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Fanfiction

The good, the bad and the ugly - Absturz

von Polaris

Wer jemals geträumt hat, er fiele irgendwo herunter, kennt das Gefühl des bodenlosen, taumelnden Sturzes in die Unendlichkeit, in dem die Angst jeden Muskel zu Granit verkrampft und das Zeitgefühl völlig außer Kraft gesetzt ist. So falle ich rasend schnell und quälend langsam zugleich die fünfzehn Fuß bis zum letzten Sicherungshaken und weitere fünfzehn Fuß Seillänge darüber hinaus, bis ein Ruck, der einen norwegischen Bergtroll von den Füßen gefegt hätte, mich abrupt abbremst. Meine Rippen und die Beckenknochen ächzen gequält unter der plötzlichen Einschnürung durch den Sicherungsgurt, während die Pendelbewegung des Sturzes mich erst mit dem Rucksack, dann mit der Schulter und schließlich mit dem Kopf gegen den Felsen schlägt.
Halb bewusstlos hänge ich im Seil, während sich die restliche Fallenergie abbaut und ich sanft hin und her schwinge. Mein Puls und meine Hände flattern wie Kolibris. Zögernd durchdringen die ersten zusammenhängenden Gedankenfetzen die überwältigende Eruption des Adrenalins, das durch meinen Körper brodelt.
Ich lebe noch, stelle ich atemlos fest, als ich vorsichtig den Kopf hebe und nach oben blinzle. Der Felshaken hat gehalten, ebenso das Seil und die Gurte. Den Kletterhelm hat es in zwei Hälften zerschlagen – genau dasselbe wäre mit meinem Schädel passiert, hätte ich diesen Schutz nicht getragen. In meiner Jugend lehnte ich sowohl Kopfschutz als auch Seilsicherung beim Klettern ab – doch das Alter macht weiser, vorsichtiger und weniger eitel. Manchmal ist es von großem Vorteil, seinen Stolz zu besiegen – eine der bittersten Lektionen überhaupt für den, der sie erlernen muss.

***

In den nächsten beiden Wochen nach unserer Rückkehr nach London traf ich mich so oft es irgend ging heimlich mit Andromeda, die - obwohl längst volljährig - nach einem Streit mit ihren Eltern Ausgehverbot hatte, aber im Traum nicht daran dachte, sich daran zu halten. Über das Zusammensein mit Andromeda vernachlässigte ich zum ersten Mal in meinem Leben meine Pflichten sowohl meiner Mutter als auch meiner Ausbildung gegenüber. Um mehr Zeit zu haben, brachte ich meine Ausführungen über die Drachenpocken zu einem etwas abrupten Ende, stopfte die Berge von Notizen, Skizzen und Merkzettel unsortiert in einen Karton unter mein Bett und übergab schon drei Wochen vor Fristablauf den Umschlag an eine Posteule – obwohl ich sonst immer bis zur letzten Sekunde an jedem Satz herumzufeilen pflegte. Insgesamt fühlte ich mich wie permanent betrunken oder unter dem Einfluss von Felix Felicis.
Das es Lucius hingegen gar nicht gut ging, bemerkte ich erst recht spät, nämlich als er begann, mehrmals pro Nacht schreiend und in Schweiß gebadet aus einem unruhigen Schlaf zu schrecken. Bei jedem Terror Noctis Anfall war er bleich wie der Tod, zitterte am ganzen Leib und es gelang ihm nur mit Mühe, zurück in die Realität zu finden.
Um meine Nachtruhe, die durch die gestohlenen Stunden mit Andromeda und meine Nachtdienste im St. Mungos ohnehin knapp bemessen war, wiederherzustellen, mischte ich für Lucius Schlaf- und Beruhigungstränke, die jedoch wider Erwarten nicht wirkten, außer, dass mein neuer Freund am Tag noch übernächtigter, abgeschlagener und verzweifelter wirkte.
Als ich weit nach Mitternacht von der Schicht im St. Mungos heimkam und todmĂĽde zu Bett gehen wollte, schrie Lucius im Schlafe wie ein in die Enge getriebenes wildes Tier und schlug dabei in Panik um sich, als sei er von Dementoren umzingelt.
Ich rüttelte Lucius an der Schulter und weckte ihn aus den furchtbaren Visionen, die von ihm Besitz ergriffen hatten. Besorgt betrachtete ich die blauvioletten Ringe unter seinen Augen, das strohig gewordene Blondhaar, das ihm im kalten Schweiß am Schädel klebte, seine vor Schlafmangel und Angst grünliche Gesichtsfarbe - und entschloss mich zu einem verzweifelten Schritt. Ganz offensichtlich waren Lucius krankhafte Alpträume mögliche Spätfolgen meiner Behandlung gegen die Drachenpocken. Wollte ich meinen neuen Freund nicht in diesem Zustand belassen, seine Gesundheit ruinieren oder gar sein Leben riskieren, musste ich der Ursache des Schreckens wohl oder übel auf den Grund gehen.
Während Malfoy aus dem verschwitzten Nachthemd und in seine normale Straßenkleidung schlüpfte, denn an Schlaf war für ihn in dieser Nacht nicht mehr zu denken. Anschließend ließ er sich entkräftet von der Anstrengung auf die Kante seines Bettes fallen. Derwei goss ich heißes Wasser über die Kräutermischung aus Baldrian, Fenchel und Nachtkerze im Teekessel.
„Was ist los, Lucius?“, fragte ich, während ich mir einen Stuhl heranholte, und schob ihm einen Becher dampfend heißen Tee in seine eiskalten Hände. „Womit träumst du dich nur Nacht für Nacht um den Verstand?“
Lucius umklammerte den Becher, als könne die Wärme des Trankes seine Lebensgeister neu beleben, und nahm einen vorsichtigen Schluck.
„Die Träume sind eigentlich immer verschieden, nur das Ende ist gleich – ich sterbe! Mal saugen mich die Dementoren aus, mal grillt mich ein Drache mit seinem Feuerstrahl. Ein anderes Mal wieder zapple ich hilflos im Netz einer Acromantula oder ich werde vom Schnabel und den Krallen eines Hippogreifs in Fetzen gerissen. Es gibt beinahe kein magisches Wesen mehr, das es noch nicht auf mich abgesehen hätte – im Traum gerade eben wurde mein Herz von einem Einhorn durchbohrt, stell dir das vor!“ Er stellte den Becher zur Seite und verbarg das Gesicht in den Händen.
Mir wurde eiskalt. Anscheinend hatte Lucius doch nicht alle Erinnerung an die langen Stunden verloren, während derer er auf dem Grenzfluss zwischen Leben und Tod dahin trieb.
Lucius Malfoy nahm die Hände vom Gesicht und sah mich aus seinen fiebrig glänzenden Augen verzweifelt an.
„Ich muss dir was erzählen, Severus! Ich werde …“
„Nein, Lucius! Ich bin es, der dir was erklären muss!“, unterbrach ich ihn scharf.
Seine Augen verengten sich. „Nein, wirklich, Severus, ich muss das endlich loswerden, sonst werde ich noch verrückt! Ich werde von jemandem …“
„Du bist beinahe gestorben, als ich dich mit meiner neuen Methode gegen die Drachenpocken behandelt habe.“, schnitt ich ihm ins Wort. „Du schwebtest lange Zeit zwischen Leben und Tod – und daher kommen diese grauenvollen Träume!“
Lucius starrte mich an. „Gestorben? Aber wieso denn? Ich dachte, es ging alles glatt, so wie du es vorausgesagt hast …!“
Ich seufzte tief, setzte mich neben ihn auf die Bettkante, starrte hinunter auf meine Hände und erzählte ihm die ganze Geschichte, ohne etwas zu beschönigen – weder meinen Ehrgeiz noch die Motive, die mich bewogen hatten, entgegen seinem ausdrücklichen Wunsch niemanden vom St. Mungos in unser riskantes Experiment einzuweihen - noch die schrecklichen Stunden, die Lucius im Sterben lag und ich nichts mehr für ihn tun konnte außer abzuwarten und auf ein Wunder zu hoffen.
Als ich geendet hatte, sprang Lucius mit angestrengtem Gesichtausdruck auf und begann erregt auf und ab zu laufen. Nach einer Weile intensiven Nachdenkens blieb er genau vor meinen FĂĽĂźen stehen, und ich war gezwungen, den Kopf zu heben, um zu ihm aufzublicken.
„So war das also – wann genau wolltest du mir eigentlich davon erzählen?“, fragte er mit beherrschter, ruhiger Stimme.
Ich war von der mitschwingenden Bitterkeit in seinen Worten nicht wirklich überrascht – allerdings davon, dass sie mir einen Stich versetzte, der tiefer ging und stärker schmerzte, als ich es erwartet hatte.
„Niemals.“, antwortete ich leise.
„Meintest du nicht, ich hätte ein Recht zu erfahren, was mit mir passiert ist?“
Ich senkte den Blick und betrachtete meine Hände.
Malfoy betrachtete mich kühl von oben herab. „Darf ich kurz zusammenfassen, ja? Wir beide entschließen uns gemeinsam und in gegenseitigem Einverständnis zu einem Experiment, wobei du mir jedoch einige wichtige Tatsachen unterschlägst: Erstens den Umstand, dass man uns in St. Mungos nicht abweisen würde, falls wir, wie von mir vorgeschlagen, dort um Rat und fachlichen Beistand gebeten hätten – stimmt das?“
Ich schluckte mĂĽhsam.
„Ja.“
„Du hast darauf verzichtet, weil du den Ruhm unbedingt und ausschließlich für dich wolltest und hast dabei ganz bewusst in Kauf genommen, dass ich wie ein Hund krepiere – nur weil du zu stolz und zu ehrgeizig bist, um Hilfe zu bitten?“
„Ja.“ Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg, doch ich konnte nichts daran ändern.
„Ich hätte in alles eingewilligt, jeden Strohhalm ergriffen, der sich mir bietet. Ich habe mich dir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert in der Hoffnung auf Heilung meiner Krankheit – und du hast nicht einmal dann St. Mungos alarmiert, als ich bereits im Sterben lag, sondern es vorgezogen, auf ein Wunder zu warten, das dann Merlin sei Dank auch eingetreten ist?“
„Ja.“, flüsterte ich heiser.
Malfoy tigerte im Zimmer auf und ab und schlug sich rhythmisch mit dem Griff seines Gehstockes in die Handfläche. Offensichtlich waren zusammen mit der Erkenntnis über die Ursache seiner Alpträume der Kampfgeist in ihn zurückgekehrt.
„Um es jetzt noch mal ganz deutlich zu machen …“, begann er und zwang mich mit Hilfe des silbernen Schlangenkopfgriffs unter meinem Kinn, ihn anzusehen, „ … du lässt lieber einen Menschen verrecken als zuzugeben, dass du einen Fehler gemacht hast?“
„Nein! Außerdem war es kein Fehler …“, begehrte ich auf.
„Oh doch! Ich will dir ja nicht mit hochfahrenden moralischen Idealen kommen – du weißt, ich bin Kaufmann. Ich kenne den Handel, schätze ein gutes Geschäft und verstehe, wenn jemand konsequent seine Ziele verfolgt - aber über die Leichen meiner Geschäftspartner gehe ich dabei nicht! Es gibt Grenzen, Severus!“
Meine Rechtfertigungen schmeckten allesamt schal im Angesicht seines Zornes. Darum blieben mir die AusflĂĽchte im Halse stecken, und ich schwieg.
Malfoy starrte mich ohne Blinzeln aus seinen frostigen grauen Augen an. „Ich war so dumm zu glauben, du hättest es für mich getan! Wie kannst du nur jemanden, der dir durch sein Vertrauen ausgeliefert ist, auf so rücksichtslose Weise manipulieren? Das, Severus, bringt noch nicht einmal ein eiskalter Malfoy fertig!“
Ich war so aufgebracht wie schuldbewusst und konnte meine Gefühle nicht klar sortieren. Malfoy warf mir vor, Menschen wie Werkzeuge zu behandeln – aber waren sie das nicht? Durfte man sie nicht, sofern sich dies mit ihrem Wohl rechtfertigen ließ, auch gegen ihren Willen oder mit Hilfe einer List dazu benutzen, um eigene Ziele durchzusetzen?
Die Stille zwischen uns dehnte sich, während Malfoy auf eine Entschuldigung wartete – aber so weit war ich damals noch nicht. Ich war zu jung, zu erkennen, wie viel ich noch zu lernen hatte - und zwar auf einem Gebiet, das mir damals genauso fremd war und das ich im gleichen Maße verachtete wie der Dunkle Lord, dem ich mich in nicht allzu ferner Zukunft anschließen würde.
So kamen die Worte, die notwendig gewesen wären, nicht über meine Lippen – und dieses Versäumnis brachte den ersten Stein einer Lawine ins Rollen, die viele andere und schließlich auch mich selbst in die Tiefe reißen sollte.
Malfoys marmorblasses Gesicht versteinerte sich mit jeder Sekunde mehr. Schließlich umklammerte er seinen Schlangenstock fester, so dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, verbeugte sich spöttisch und zischte: „Du hast es so gewollt, Severus Snape - sehen wir unsere Beziehung in Zukunft also rein geschäftlich! Abgerechnet wird zum Schluss, und wir werden schon noch erfahren, wer der bessere Kaufmann von uns beiden ist!“
Damit drehte er sich auf dem Absatz um und schritt aufrecht und mit bauschendem Umhang zur TĂĽr.
Ich klaubte blind den nächstbesten Gegenstand – einen Bottich mit in Giftsumach eingelegtem Schlangenhirn - vom Tisch und schleuderte ihn Malfoy hinterher.

