von Schokofröschle
Remus war nie meiner Meinung und genau das war es, was mich so wĂŒtend machte. Er stellte meine Entscheidungen, meine Vorhaben und sogar meine Gedanken in Frage und versuchte mich mit aller macht von seinen eigenen Ansichten zu ĂŒberzeugen. So wie jetzt. Schon wieder. Wir hatten uns schon oft gestritten, seit ich wieder hier war. Doch diesmal war es anders. Denn ich wĂŒrde in keinem Fall nachgeben und das bedeutete, dass wir uns im Streit trennen wĂŒrden.
âDu kannst nicht gehen. Nein, du darfst nicht gehen!â Seine Stimme bebte, ich hatte ihn selten so wĂŒtend gesehen. Normalerweise war er der ruhige.
âWas heiĂt das, ich darf nicht? Willst du mir vorschreiben was ich zu tun habe?â, schrie ich ihm entgegen. Zum GlĂŒck war es sehr frĂŒh am Morgen und niemand stand in unsere NĂ€he, sodass unseren Streit niemand mitbekam, auĂer wir selbst. Wir standen auf dem Londoner Bahnhof, weswegen die Tatsache dieser Menschenleere vielleicht doch etwas seltsam war, aber es kĂŒmmerte mich nicht.
Er sagte nichts, er schnaubte nur verÀchtlich.
âWas, Remus?â, sagte ich diesmal ruhiger, aber immer noch nicht freundlich.
âIch kann es nicht verstehen, wie du zu ihm zurĂŒck willst. Das hier ist dein zuhause, das war es 7 Jahre lang, die HĂ€lfte deiner Kindheit! Deine ganzen Erinnerungen sind gröĂtenteils von Hogwarts, nicht von irgendwelchen StĂ€dten in einem anderen Land!â
Ich verstand sein Problem nicht. Was war so schlimm daran, dass ich mich in den nĂ€chsten Zug setzten wollte, um zurĂŒck zu fahren, dorthin, von wo ich hergekommen war. Mir war es klar gewesen, dass ich frĂŒher oder spĂ€ter zurĂŒck musste. Und jetzt war, fand ich, ein guter Zeitpunkt dafĂŒr.
âDu verstehst nicht, warum ich zurĂŒck will? Remus, ich bin schon zu lange hier gewesen, wie soll ich ihm das erklĂ€ren?â
Ich hatte ihn noch nicht erwĂ€hnt, dass war mir klar geworden, nachdem ich Remus gestern auf der Parkbank vor dem idyllischen Bild erzĂ€hlt hatte, dass ich zurĂŒck fahren wollte. Ăber die Verhandlung hatten wir kein Wort verloren, bis jetzt nicht und ich glaubte auch, dass das nicht mehr der Fall sein wĂŒrde.
Ich verstand nicht, warum Remus so aufgebracht war und zwei Meter von mir entfernt stand und mich versuchte davon abzuhalten. Es war meine Entscheidung und mein Leben, immer noch. Ich hatte von Anfang an nicht vorgehabt immer hier zu bleiben, es war die ganze Zeit nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich wieder zurĂŒck zu meinem Freund fuhr, zu meiner Familie und meinen Freunden. Meinen Muggelfreunden. Ich fĂŒrchtete, ich hatte mich nicht geĂ€ndert, ich war immer noch wie damals, als ich einfach abgehauen bin, die anderen vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Und das Gleiche machte ich jetzt mit Remus. Nur diesmal war es irgendwie noch schlimmer. Er machte es mir schwer, wenn er mich einfach gehen lassen wĂŒrde, dann wĂ€re es so viel leichter. Doch er schob mir immer wieder den gleichen Gedanken in meinen Kopf: Dass es falsch war, jetzt zu gehen. Oder nein, er vermittelte mir vielmehr das GefĂŒhl, dass es ĂŒberhaupt falsch war zu gehen. Seiner Meinung nach durfte ich ĂŒberhaupt nicht gehen und ich verstand nicht, warum. Vielleicht verstand aber auch er meine GrĂŒnde nicht. Doch was machte da ĂŒberhaupt noch fĂŒr einen Unterschied? Ich wusste, dass ich Remus mit meinem letzten Satz getroffen hatte, sein Blick verĂ€nderte sich von jetzt auf nachher. Ich konnte nicht erkennen was es war, er versteckte es zu gut hinter seiner Fassade.
