die Schlüssel von Hogwarts.“, verspricht er und legt mir die Riesenhand schwer auf die Schulter. „Leb wohl, Severus Snape - und möge dein Mut dich niemals verlassen!“
Ex factis, non ex dictis amici pensandi


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