In den folgenden Tagen achteten Malfoy und ich peinlichst darauf, einander nicht zu begegnen – was keinem schwer fiel, da uns die Gewohnheiten des jeweils anderen inzwischen sehr vertraut waren. Malfoy hatte sogar das Schachspiel seit unserem Streit nicht mehr angerührt, obwohl er bei der aktuellen Partie in einer aussichtsreichen Position stand und ich ihm eigentlich nur noch ein verzweifeltes Rückzugsgefecht liefern konnte. Kurz vor unserer Auseinandersetzung hatte er mir noch ein gnädiges Remis angeboten – aber Aufgeben war für mich noch nie eine Option gewesen.
Andromeda bekam natürlich Wind von unserem Streit und war neugierig, was vorgefallen sei. Malfoy hatte allerdings wohl ebenfalls wenig Lust auf Erklärungen verspürt, und ich speiste Andromeda recht brüsk mit den Vorwand ab, Malfoy und ich seinen wohl beide überarbeitet und die Sache renke sich von selbst wieder ein - woran ich selbst allerdings keine Sekunde glaubte. Auch Andromeda blieb misstrauisch, gab sich jedoch vorerst zufrieden, und wir wandten uns naheliegenderen Beschäftigungen zu.

Eine Woche später wurde ich früh morgens zum Dienstbeginn ins Büro des Direktors von St. Mungos zitiert. Als ich dort erschien, waren zu meinem Erstaunen die gesamte Klinikleitung, meine direkten Vorgesetzten sowie Bozo Brute, Heiler im Praktikum und mein Hauptkonkurrent, dort versammelt. Bozo sah aus wie ein Chorknabe und trug zu meinem milden Amüsement trotz der Hitze ein hochgeschlossenes Hemd - anscheinend war ihm noch kein Gegenfluch eingefallen für meine spontane Hexerei, die ich ihm vor meiner Zimmertür aufgehalst hatte.
Der Gesichtsausdruck aller ĂĽbrigen Anwesenden lag irgendwo zwischen abweisend und streng, und manch einer wich meinem Blick aus.
Mir wurde der Mund trocken. War ich durchgefallen? Ich hätte meine Ausführungen vielleicht doch nicht gar so abrupt …
„Mr. Snape!“, meldete sich der Direktor von St. Mungos, Nathanael Robbespiere, zu Wort und hielt meine Arbeit hoch, so dass ich sie betrachten konnte, „Sind dies die Ergebnisse ihrer Studien über die Drachenpocken?“
Ich nickte. „Ja.“
„Diese Arbeit haben sie selbst und eigenhändig angefertigt?“
„Natürlich.“
Die Zuschauer raunten, verstummten jedoch sofort wieder, als der Direktor fortfuhr: „Wessen Hilfe haben sie in Anspruch genommen, Mr. Snape?“
Ich war verblüfft. Hatte Malfoy, der verdammte Pfeffersack, mich aufgrund unseres Streites bei meinen Vorgesetzten angeschwärzt, um sich zu rächen? Aber damit setzte sich Malfoy doch dem Stigma der Drachenpocken aus, die seinesgleichen sonst aus verständlichen Gründen unter allen Umständen zu vermeiden suchte! Malfoy war erledigt, wenn seine Krankheit publik werden sollte, und Narcissa konnte er trotz Heilung wohl endgültig abschreiben!
„Niemand hat mir geholfen.“, log ich stur.
Alle hielten den Atem an.
„Wie kommt es dann …“, meinte Robbespiere und schob seine Brille auf der Nase zurecht, während er sich vorbeugte, um mir inquisitorisch in die Augen zu starren, „… dass Mr. Brute, der heute ebenfalls anwesend ist, eine revolutionäre Heilmethode vorschlägt, die mit der ihren absolut identisch ist?“
Da meine Befürchtungen ganz auf mein verbotenes Experiment fixiert waren, brauchte ich ein wenig länger als üblich, um zu schalten.
„Sie meinen, einer von uns habe beim anderen abgeschrieben?“
Der Direktor grunzte. „Genau. Einer von ihnen beiden hat betrogen und fliegt noch heute hochkant hier raus! Der Andere hingegen hat seine Prüfung mit Glanz und Gloria bestanden, bekommt die ausgeschriebene Heilerstelle - und den Paracelsuspreis für die beste Forschungsarbeit des Jahres obendrauf!“
Ich legte misstrauisch den Kopf schräg.
„Alles, was ich über die Heilungsmethode geschrieben habe, stammt ausschließlich und allein von mir.“, beharrte ich und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, als ich die ungläubigen Mienen der Zuhörer sah.
„Mr. Brute behauptet dasselbe! Und seine Recherchearbeit im vorausgehenden Teil der Prüfung ist sogar noch einen Hauch besser als die ihre, Mr. Snape!“
„Das bezweifle ich auch nicht. In Reproduktion ist Brute besser als ich, dass gebe ich zu. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand, der so wenig kreativ ist wie Bozo, auf dieselbe Idee kommen kann wie ich …“ Hilflos brach ich ab.
Die buschigen grauen Augenbrauen Robbespieres begegneten einander wie Gewitterwolken. „Nicht eine ähnliche Idee, Mr. Snape - sie beide haben im Bezug auf den Vorschlag einer neuen Therapie wortwörtlich dieselbe Arbeit abgegeben!“
Der schweigende Bozo lächelte milde, sanft und unschuldig wie ein Rauschgoldengel auf mich herab, während er erwartungsfroh auf den Fußspitzen wippte.
In diesem Moment ging mir auf, dass – sofern der Direktor die Wahrheit sprach, woran ich nicht zweifelte - Bozo irgendwie an meine Ausführungen gelangt sein musste, um meine Idee zu stehlen und meine Gedanken Wort für Wort zu duplizieren. Die Sicherheitszauber, die ich zum Schutz vor Bozos Neugier an unserer Tür angebracht hatte, waren unüberwindbar. Zutritt zum Zimmer hatten allein Lucius Malfoy und ich …
Die Erkenntnis von Lucius Malfoys Verrat traf mich wie ein Faustschlag in den Magen, und mir wich das Blut aus dem Gesicht.
„Wie kommt es eigentlich, dass ich hier vor ihnen stehe und mich rechtfertigen muss wie ein Angeklagter, während mein Konkurrent Bozo Brute dort oben neben ihnen steht und mich anfeixt, als gäbe es gleich Weihnachtsgeschenke? Ich habe keinen Grund zu betrügen – ich kann nämlich selber denken!“, fauchte ich vor Zorn bebend.
„Weil Mr. Brute …“, antwortete Direktor Robbespiere und lehnte sich gönnerhaft zurück, „… beweisen kann, dass er der Urheber der Erfindung ist!“ Er blinzelte Bozo verschwörerisch und auffordernd zugleich zu.
Bozo drehte sich um, beugte sich hinunter und hob eine Kiste empor, leicht staubig und nicht mehr neu, in der säuberlich aufgestapelt – meine Notizen lagen, die ich in wilder Unordnung achtlos unters Bett geschoben und über Andromeda dort völlig vergessen hatte! Wortlos trat ich nach vorn und nahm das oberste Blatt der Aufzeichnungen, um es zu lesen.
Bozo hatte meine in seine Handschrift umgehext, sonst nichts. Er hatte es sogar nicht einmal für notwendig befunden, die kleinen Kritzeleien, die ich schon seit meiner Schulzeit beim Nachdenken in all meinen Büchern und Unterlagen zu hinterlassen pflege, zu entfernen: Der Zauberspruch Dermatounka, der mir beim Grübeln über das Thema des Drachenpocken-Hautausschlages eingefallen war und den ich bereits erfolgreich an Bozo ausprobiert hatte, als ich ihn vor meiner Zimmertür erwischte, stand noch in der rechten unteren Ecke hingekritzelt – allerdings jetzt in Bozos geschwungener Riesenhandschrift, nicht in meinen ordentlichen, spitzen und kleinen Buchstaben …
Ich schluckte trocken. Ich hatte verloren, das war klar.
„Zur Entlastung der Anschuldigungen gegen sie, Mr. Snape, können sie uns sicher ihre eigene Notizensammlung zur Verfügung stellen?“, fragte Robbespiere süßlich.
„Nein. Das kann ich nicht.“, flüsterte ich.
Die Honoratioren warfen einander Hab-ich-doch-gleich-gewusst-Blicke zu und musterten mich voller Verachtung.
„Wieviel hat dieser stinkreiche Muggel ihnen bezahlt, damit sie ihn mit dieser Farce durchkommen lassen?“, fragte ich leise, aber so scharf, dass meine Worte bis in die letzte Ecke des Raumes überdeutlich zu hören waren. „Bozo Brute hatte in seinem ganzen Leben noch nicht einen einzigen originellen Gedanken – das weiß jeder hier im Raum genauso so gut wie ich!“
Einige Anwesende wurden blass, andere rot im Gesicht, und dem Direktor quollen die Augen hervor wie einem Karpfen.
Bozo hingegen erwies sich als grandioser Schauspieler.
„Ich würde niemals jemanden bestechen, Severus!“, heuchelte er mit ölig-mitfühlender Stimme. „Es tut mir leid, Severus, aber du hättest eben nicht betrügen dürfen! Der Direktor und die Prüfungskommission würden niemals Geld annehmen!“
„Auch nicht für die Neugestaltung des Eingangs bei Reinig&Tunkunter, nein?“, fragte ich mühsam zwischen den Zähnen hindurch.
Robbespiere schnappte nach Luft.
„Das ist etwas völlig anderes!“, protestierte er lahm, und sein Doppelkinn bebte vor rechtschaffener Entrüstung und selbstgerechtem Zorn
„Natürlich.“, versetzte ich ironisch.
Der Direktor schnaufte wie ein Walross. „Sie sind der unverschämteste Heiler im Praktikum, der jemals begegnet ist, Mr. Snape!“
Ich lieĂź mich nicht einschĂĽchtern.
„Dann befragen sie uns doch– lassen sie jeden von uns allein vor einer Kommission unsere vorgeschlagene Heilmethode erklären, anstatt mir den Betrug in die Schuhe zu schieben! Ich weiß nämlich, wie ich auf meine Idee gekommen bin, und ich kann jedem Fachheiler gerne erläutern …“
„Kommt nicht in Frage!“, fiel Robbespiere mir wütend ins Wort. „Meine Tochter ist seit kurzem mit Mr. Brute verlobt – und jemand, der mein Schwiegersohn wird, lügt nicht! Um es kurz zu machen: Eine Kommission ist nicht nötig – sie sind gefeuert, Mr. Snape!“
Ich wandte mich an Bozo.
„Ich dachte, die Karriereleiter Hochschlafen sei Frauensache?“, fragte ich mit hochgezogenen Brauen.
Bozo blickte mitleidig auf mich herab, doch er errötete bis unter die Haarspitzen.
„Du tust mir leid, Severus!“, versetzte er heuchlerisch. „Du hast verloren, sieh’s doch endlich ein!“
Ich umklammerte meinen Zauberstab fester.
„Niemals! Ich gehe mit dieser Sache vor das Zauberergamott, wenn es sein muss! So leicht lasse ich mir nicht nehmen, was mir gehört!“
Brute lächelte herablassend. „Das kannst du dir doch gar nicht leisten!“
Ich lächelte noch arroganter zurück.
„Das werden wir schon noch sehen!“
Robbespiere setzte sich aufrecht in Positur und winkte zwei Pflegezauberer herbei, die sonst bei Bedarf unten in der Eingangshalle für Ordnung und Mäßigung bei renitenten Patienten sorgten.
„Es steht ihnen natürlich frei, den Rechtsweg einzuschlagen, Mr. Snape! Vorerst muss ich sie um ihre Zugangskarte bitten.“
Einen Moment lang dachte ich darüber nach, dem fetten Walross die Karte samt meiner Faust mitten ins Gesicht zu schlagen oder nachzuprüfen, ob ich Sectumsempra noch beherrsche, oder …
Dann siegte die Vernunft, und ich ĂĽbergab ihm meinen Ausweis, drehte mich ohne weiteren Kommentar um und schritt zur TĂĽr.
„Bevor ich es vergesse, Mr. Snape …“, ließ Robbespieres Stimme mich mit der Hand auf dem Türgriff innehalten, „… ihre Mutter können wir natürlich in Zukunft hier nicht mehr fast umsonst betreuen. Sie haben drei Tage Zeit, ein Pflegeheim für sie zu finden. Die Rechnung für die Zusatzleistungen der letzten Wochen schicken wir ihnen gesondert zu!“
Obwohl ich es schaffte, die schwere Eichentür nicht zuzuknallen, hörte ich das Splittern von Fensterglas im Saal hinter mir.

Der Abschied vom St. Mungos war demütigend. Natürlich schuhuten die Eulen meinen Rauswurf schon von den Dächern. Während ich schweigend meine Sachen aus dem Spind ausräumte und Heiler wie Schwestern mir dabei peinlich berührte Seitenblicke zuwarfen, fand nur Hippokrates Smethwick den Mut, sich von mir zu verabschieden. Er legte mir die Hand auf die Schulter und versicherte so laut, dass alle es hören konnten, er glaube an meine Unschuld und die Art, wie man mit mir umspringe, sei ein Skandal. Ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass einige ebenso dachten, aber sie verteidigten mich nicht gegen den Hohn und Spott, den andere, die bisher immer begeistert von meinen fachlichen Ratschlägen oder der Übernahme ihrer Nachtdienste profitiert hatten, über mich ausgossen und die mich einen arroganten Bastard und Schlimmeres nannten, dem nur Recht geschehe.
Nun, Hippokrates war einer, und einer ist nicht keiner. Ich war ja Kummer gewohnt.
Ich verabschiedete mich so ruhig und beherrscht ich konnte von Hippokrates, log ihm vor, ich würde es schon irgendwie schaffen und ging durch die große Eingangshalle zum Aufzug, während sich dutzende Blicke in meinen Rücken bohrten.

Ohne Arbeitszeugnis und mit dem Rauswurf aus St. Mungos im RĂĽcken hatte ich groĂźe Probleme, eine neue Arbeitsstelle zu finden, und ich bekam zu schmecken, wie es einem Squib in der Zauberwelt ergeht.
In der Nocturngasse ergatterte ich einen miserabel bezahlten Job in einer Spelunke und verbrachte fortan alle Nächte, die ich nicht mit Andromeda zusammen sein konnte, damit, mich von Besoffenen anpöbeln zu lassen, die Toiletten von den Hinterlassenschaften der Gäste zu säubern und Butterbierfässer in den Keller zu wuchten. Tagsüber fand ich eine Stelle in Caractacus Burkes Zaubertrankfabrik, die Doxyzid in Sprühflaschen herstellte. Diese Arbeit mochte ich noch weniger als die in der Spelunke, denn das Doxyzid benebelt nicht nur Doxys, sondern auch die mit seiner Herstellung beschäftigten Arbeiter. Außerdem waren unsere Hände abends so rot und zerschunden als seien sie von Doxybissen übersät. Wie die anderen Arbeiter verbrauchte ich Unmengen an Murtlabessenz, und zu Feierabend dröhnte mir der Schädel von den Doxyziddämpfen.
Trotzdem würde mein durch Lucius Hilfe erwirtschaftetes Geld nur für die armselige Wohnung in Spinners End und ein billiges Pflegeheim für meine Mutter ausreichen – außer ich verzichtete auf die Verhandlung vor dem Zaubergamott, um Brutes Betrug doch noch beweisen und mich rehabilitieren zu können. Bozo hatte mit seinem beißenden Spott durchaus ins Schwarze getroffen: ohne den Gewinn aus der durch Malfoy finanzierten Spekulation mit dem Dünn-ohne-Diät-Mittel hätte ich mir eine Klage vor dem Zauberergericht nie im Leben leisten können!
Ich entschloss mich, auf das Rechtssystem zu vertrauen und mich gegen meine Entlassung zur Wehr zu setzen. Ich zahlte den Gerichtskostenvorschuss ein und kĂĽndigte das Zimmer, um wieder in Spinners End zu wohnen. Ich packte gerade meinen Kram zusammen, als Lucius hereinplatzte.
„Oh!“, sagte er überrascht, „Ich dachte …“
„Schon gut. Ich bin gleich fertig.“, antwortete ich müde und versuchte, die letzten Bücher in meinen Koffer zu quetschen. Als mir dies gelungen war, schloss ich den Deckel, wuchtete die Summe meiner irdischen Besitztümer vom Bett und stellte sie neben mir auf den Boden.
„Ich muss dir meinen Anteil an der Miete für diesen Monat noch eine Weile schuldig bleiben, Malfoy.“, teilte ich ihm mit. „Ich überweise es auf dein Konto bei Gringotts, sobald ich kann.“ Ich umfasste den Griff des Koffers und hob ihn an. „Tut mir leid, Lucius.“
Als ich an ihm vorbeigehen wollte, packte er mich am Oberarm und hielt mich zurĂĽck.
Ich hob überrascht den Kopf und blickte ihm auf gleicher Höhe ins Gesicht.
„Du hast dein Schachbrett vergessen.“, bemerkte er kühl.
Ich zuckte resigniert die Achseln. „Sieh es als Anzahlung.“
Malfoy zog lässig eine Geldbörse aus dem Umhang und warf sie auf den Tisch. Sie sprang auf, einige silberne Sickel kullerten heraus und hüpften klingend zu Boden.
„Das gehört dir!“
Ich hob fragend die Brauen.
„Das Geld – ich schenke es dir! Es sind dreißig Silberlinge, du kannst sie nachzählen. Bozo Brute gab sie mir als Dreingabe im Tausch gegen deine Unterlagen!“ Mit gespanntem Gesicht erwartete er meine Reaktion.
Ich blinzelte.
„Tut mir leid, Snape, mehr war nicht drin – du bist einfach nicht genug wert!“, spottete Malfoy.
Wie magisch angezogen glitt mein Blick hinüber zu dem Schachspiel, auf dem Malfoy und ich so oft unsere Kräfte gemessen hatten. Lucius Blick folgte dem meinen.
Ich hatte kurz vor Malfoys überraschendem Eintreffen die Partie aktualisiert und den schwarzen König umgestürzt - Schachmatt.
Malfoy starrte wie gebannt auf den neuen Spielstand.
Ich nutzte die Gelegenheit und streifte seine Hand ab, die noch immer auf meinem Arm ruhte.
„Du hattest Recht, Malfoy …“, erklärte ich sachlich. „,… und zwar in allem, was du mir vorwirfst – und außerdem bist du der bessere Kaufmann. Du hast gewonnen, ich verloren.“
Malfoy schien wie im Schock erstarrt durch meine Worte und schüttelte langsam den Kopf. „Ich wollte nicht …“, stotterte er. „Ich meine, ich dachte, du kriegst nur einen Verweis - ich hätte nie erwartet, dass sie dich im St. Mungos schassen! Brute hat mich …“
Den Rest hörte ich nicht mehr, denn ich war schon im Treppenhaus.

***

Nachdem ich mich von meinem Abgang aus dem Felsen hinreichend erholt und meine flatternden Nerven wieder beruhigt habe, klettere ich sehr viel konzentrierter und vorsichtiger weiter. Es ist immer schwierig, neu anzufangen, wenn man gerade eine Sache richtig in den Sand bzw. in den Luftraum einer Felswand gesetzt hat - und das Leben hält leider weder Sicherungsseile noch Rettungsboote bereit.
Als Konsequenz meines unfreiwilligen Ausstieges aus der Wand setze ich die Sicherungshaken jetzt öfter, so dass der Fahrstuhl nur insgesamt achtzehn statt dreißig Fuß in die Tiefe rauschen kann, falls ich mich wieder verkalkuliere.
Endlich habe ich glücklich das Ende der Felsenkletterei erreicht und stehe auf dem schmalen Sims am Fuße der Mauern des gefürchteten Zauberergefängnisses. Die Fugen der hoch aufragenden Festung sind noch schmaler als ich befürchtet hatte, der Stein noch glatter, kälter und abweisender. Hoch oben erkenne ich das gähnende Maul der Felsöffnung, hinter dem mein Freund Lucius nun schon so lange eingekerkert ist.
Ich könnte auch in Askaban weiterhin Sicherungshaken in die Fugen schlagen, habe mich jedoch bereits dagegen entschieden: Zum einen könnten das Metall, dass ich zwischen die Steine treiben muss, Geräusche verursachen und unliebsame Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Zum anderen müsste ich die Haken mitschleppen, und jedes zusätzliche Gewicht kann mich aus der Balance bringen, weshalb ich auch den Rucksack ablegen werde. Ich befestige mein Sicherungsseil daran, so dass ich ihn später zu Lucius Zelle heraufziehen kann. Ich hole die dünnen Kletterschuhe aus dem Rucksack und schnalle den Beutel mit Talkumpuder – das übrigens auch von Turnern benutzt wird, damit die Hände besseren Halt am Gerät finden – am Gürtel fest.
Freiklettern ist purer Spaß, sofern man sich in Absprunghöhe bewegt und die Sonne dir auf den Rücken brennt. Bei Nacht und eisigen Temperaturen jedoch werden die Finger schnell steif und unempfindlich - und das kann ich auf diesem Stück der minimalen Tritte und Griffe gar nicht brauchen. Ich erwärme darum Körper und Hände durch den Genuss von Crabbes Hitzedrops mit Chiligeschmack, die mir erst den Rachen in Flammen setzen wie Skelewachs und dann anschließend in meinen Eingeweiden eine wahre Höllenglut entfachen, die bis in jede Zelle meines Körpers ausstrahlt und meine klammen Finger beweglich hält.
Der erste Drops schüttelt mich wie üblich kräftig durch und verursacht einen Hustenanfall, bei dem ich einen Funkenregen ausspeie, und ich fürchte, aus meinen Ohren quillt ein wenig Rauch – manchmal ist Crabbe eine Spur zu talentiert mit seinen Süßigkeiten.
Ich verknote das Seil, dessen anderes Ende am Rucksack befestigt ist, neben dem Talkumbeutel am Gürtel und mache mich immer noch Funken ausatmend an den letzten und kniffeligsten Teil des Aufstieges. Was auf den ersten Blick unmöglich erscheint, kann sich immer noch zum Guten wenden…

***

Ich schaffte es tatsächlich, meine Mutter in einem anderen Pflegeheim unterzubringen. Allerdings reichte seine Qualität nicht an das St. Mungos heran, doch mir blieb keine Wahl. Leider hatte ich auch nicht mehr die Mittel für so wirksame Behandlungsmethoden gegen die Verschwinditis wie Anti-Ausbleich-Tränke, Frischfarbenflüche oder Kontrastverschärfungsmassagen, so dass sich Mutters Zustand rapide verschlechterte und sie beinahe schon so durchsichtig wurde wie der Blutige Baron, der Hausgeist von Slytherin. In unserer täglichen Partie Koboldstein, mit der wir uns seit ihrer Erkrankung bei meinen Besuchen die Zeit zu vertreiben pflegten, schaffte sie es kaum noch, die Spielsteine selbst zu bewegen, so verblasst war sie. Mutter scherzte tapfer darüber, aber wenn sie sich unbeobachtet glaubte, lag tiefe Traurigkeit und Resignation auf ihren geisterhaften Zügen.
Einmal, als ich bei meiner Arbeit in der Nocturngasse ein Fass Butterbier die Treppe in den Keller hinab schweben ließ, glaubte ich für einen flüchtigen Moment, Lucius hoch aufgeschossene schlanke Gestalt mit dem charakteristischen Schlangenkopfstock in der Hand zu erkennen, wie er vom Eingang von Borgin & Burkes aus zu mir herüber spähte. Als ich das Fass im Keller untergebracht hatte und wieder auf die Gasse trat, um das nächste zu holen, war die Gestalt jedoch verschwunden.
Ich überwies Malfoy die Miete, die ich ihm noch schuldete, sofort am nächsten Tag – Trugbild oder nicht, ich konnte mir keinen weiteren Ärger durch einen aufgebrachten Gläubiger leisten. Toastbrot mit Ketchup ist eigentlich ganz lecker und der Alternative, auf dem Heimweg in der Nocturngasse von den Malfoyschen Geldeintreibetrollen verprügelt zu werden, eindeutig vorzuziehen.
Andromeda musste ich von meinem Rauswurf aus dem Krankenhaus natürlich erzählen, aber Lucius Verrat verschwieg ich. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung bohrte sie nicht nach, denn sie hatte selbst ziemlichen Ärger zu Hause. Ihre Eltern konnten nicht verstehen, dass ein Schlammblut wie Ted Tonks freiwillig auf seine Zauberkräfte verzichteten wollte, um bei den Muggeln einen brotlosen Unsinn wie Astrophysik zu erlernen - und noch weniger verstanden die Blacks, dass eine ihrer Töchter offensichtlich den selben abartigen Drang verspürte. Eigentlich hatte Andromeda „bis sie wieder zu Verstand gekommen sei“ im Turmzimmer Hausarrest, war aber gewitzt genug, sich mit Hilfe einer Hauselfe immer wieder davon zu stehlen und die Nacht mit mir zu verbringen.
Eigentlich lebte ich nur noch für diese wenigen Stunden. Andromedas Zuneigung war für meine Seele ebensolcher Balsam wie die Murtlabessenz, die sie mir mitbrachte, um damit meine aufgesprungenen Hände einzureiben. Ich dachte oft und mit wachsendem Respekt an meinen Muggelvater und seinen steten Kampf, unsere Familie allein mit seiner Hände Arbeit über Wasser zu halten.
Um Geld zu sparen aß ich meist bei der Suppenküche „Sorgenfresser“, die von einer anonymen Gruppe finanziert wurde, über die interessanterweise niemand richtig Bescheid wusste. War mir allerdings auch egal, denn für fünf Knuts gab es ein anständiges Essen, dass von freiwilligen Mitgliedern der „Sorgenfresser“ ausgeteilt wurde, die an ihrer schwarzen Kutte mit silbernem Schlangensymbol an den Manschetten zu erkennen waren.
Hin und wieder setzte sich einer der Mitarbeiter zu den Essenden und begann ein Gespräch, in dem er ihnen Rat und Hilfe bei persönlichen Problemen von der Ehescheidung über die Räumungsklage bis zur Kontopfändung bei Gringotts anbot und die Leute zum Besuch einer ihrer Versammlungen einlud.
Bei mir versuchten sie es auch. Ein Zauberer setzte sich ungefragt auf den Platz neben mir, schob mir eine Visitenkarte zu und erklärte überaus scharfsinnig, er habe den Eindruck, als ob Sorgen mich bedrückten. Er würde mir gerne zuhören, und falls ich Lust hätte, ihm etwas von mir zu erzählen, dann nur zu! Seinesgleichen stehe in bestem Kontakt zu gewissen Personen, die mir bei meinen Problemen …
Ich hielt mit dem Löffel in der Luft schwebend inne. „Wenn ich mich unterhalten will, dann gehe ich zu meinem Friseur!“, knurrte ich abweisend.
Der freiwillige Mitarbeiter schien verwirrt und zupfte nervös mit langen bleichen Spinnenfingern an den Manschetten herum.
„Äh, ich glaube, ich verstehe nicht ganz ...“
Ich legte den Löffel nieder.
„Trage ich etwa meine Haare kurz?“, fragte ich mit beißendem Spott.
Das schien ihn noch mehr zu verwirren.
„Nein, das nicht. Aber …“
Ich war spontan satt – also stand ich auf und ging, ohne mich umzusehen. Seine Visitenkarte ließ ich auf dem Tisch zurück.

Am Morgen der Verhandlung vor dem Zauberergamot war ich furchtbar nervös. Ich zog meine besten Sachen an und kam zehn Minuten zu früh.
Eine meiner ehemaligen Patienten, die ich von ihrer Katzenphobie geheilt hatte – Miss Arabella Figg - saß im Zuschauerraum und winkte mir aufmunternd zu. Ich lächelte verlegen zurück. Dann entdeckte ich, dass auch Lucius Malfoy - elegant, schön und kühl wie eh und je - auf den Zuschauerbänken die Verhandlung verfolgen wollte, und das Lächeln gefror mir auf den Lippen. Ich hatte seinen Sieg und den überaus cleveren Schachzug, mit dem er mir meinen Fehler heimgezahlt hatte, doch bereits anerkannt, und auch die ausstehende Miete war ausgeglichen. Nach meinem Empfinden waren wir quitt miteinander. War Malfoy derartig nachtragend, dass er sich erhoffte, bei einem für mich negativen Urteil seinen Triumph nochmals auskosten zu können?
Wurmschwanz trat gerne nach – ausschließlich dann, wenn seine Freunde Sirius und James mich fertiggemacht und den Spaß am Quälen schon wieder verloren hatten. Sobald sie Peter und mir den Rücken gekehrt hatten und zusammen mit Remus Lupin um die nächste Ecke verschwunden waren, dann ...
Falls Malfoys Motive ähnlich lagen, dann verdiente meine Menschenkenntnis zu Recht die Note „Troll“.
Bozo Brute erschien in Begleitung seines Vaters, seiner Verlobten und drei Anwälten, die beständig um sie herumschwänzelten und mir unverholen abschätzende Blicke zuwarfen. Die Abordnung der Klinikleitung von St. Mungos mit Nathanael Robbespiere und einer weiteren Kohorte von Advokaten erschien kurze Zeit später und gesellte sich zu Brutes Gruppe, wo man einander höchst freundschaftlich begrüßte.
Mir wurde flau im Magen.
Als der Vorsitzende des Zauberergamots erschien, war mir vor Aufregung so übel, dass ich mich sicherlich hätte übergeben müssen, falls es mir am Morgen gelungen wäre, zum Frühstück irgend etwas herunterzuwürgen. Leider ließ sich dieser Zustand noch steigern, denn ich kannte den Richter: es war Albus Dumbledore.
Nachdem wir dem Zauberergamot und seinem Vorsitzenden Respekt gezollt hatten und uns setzen durften, forderte Dumbledore mich auf, meine Beschwerde vorzubringen.
Ich nutzte die Gelegenheit und erläuterte meine Idee zur Heilung der Drachenpocken und die Therapie, die ich daraus entwickelt hatte. Leider seinen meine Aufzeichnungen, die ich mir während der Arbeit an meinem Projekt gemacht hatte, abhanden gekommen. Auf Dumbledores Nachfrage hin erklärte ich, auf welche Weise dies geschehen sein mochte, könne ich mir leider nicht erklären.
Malfoy, der meinen Ausführungen mit dem Gesichtsausdruck einer Merkurstatue folgte, sah ich während meiner Rede nicht ein einziges Mal an.
Nachdem ich sicher war, dass der Vorsitzende des Zauberergamots und die Anwesenden mich verstanden hatten, erklärte ich, dass Bozo Brute wohl ebenfalls in der Lage sein müsse, seine Arbeit zu erläutern. Dann erkläre sich von selbst, wer von wem abgeschrieben habe.
Auf Zeugen, die meine Behauptungen belegen konnten, verzichtete ich.
Ich hatte den Eindruck, Dumbledore hinreichend überzeugt zu haben – schließlich kannte er mich aus meiner Schulzeit in Hogwarts als begabten und fleißigen Schüler, der viel zu sehr auf seine eigenen Fähigkeiten vertraute, um den minderwertigen Gedankenmüll anderer abzuschreiben.
Bozo Brute bot eine weitere grandiose Vorstellung in der Rolle des armen Muggelgeborenen, der sich durch Fleiß und Ehrgeiz an die Spitze arbeiten wollte wie sein Vater, sein großes Vorbild. Er verwies auf seine Recherchearbeit, die unstrittig besser war als meine, und … blablabla.
Ganz ehrlich, Bozo war brillant und absolut überzeugend. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte – ich wäre auf ihn hereingefallen.
Die Zuschauer gerieten ins Schwanken, doch Dumbledore schien anscheinend, im Gegensatz zu allen anderen, noch immer meiner Seite zuzuneigen, als Bozos Anwalt einen Heiler vom St. Mungos aus der Abteilung für Fluchschäden als Zeugen aufrief, nämlich Ishariot Traitor.
Wir kannten einander flüchtig vom Sehen her – er hatte bereits vier uneheliche Kinder mit verschiedenen Frauen und stand im Ruf, zu gerne und zu oft Geld beim Wetten auf die Quiddichmeisterschaft zu setzen. Man munkelte, ein gewisser Ludo Bagman, Treiber bei den Wimborner Wespen, versorge ihn mit Insidertipps. Ich hielt das für bösartiges Gerede, denn der Trottel verlor weitaus häufiger als er gewann.
Ich war verwirrt, denn ich konnte mir nicht erklären, was mein ehemaliger Kollege zur Sache beitragen sollte.
Traitor erklärte, er habe mehrfach Arbeiten für mich angefertigt, die ich dann als die meinen ausgegeben hätte - gegen Bezahlung, versteht sich. Es sei bekannt, dass er finanziell in der Klemme stecke, und ich hätte mir seine Situation kaltblütig zu nutze gemacht, um meine eigene Unfähigkeit ... und so weiter und so fort.
Als er mit seinen Anschuldigungen fertig war, hob Dumbledore die Brauen und sah mich fragend an.
„Stimmt das, Mr. Snape?“
Ich schnaubte verächtlich.
„Selbst wenn ich Geld hätte - Ich würde es bestimmt nicht zum Fenster hinauswerfen, um Arbeiten von diesem ...“ – ich schluckte das Wort, das mir auf der Zunge brannte, gerade noch rechtzeitig herunter, „... Subjekt zu kaufen!“
Brutes Anwalt warf ein, ich sei vor kurzem zu Geld gekommen – ihm lägen Berichte vor, ich hätte mit Spekulationen an der Koboldbörse einen satten Batzen Galeonen verdient.
Widerwillig musste ich diese Tatsache bestätigen – woher stammte diese Information schon wieder? Von Malfoy wahrscheinlich! Ich bemerkte spitz, ob Geld verdienen neuerdings ein Verbrechen sei - ich könne dann nämlich größere Verbrecher als mich benennen.
Zu meiner Genugtuung kroch ein zartes Pink in Malfoys Marmorteint.
Die Anwälte der Gegenseite boten noch drei weitere Zeugen auf, die ähnliches kundtaten, nämlich dass ich entweder durch Erpressung, Bestechung oder Diebstahl an ihre Arbeiten gelangt sei und diese anschließend als meine ausgegeben habe.
Ich bestand darauf, alle Zeugen vereidigen zu lassen – und zu meinem lähmenden Entsetzen beschworen alle ihre Aussagen, wenn auch mit sehr leiser Stimme und mit dem Blick je nach Temperament hasserfüllt oder kriecherisch auf Bozo Brute, Nathanael Robbespiere und ihre Anwälte geheftet.
Dumbledore fragte freundlich, ob ich mich nicht unter der Last dieser erdrĂĽckenden Zeugenaussagen schuldig bekennen und meine Klage zurĂĽckziehen wolle.
Ich verneinte stur. Wenn das Schiff schon untergeht, dann wenigstens mit vollen Segeln.
An diesem Punkt erhob sich Lucius Malfoy, schlug elegant den Umhang über die Schulter zurück und verkündete mit klarer Stimme, er wolle eine Aussage machen, die ein völlig neues Licht auf die Angelegenheit werfen und die Sache ein für alle Mal klären würde. Er allein sei in der Lage zu beweisen, dass ich unschuldig sei!
Ich war wie erstarrt. Malfoy konnte doch nicht im Ernst vor all diesen Leuten bekennen, an den Drachenpocken gelitten zu haben - das wäre ja noch weitaus demütigender als sich in aller Öffentlichkeit nackt auszuziehen! Narcissa würde ihren Verlobten noch heute verlassen, sein Vater ihn enterben, und Lucius berufliche Zukunftsperspektive wiese eine ähnliche Qualität auf wie die meine zur Zeit - kurz gesagt: Mit einer Aussage zu meinen Gunsten wäre Lucius Malfoy ein für alle Mal und unwiderruflich erledigt!
Und das, nachdem ich Malfoy dermaßen niederträchtig behandelt hatte ...
Ich sprang ebenfalls auf.
„Er wird gar nichts aussagen!“, fauchte ich.
Alle Blicke wandten sich ĂĽberrascht mir zu.
„Oh doch, das wird er!“, erklärte Lucius Malfoy so kühl wie knapp.
„Du bist verrückt, Malfoy!“, zischte ich. „Setz dich hin und halt den Mund! Du hast keine Ahnung, was du damit anrichtest!“
Malfoy verzog die Lippen zu einem ironischen Grinsen.
„Natürlich weiß ich das – ich bin ja kein Dummkopf!“ Er drehte sich fragend zum vorsitzenden Richter des Zauberergamots: „Darf ich aussagen, Sir?“
Dumbledore nickte.
Bevor Malfoy den Mund erneut öffnen konnte, fiel ich ihm schon ins Wort und wandte mich meinerseits an Dumbledore.
„Euer Ehren ...“, presste ich zwischen den Zähnen hervor, „... darf ich euch vorher noch sprechen? Unter vier Augen? Bitte, Sir!“
Dumbledore ĂĽberlegte eine Weile und nickte dann.
„In mein Büro, Mr. Snape!“
In Dumbledores Büro bewachte die Statue der blinden Justitia mit Waage und Schwert in den Händen den Eingang. Dumbledore setzte sich hinter dem Schreibtisch in seinen Ledersessel, faltete die eleganten Hände und nickte mir zu, ich solle ihm gegenüber Platz nehmen.
Ich war zu aufgewühlt dazu, sondern wanderte in seinem Büro auf und ab, während ich über mein Experiment an Lucius Malfoy samt ihrer Nebenwirkungen berichtete und ihm darlegte, dass die vorgeschlagene Therapie also nachprüfbar und unstrittig ausschließlich meine eigene Erfindung und zudem auch noch wirksam sei!
Dumbledores Gesicht verfinsterte sich zusehends, und er schwieg sehr lange Zeit, nachdem ich geendet hatte.
„Mr. Snape, sie stehen jetzt vor folgender Alternative.“, erklärte er schließlich. „Entweder lassen sie Mr. Malfoy für sich aussagen, und ich muss sie freisprechen. Allerdings ruinieren sie damit die Zukunft ihres Freundes, das ist ihnen sicherlich bewusst?“
Ich nickte.
„Abgesehen davon wird Anklage wegen Verstoßes gegen die Heilerordnung gegen sie erhoben werden. Sie müssen mit einer Verurteilung rechnen und dürfen dann nicht mehr als Heiler praktizieren. Zusätzlich könnte es sein, dass das Zauberergamot ihnen befristet den Zauberstab abnimmt oder sie sogar für eine Weile nach Askaban schickt!“
Ich schluckte heftig.
„Ich will ihnen nicht verhehlen, Mr. Snape, dass mir eine solche Strafe durchaus angemessen erscheint, denn ich glaube nicht, dass sie die Tragweite ihres Gesetzesbruches tatsächlich einsehen. Ich befürchte im Gegenteil sehr, dass sie sich auch in Zukunft über die Rechte anderer hinwegsetzen werden, sofern ihnen das in den Kram passt! Ihre große Intelligenz und Begabung macht sie nicht etwa erhaben, sondern verpflichtet sie ihren Mitmenschen gegenüber, Severus!“
Ich schwieg betroffen.
„Die zweite Alternative, die ich ihnen anbieten kann ...“, fuhr Dumbledore ungerührt fort, „... ist, dass sie sich schuldig bekennen, von Mr. Brute abgeschrieben zu haben. Er wird dann die Früchte ihrer Arbeit ernten und sie werden eine sehr lange Zeit darum kämpfen müssen, wieder auf den Platz in der Gesellschaft zu gelangen, der ihnen ihrer Meinung nach zusteht. Dafür bietet diese Alternative jedoch den Vorteil, dass Mr. Malfoy sein Geheimnis vor der Zaubererwelt bewahren kann – ich habe den Verdacht, als sei ihnen daran gelegen, das Opfer ihres Rechtsbruches vor weiteren Folgen ihrer Verfehlung zu schützen.“
Mir blieb buchstäblich die Luft weg vor Zorn, und ich brauchte ein Sekunden, bis ich sprechen konnte.
„Das heißt also, entweder schütze ich Malfoy und beiße in den sauren Apfel - oder ich opfere meinen Freund und werde trotzdem gehängt! Als Preis dafür, dass Lucius sich nicht öffentlich zu seiner Krankheit bekennen muss, kommt dieses Schlammblut Brute für seinen Betrug und die gekauften Zeugen ungestraft davon – ja, er darf zum Dank sogar die Lorbeeren meiner Anstrengungen ernten?“
Dumbledore nickte ernst.
„Tut mir leid – aber sie haben sich die Konsequenzen ihres Handelns ausschließlich selbst zuzuschreiben! Hätten sie sich an die Vorschriften gehalten, könnte niemand ihnen die Anerkennung für ihre herausragende und außerordentliche Arbeit stehlen!“
Ich trat vor Dumbledores Schreibtisch, legte die Hände auf die Tischplatte und beugte mich zu ihm, so dass ich ihm in die Augen blicken konnte.
„So kommt also wieder der eigentliche Täter ungestraft davon, aber ich muss den bitteren Preis für meine Vergehen bezahlen – genauso wie Black damals nicht von der Schule geflogen ist und sie mir den Schwur abgepresst haben, über die Ereignisse dieser Nacht Stillschweigen zu bewahren.“
Dumbledores Augen glitzerten.
„Remus Lupin war an der Angelegenheit völlig unschuldig. Sirius Black hingegen sah keinen anderen Ausweg mehr, sie zum Schweigen zu bringen, Severus! Sie haben ihn mit der Drohung, seine Homosexualität in Hogwarts publik zu machen, erpresst. Es war Blacks ureigenste Entscheidung, sich öffentlich zu seinen Gefühlen zu bekennen oder auch nicht, und das wissen sie ganz genau!“
Tatsächlich hatte ich vorgehabt, genau diese Schwäche auszunutzen, damit Black und seine Spießgesellen mich endlich in Ruhe ließen. Jahrelang hatte ich ihnen hinterher spioniert, um endlich ein Druckmittel gegen einen von ihnen in der Hand zu haben und dem Krieg ein Ende zu setzen. Als ich dann endlich erfolgreich war ... machten Sirius Black und Albus Dumbledore mir wiederum einen Strich durch die Rechnung!
„Sie wollen mich ein weiteres Mal an ihre Günstlinge verkaufen – nur diesmal ist es kein Gryffindor, sondern ein Schlammblut!“, fauchte ich heiser. „Ich hasse sie, Dumbledore! Sie sind nichts als ein alter, aufgeblasener Heuchler! Ich hoffe nur, dass ich ihnen ihre Doppelmoral irgendwann einmal heimzahlen kann!
Der alte Mann erbleichte.
„Es tut mir leid, dass sie es so sehen, Severus.“, meint er leise.
Ich drehte mich um und schlug im Hinausgehen der Statue der Justitia den Kopf ab.

Ich bekannte mich schuldig, und Dumbledore verzichtete darauf, Lucius Malfoy zur Sache zu vernehmen, obwohl der verhinderte Zeuge vehement protestierte.
Ich hatte die Kosten des Verfahrens sowie die der Gegenseite zu tragen und durfte mich frĂĽhestens in fĂĽnf Jahren wieder in irgend einem Krankenhaus als Heiler im Praktikum bewerben.
Ich trug eine arrogante Miene zur Schau und schritt aufrecht aus dem Gerichtssaal, während sich hinter mir Bozo Brute, sein Vater, der Klinikdirektor nebst Töchterlein sowie die Anwälte gegenseitig zu ihrem Erfolg gratulierten und einzig Miss Figg ein mitfühlendes Gesicht machte.
Am Ausgang versperrte mir ein Mann in tiefschwarzer Robe den Weg und drĂĽckte mir etwas in die Hand.
„Hier werden sie niemals Gerechtigkeit finden – nur wir können sie ihnen verschaffen!“ sagte er. „Bei uns sind fähige Magier immer willkommen.“
Ich starrte auf die Visitenkarte in meiner Hand.
Sie war in dezenten Grautönen gehalten und zeigte nichts als einen Totenkopf, aus dessen Mund sich drohend eine Schlange wand – das Symbol der gefürchteten Todesser!
„Was soll das?“, fragte ich mit gerunzelter Stirn.
„Ein Tropfen ihres Blutes auf der Karte, und sie wird ihnen eine Adresse zeigen. Mein Meister erwartet sie, Mr. Snape!“
Mit diesen Worten tippe er sich an den Zauberhut und verschwand gleich einem Schatten in der Menge, die aus dem Gerichtssaal strömte.
Ich musterte die Karte und steckte sie schlieĂźlich in die Umhangtasche.

Mutter starb montags; die Trauerfeier fand am darauf folgenden Freitag statt. Andromeda hatte mir per Eule mitgeteilt, sie könne mich vorerst nicht sehen, es gäbe weiteren Ärger zu Hause, und darum standen ich und ein paar Hexen aus dem St. Mungos, die mit meiner Mutter zusammen gearbeitet hatten, allein auf dem Friedhof im strömenden Regen. Da von Eileen Snape geborene Prince nicht einmal sterbliche Überreste zurückgeblieben waren, warfen wir symbolisch eine Blume auf das Grab meines Vaters. Die Hexe von der Rezeption, die mir als Kind immer Süßigkeiten zugesteckt hatte, brachte einen Schokoladenkuchen mit. Die ehemaligen Kolleginnen vertilgten ihn beim anschließenden Leichenschmaus zusammen mit mehreren Kannen dampfendem Tee und Kaffee.
Ich war wie betäubt und würgte nur der alten Dame zuliebe ein winziges Stück Kuchen herunter.

Der nächste Brief der Berufsgenossenschaft knauseriger Kobolde erklärte, ihre Prüfung habe ergeben, meine Mutter habe sich mit Verschwinditis infiziert, als sie dem Patienten die Geldbörse stehlen wollte. Man würde von einer Anzeige absehen, falls Mutter auf ihre Forderung verzichtete ...
Ich ging persönlich zur Berufsgenossenschaft und blies den Sachbearbeiter zu einem so enormen Ballon auf, dass er nach dem Aufstechen eine Woche im St. Mungos zubringen musste, um die Falten wieder wegbügeln zu lassen, die durch die Überdehnung der Haut entstanden waren.
Ich erhielt dafür eine Vorladung vor das Zauberergamot und eine Schadensersatzklage des Sachbearbeiters, die Mutters Forderung an die knauserigen Kobolde exakt ausglich. Mein Zauberstab wurde bis zur Verhandlung eingezogen, denn ich sei bis dahin als gefährlich anzusehen.
Meine beiden Arbeitgeber - der Wirt in der Nocturngasse und Caractacus Burke als Direktor der Doxyzidfabrik - nahmen diese Nachricht nicht gut auf: Sie entlieĂźen mich ohne Umschweif.

An diesem Punkt angekommen kaufte ich mir ein paar Flaschen Feuerwhisky und verbrachte solange im Delirium, wie mein Vorrat reichte.
Anschließend sah ich nicht nur aus wie ein hohläugiges, abgewracktes Gespenst, sondern fühlte ich mich auch keinen Deut besser als zuvor – im Gegenteil.

So ging es also auch nicht weiter. Als ich meine Taschen nach ein paar Geldstücken für eine Zeitung durchsuchte, um wieder die Arbeitsangebote studieren zu können, stieß ich auf die geheimnisvolle graue Karte mit dem Symbol der Todesser … Irgendwie schien mir das Symbol des Totenkopfes und der Schlange um so anziehender, je dreckiger es mir ging.
Nachdem ich meine äußere Erscheinung wieder in Ordnung gebracht hatte und meinen Magen mit dem letzten Rest des inzwischen staubtrockenen Schokoladenkuchens gefüllt hatte, fühlte ich mich nicht mehr wie ein Inferius, und ich sah auch nicht mehr so aus. Ich zog los, um mir den Tagespropheten mit seinen Stellenanzeigen und im Anschluss daran einen neuen Job zu besorgen.
Meine Bewerbung als Sicherheitstroll bei Gringotts scheiterte leider kläglich an meiner mangelnden Körpergröße und Muskelkraft, und so fand ich mich bei diesem Versuch ebenso schnell auf der Straße wieder wie bei meinen Vorstellungsgesprächen als Busfahrer des Fahrenden Ritters (kein Führerschein) oder Bedienung bei Madame Puddifoods („Arbeiten sie an ihrem Gesichtsausdruck, junger Mann! Die Leute sollen sich in meinem Cafe verlieben, nicht zu Tode erschrecken!“).
Nachdem ich mich für den Trollberuf zwar als überqualifiziert aber unfähig betrachten durfte, wurde ich unfreiwillig Zeuge einer unangenehmen Szene: Die Sicherheitstrolle warfen einen sich so entschlossen wie erfolglos zur Wehr setzenden Kunden im hohen Bogen aus der Zaubererbank heraus, klopften sich die Hände ab und scherten sich nicht die Zauberbohne um die hilflosen Beschimpfungen und wirkungslosen Flüche, die der frustrierte verhinderte Kreditnehmer ihnen hinterher schleuderte und die an den dickfelligen Trollen abprallten wie Gummibälle.
Als der Mann sich aufrappelte, erkannte ich ihn: es war Lucius Malfoy, der sich den Staub vom Mantel klopfte und seinen Stock mit dem Schlangenkopf wieder aufhob.
Bevor ich jedoch auch nur einen Schritt auf ihn zugehen konnte, um mich für sein Eintreten für mein Recht vor dem Zauberergamot zu bedanken, löste sich schon ein Zauberer in schwarzer Kutte aus dem Schatten der Häuser, wechselte ein paar kurze Worte mit Lucius, drückte ihm etwas in die Hand und verschwand so schnell und unauffällig, wie er gekommen war.
Ich trat zu Lucius Malfoy, der mit gerunzelter Stirn auf die Visitenkarte in seiner Hand starrte, und fragte: „Eine Einladung der Todesser, stimmt’s?“
Er fuhr hoch, und sein Gesicht verriet tiefe Verlegenheit.
„Oh, Severus … du hast doch nicht etwa …?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Doch, leider schon. Du bist offensichtlich neuerdings nicht mehr kreditwürdig. Mich haben die Kobolde auch so behandelt, wie jeden, mit dem sie keine Geschäfte machen können – also mach dir nichts draus. Vor den Kobolden sind alle Armen gleich.“
Malfoy betrachtete die Karte in seiner Hand mit gerunzelter Stirn.
„Die Todesser. Man hört ja so manches …“
„Vielleicht können sie dir Geld leihen, wer weiß? Wenn du dich verspekuliert hast oder es für dich bei Malfoy, Greedy, Guilty & Scrooge schlecht läuft, könntest du dir mit ihrer Hilfe ein eigenes Handelkontor aufbauen …“
Malfoy sah mich zweifelnd an. „Die Todesser und Geschäftsleute? Kennst du nicht das Lied, dass der Todesserpöbel singt, wenn sie mit ihren Fackeln durch die Straßen ziehen und Muggel jagen? „Jemand hat den Schlammblütern erzählt, sie dürften wählen – und das dürfen sie auch: Crucio an den Hals oder Aveda Kedavra in den Bauch!“ Zauberer, die so was herumgröhlen, sind doch primitiv! Muggel ärgern, meinetwegen, aber dazu singen?!“
„Du willst ja auch nicht ihrem Männergesangverein beitreten …“, stellte ich ironisch fest. „Ich glaube, der Kopf hinter den Todessern - der, den sie den Dunklen Lord nennen - scheint gar nicht so verkehrt zu liegen mit seinen Ansichten. Ich habe auch so eine Visitenkarte bekommen, und ich bin schon fast entschlossen, mir die Sache wenigstens einmal anzusehen. Wenn sonst niemand auf meiner Seite steht – warum sollten ich mich ihnen nicht anschließen? Schließlich habe ich nichts mehr zu verlieren.“ Ich erzählte Lucius vom Tod meiner Mutter und den anderen Missgeschicken, die mich seit unserer letzten Begegnung vor Gericht ereilt hatten. Dann kratzte ich meinen restlichen Mut zusammen und fügte hinzu: „Ich wollte mich noch bei dir bedanken, dass du vor dem Zauberergamot für mich aussagen wolltest. Das war sehr tapfer und großherzig von dir! Ich stehe in deiner Schuld!“
„Nein.“, antwortete Malfoy leise. „Es verhält sich genau anders herum. Ich war nach unserem Streit so wütend auf dich, dass ich in meinem blinden Zorn völlig übers Ziel hinausgeschossen bin! Indem ich mich als Zeuge zur Verfügung stelle, wollte das, was ich dir mit meinem Verrat angetan habe, wieder gutmachen. Außerdem muss dieses verfluchte Versteckspiel vor dem Stigma der Drachenpocken endlich ein Ende finden - es hat schon zu viele Opfer gefordert!“
Ich sog scharf den Atem ein. „Du hast doch nicht etwa trotzdem …?“
Lucius senkte den Blick. „Ich habe meinem Vater von den Drachenpocken erzählt – ich wollte, dass er sich untersuchen lässt, denn ich glaube, ich habe die Krankheit von ihm. Ich habe Vater auch erklärt, wie du mich geheilt hast und dass es jetzt Hoffnung für unsereins geben kann!“
„Und?“, fragte ich mitfühlend, denn ich konnte mir den Rest der Geschichte fast denken.
„Vater hat mich enterbt und ohne einen Knut in der Tasche aus dem Haus geworfen! Ich besitze buchstäblich nur noch das, was ich auf dem Leib trage. Ich suche mir gerade eine neue Arbeit – nicht so einfach, wenn die gegenwärtige Wohnadresse „unter der Londonbridge“ lautet. Ohne Job keine Wohnung, ohne festen Wohnsitz keine Anstellung! Irgendwann einmal wird mir Malfoy Manor gehören, wenigstens dieses Teil des Erbes kann Vater mir als seinem ältesten Sohn nicht vorenthalten – aber bis dahin …“ Er zuckte resigniert die Schultern.
„Was ist mir Narcissa?“, wollte ich vorsichtig wissen. Sie bedeutete meinem Freund viel mehr, als er zugeben wollte.
„Ich habe ihr alles gestanden, und sie hält zu mir! Dafür setzen ihre Eltern sie jetzt allerdings mächtig unter Druck, die Hochzeit abzusagen und sich von mir zu trennen. Eine unserer Hausangestellten hat sicher mal wieder an der Tür gelauscht und anschließend das Gehörte brühwarm an eine Hauselfe der Blacks weitergetratscht. Ich hasse diese kriecherischen, heimtückischen, widerlichen kleinen Biester!“, fügte er hasserfüllt hinzu.
Ich versicherte Malfoy, das mir seine Probleme durchaus vertraut seien und er gerne bei mir schlafen könne – wenigstens bis der Vermieter auch mir den Stuhl vor die Türe setzen würde.
Malfoy nahm mein Friedensangebot erleichtert an.
„An dem Abend, als du mir gebeichtet hast, dass ich beinahe gestorben bin, da war ich so furchtbar wütend auf dich … Ich hasse es, wenn mich jemand austrickst! Eigentlich wollte ich dich ja um Hilfe bitten … - wenn du mich nur hättest ausreden lassen! Ich wollte dir gestehen, dass Bozo Brute mich erpresst hat! Er ist dahinter gekommen, dass ich an den Drachenpocken litt und auf wundersame Weise plötzlich von der „unheilbaren“ Krankheit genesen bin! Brute hat gedroht, meinem Vater und Narcissa und aller Welt sonst davon zu erzählen, wenn ich nicht für ihn deine Unterlagen stehle! Ich war so verzweifelt, Severus – was sollte ich denn tun?!“
Ich schwieg betroffen.
„Das ist eigentlich auch meine Schuld! Ich wusste, dass Brute hinter meiner Arbeit her ist - ich habe ihn sogar vor unserer Tür erwischt, als er den Sicherheitszauber brechen wollte! Wenn ich dich gewarnt hätte, oder, noch viel besser, mich mit der Idee offen an meine vorgesetzten Heiler gewandt hätte, wäre das alles nicht passiert!“, konstatierte ich niedergedrückt. Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.
Malfoy hielt mir die Hand hin.
„Ich denke, wir sind quitt, schwarzer König– Remis also?“
Ich schlug ein. „Einverstanden!“

Endlich gelang es Andromeda, dem familiären Schlachtfeld des gar alten und fürnehmen Hauses Black zu entkommen, der gerade zwei Töchter den Familiengehorsam zu verweigern drohten, und sie besuchte mich in Spinners End. Ich hatte Glück, denn Malfoy war bei „Magic eye protection“, einem Wachdienst, untergekommen und bewachte nun während der Auslandsaufenthalte der Eigentümer deren Villen, so dass ich meine Wohnung wieder für mich allein hatte.
Bisher hatte ich es tunlichst vermieden, meiner Liebsten mein Elternhaus zu zeigen, denn ich schämte mich der heruntergekommenen Wohngegend und meines ärmlichen Zuhauses. Aber da sich mein Zauberstab noch im Gewahrsam der Behörden befand und ich bis zur Verhandlung nirgendwohin apparieren konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als die Tochter aus gutem Hause ...
Andromeda verbarg ihren Schock recht tapfer, und ich war so unglaublich froh über ihr Kommen, dass ich meine Misere ein paar Stunden lang völlig vergaß.
Als sie sich gegen Morgengrauen in meine Armbeuge kuschelte und gedankenverloren eine Strähne meines Haares um den Finger wickelte, erzählte sie, dass sie nur habe entwischen können, weil derzeit Narcissa im Zentrum des familieninternen Aufruhrs stünde und der Haussegen bei den Blacks so was von schief hinge, dass Andromeda es kaum mehr zu Hause aushielt. Entweder würden ihre Eltern bald einlenken, oder die beiden jüngeren Schwestern würden ihr Elternhaus verlassen - mit oder ohne Einverständnis von Mutter und Vater.
Ich brachte meine Liebste ebenfalls auf den neuesten Stand, und Andromeda war entsetzt und beschämt zugleich, dass sie mir nicht einmal bei der Trauerfeier für meine Mutter hatte beistehen können.
„Was willst du jetzt anfangen?“, fragte sie endlich.
Ich fischte die Visitenkarte hervor, die ich in der Nachttischschublade verwahrte und die ich immer mal wieder halb zweifelnd, halb hoffnungsvoll betrachtete.
„Ich will wissen, wer sich dahinter verbirgt!“
Andromeda schlug die Hand vor den Mund.
„Das ist das Symbol der Todesser, Severus!“
Ich nickte grimmig.
„Genau. Ich will Bozo Brute, Direktor Robbespiere, den Vorsitzenden des Zauberergamots und die ganze korrupte Sippschaft fertig machen! Aber allein habe ich keine Chance, ich brauche Verbündete – mächtige Verbündete!“
Andromeda wand sich aus meiner Umarmung und setzte sich ruckartig auf.
„Die Todesser sind Schwarzmagier! Sie sind völlig skrupellos, und ihr Anführer geht über Leichen!“
Ich grinste zynisch. „Meinetwegen – aber soweit muss ich ja nicht gehen. Ich bin klug genug zu bestimmen, wie weit ich mich auf ihr Spiel einlassen will!“
Auf Andromedas Stirn bildete sich eine steile Falte.
„Und wenn du dich irrst und ihr Meister dich für seine finsteren Zwecke benutzt, was dann?“
Ich lachte. „Das schafft er nicht! Ich bin viel zu clever, um nicht von Anfang an zu merken, wenn an einer Sache etwas faul ist!“
„Gut, dann lass die Finger davon!“, forderte Andromeda gereizt. „Der, den sie den Dunklen Lord nennen, ist gefährlich, und du bist ihm nicht gewachsen! Ihm ist jedes Mittel recht, seine Ziele zu erreichen!“
Ich mochte es nicht, bevormundet zu werden, und schon gar nicht von Andromeda.
„Mir ist auch jedes Mittel recht, wenn ich dadurch meine Rache bekomme!“, entgegnete ich heftiger als beabsichtigt. „Ich habe es satt, dauernd den Kürzeren zu ziehen - ich kann und will einfach nicht mehr!“
Andromeda beugte sich zu mir herunter und kĂĽsste mich sanft auf den Mund.
„Dann komm mit mir – wir brennen zusammen durch, heiraten in Gretna Green und leben in der Muggelwelt! Ich studiere Astrophysik, du Medizin ...“
Ich schnaubte verächtlich.
„Dazu braucht man Geld, Andromeda, und das haben wir nicht! Du hast keine Ahnung wie schwer es für einen Muggel ist, eine Familie zu ernähren! Ich will, dass unsere Kinder in einer sicheren, sauberen Wohngegend mit viel Grün drum herum aufwachsen, schöne Kleider tragen und die beste Ausbildung bekommen, die man mit Geld bezahlen kann!“
Andromeda fasste meine Hand.
„Wir werden das gemeinsam schon schaffen – wir lieben uns doch!“
Ich seufzte tief.
„Meine Eltern liebten einander ebenfalls sehr – und trotzdem stritten sie sich ständig! Du hast ja keine Ahnung, was für Dramen sich bei uns zu Hause abgespielt haben! Was meinst du, wie weit die Liebe reicht, wenn der Vermieter droht, uns auf die Straße zu setzen oder wenn unsere Kinder in der Schule ausgelacht und angespuckt werden, weil wir kein Geld für anständige Kleidung haben - du hast doch noch nie Not gelitten!“
„Das ist unfair, Severus.“, meinte Andromeda betroffen. „Du weißt genau, s wir all diese Schwierigkeiten gemeinsam überwinden können! Ich werde dich nicht verlassen, auch wenn das Leben hart werden wird.“
Ich umfasste ihre Hände und zog Andromeda an mich.
„Ich will aber nicht, dass du solch ein Leben führen musst! Ich möchte, dass du auf nichts verzichten musst, was dir gewohnt ist!“
„Das alles ist mir nicht wichtig – nur du bist wichtig!“, antwortete sie und warf stolz ihr langes Haar über die Schulter zurück.
„Glaub mir, an Armut und Hoffnungslosigkeit ist nichts romantisches - wir haben beide keinen Muggelschulabschluss, und ich weiß, wie mein Vater geschuftet hat, um unsere Familie durchzubringen!“
Andromeda stemmte die Hände in die Hüften. „Ich wusste gar nicht, dass du neuerdings ein Feigling bist, Severus Snape! Du klingst schon wie meine Eltern: Heirate einen Reinblüter aus gutem Hause, Andromeda, damit du versorgt bist! - Ich will aber keinen Reinblüter, ich will dich!“
Der Vorwurf der Feigheit machte mich wĂĽtend.
„Ich habe aber keine Lust auf ein Leben als Muggel! Ich will zaubern können - und ich will mein Recht, und zwar jetzt und hier! Aber ich werde meine Rache bekommen, koste es, was es wolle! Ich werde es Brute, dem Schlammblut, schon noch zeigen!“
„Du sollst Muggel nicht so nennen!“, unterbrach mich Andromeda mit funkelnden Augen, „Es gibt sehr, sehr nette Muggel – Ted Tonks zum Beispiel! Der ist höflich, klug, zuvorkommend ...“
„... und sterbenslangweilig ist er auch!“ Die Eifersucht stach mir ihren giftigen Stachel mitten durchs Herz. „Aber bitte, wenn du dich nach einem öden Muggelleben im Dreck sehnst, dann heirate doch Tonks, den Schwächling!“
Andromeda sprang wütend aus dem Bett und griff nach ihrem BH. „Wenn du deine Drohung wahr machst und zu den Todessern gehst, dann heirate ich Ted tatsächlich!“
Ich stand ebenfalls auf.
„Drohung? Meinst du, ich schwatze nur hohle Luft wie Bozo Brute oder dein ach so toller Ted? Ich gehe zu den Todessern, verlass dich drauf!“, versprach ich finster, obwohl ich mir eigentlich noch lange nicht sicher war, ob ich das wirklich wollte.
Andromedas schönes Gesicht verlor alle Farbe. „Das meinst du doch nicht wirklich, Severus! Bitte sag, dass du mich nur ärgern willst!“
„Und ob ich es ernst meine – du kannst Gift drauf nehmen!“, fauchte ich aufgebracht. Die Vorstellung von Andromeda in Ted Tonks Armen ließ eine mörderische Wut in mir aufsteigen …
Andromeda klammerte sich an ihr Hemd, das sie gerade anziehen wollte.
„Du kommst nicht mit mir und wir beginnen zusammen ein neues Leben? Du ziehst deine Rache und diese Verbrecherbande tatsächlich einem Leben mit mir zusammen vor?“ Ihre Stimme zitterte.
Sekundenlang schwankte ich zwischen Sturheit und der Liebe zu Andromeda.
„Ich will alles haben – dich, ein besseres Leben für unsere Kinder und meine Rache!“, beharrte ich.
Andromedas Augen funkelten.
„Du bist ja noch ein viel größerer Träumer als Ted! Wach endlich auf, Severus! Du wirst dich nämlich entscheiden müssen: deine Rache oder ich!“
Ich wurde blass vor Zorn - sie wagte es, mich einen Träumer nennen und mit diesem Schlammblutschwächling zu vergleichen?!
„Wenn du es so willst – dann wähle ich die Rache!“, entgegnete ich eisig.
Andromedas Zorn schien in sich zusammenzufallen wie ein Kartenhaus.
„Ich gebe dir drei Tage Bedenkzeit, Severus – gibst du deine Pläne den Todessern beizutreten bis dahin nicht auf, dann heirate ich Ted!“, flüsterte sie. „Das schwöre ich!“
Ich lachte höhnisch. „Das wagst du nicht – du liebst ihn doch gar nicht!“
Andromeda fuhr in ihre Kleider.
„Ich werde lernen, ihn zu lieben! Besser ein lieber Schluffen wie Ted als ein rachsüchtiges, eiskaltes Todessermonster wie du!“, versetzte sie bitter.
„Dann geh doch!“ Mit ironischem Lächeln hielt ich ihr die Tür auf.

Ich war mir sicher, dass Andromeda schnell einlenken würde, denn ich liebte sie über alle Maßen und wusste, dass sie das gleiche für mich empfand. Meine übereilten Worte taten mir leid. Aber Andromeda hatte mich tief verletzt – wie kam sie nur auf die idiotische Idee, mir mit diesem Schlappschwanz drohen zu wollen! Sie würde es nie wagen, ihn zu heiraten …
Ich wartete die ganze Woche mit brennendem Herzen auf ihre Eule und schaute, sofern ich mich ĂĽberhaupt aus dem Haus wagte, immer als erstes nach, ob ich schon Post bekommen hatte. Doch der Briefkasten blieb so leer wie ich stur.
Während dieser Woche wurde ich vom Zauberergamot zu einer Geldstrafe an den Sachbearbeiter der Koboldberufsgenossenschaft verurteilt und bekam meinen Zauberstab auf Bewährung zurück.
Zehn Tage nach unserem Streit schlug ich den Tagespropheten auf, und die Kimmekorns Klatschspalte verkündete marktschreierisch das Gerücht, die Schwestern Narcissa und Andromeda Black seinen von zu Hause durchgebrannt. Andromeda habe nach ihrer Flucht Knall auf Fall in Gretna Green den muggelstämmigen Ted Tonks geheiratet, der Aufenthalt von Narcissa sei hingegen unbekannt. Zum Beweis zeigte das Foto einen selig strahlenden Ted, der meine Andromeda in seinen Armen zärtlich anhimmelte, während sie trotzig und voller Zorn in die Kamera starrte und wild ihr Haar schüttelte.

Ich kramte die Visitenkarte wieder aus der Nachttischschublade hervor, ritzte mir mit dem Rasiermesser meines Vaters in die Hand und tropfte mein Blut auf das Symbol von Schlange und Totenkopf. Eine Adresse erschien, und ich machte mich unverzüglich und mit einem siedenden Gebräu aus Eifersucht, Enttäuschung und hilflosem Zorn auf den Weg zu den Todessern.

Das Haus an der angegebenen Adresse schien verfallen und verlassen, und seine Fenster starrten bedrohlich wie die leeren Augenhöhlen eines Schädels auf mich herab. Mich fröstelte, und ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich das hier wirklich wollte. Wenn ich zu Andromeda gehen und sie um Verzeihung bitten ...
„Sie kommen spät, Mr. Snape!“, sagte ein Mann und trat aus dem Schatten.

***

Die Kletterei an den Mauern von Askaban ist überstanden – eine letzte Kraftanstrengung, ein Klimmzug an den Fingerspitzen - und ich stehe Lucius Malfoy, meinem alten Freund, seit langer Zeit endlich wieder gegenüber!
Er wendet sich um, und ich erschrecke zutiefst. Sein langes, glänzendes Blondhaar ist von weißen Strähnen durchwirkt und schimmert silbern und entrückt im Sternenglanz. Die kalten eisblauen Augen lauern tief in den Höhlen, und die Schatten darunter sind beinahe schwarz. Er sieht müde aus.
„Du kommst spät, Severus!“, sagt er leise.
Morituri te salutant.


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