âZu ihm, ach soâ, mehr sagte er nicht. Es klang auch nicht so, als wĂŒrde er es ironisch meinen, er sagte es einfach so daher, als wĂ€re es nichts. Leere Worte und das waren sie auch. Sie hatten keine Aussagekraft, es waren FĂŒllwörter, einfach um irgendetwas gesagt zu haben.
âRemus?â, fragte ich ihn vorsichtig. Ich verstand seine plötzliche Stille zwar nicht, da er noch vor Sekunden so aufgebracht gewesen war, doch ich wollte ihn auf keinen Fall reizen. Es wĂŒrde einfacher sein zu gehen, wenn er so ruhig war.
âDu vergisst mich doch nicht, oder?â, denn plötzlich hatte ich Angst, dass dies ein Abschied fĂŒr immer war. Sein Gesicht war unergrĂŒndlich, es war das erste Mal, dass ich nichts daraus schlieĂen konnte. Und sein Blick war starr, fast kalt.
âWie, Julie? Wie? Wie sollte ich das jemals schaffen?â, sagte er, leise, fast zu leise, dann kam ein mĂŒdes LĂ€cheln ĂŒber seine Lippen. Er drehte sich um und ging davon. Vier Schritte, fĂŒnf Schritte, sechs Schritte. Zehn Schritte, elf, zwölf. Er ging einfach davon. Ich konnte es nicht fassen, dass er einfach so ging. Ohne irgendein Wort zu sagen. Ich hatte nie einen solchen Abschied gewollt.
Als der Zug endlich auf dem Gleis einrollte, war er schon lange um die Ecke verschwunden. Er hatte sich nicht mehr umgedreht. Nur ich hatte da gestanden, mitten auf dem Bahnsteig und ihm hinterher gesehen, fassungslos ĂŒber seinen Abschied.
Doch jetzt hatte ich es hinter mir gelassen. Das war es worĂŒber ich mir Gedanken machte, wĂ€hrend ich zurĂŒck fuhr und BĂ€ume und Wege, Seen und Berge an mir vorbei rauschen sah. Das, was ich aus dem Fenster meines Zugabteils sah, war das, was ich fĂŒhlte. Alles rauschte verschwommen an mir vorbei und ich nahm nichts davon wirklich wahr. Ich reichte dem Schaffner wie in Trance meine Fahrkarte und steckte sie ebenso wieder ein, ohne wirklich etwas mitzubekommen. Ich verstand das alles im Moment nicht mehr, alles, was passiert war. Die Zeit, die vergangen war, war an mir vorbei gerannt, ohne, dass ich wirklich sagen konnte, wie ich sie verbracht hatte. Erinnerungen and die letzten Tagen stiegen in meinen Kopf, als wĂ€ren sie Ă€lter und brannten sich dort ein. Sie hinterlieĂen einen seltsamen Schmerz in meiner Brust, den ich nicht einmal versuchte zu unterdrĂŒcken. Jetzt betrachtet, war das vielleicht alles schon ein Abschied gewesen. Die Tage waren so schön gewesen und hatten mir Hoffnung gemacht. Doch jetzt stellte ich mir vor, dass es nur so gut harmoniert hatte, weil jeder von uns insgeheim das letzte wirkliche Treffen zu einem schönen, unvergesslichen machen wollte.
Doch das war nur eine Vorstellung, mehr nicht. Eigentlich wusste ich, dass es etwas anderes war, das ihn zu dieser Art von Abschied gezwungen hatte. Es war- wieder einmal- ich. Ich hatte ihn schon wieder verletzt. Ich hatte ihn getroffen, so sehr, dass er sich zurĂŒckgezogen hatte, in sich selbst. Eigentlich wĂ€re jetzt der Zeitpunkt gekommen, ihm einen Brief zu schicken, in dem ich ihm alles erklĂ€rte, doch ich griff nicht nach dem Papier und der Tinte in meinem Rucksack. Mich entschuldigen fĂŒr etwas, das fĂŒr mich das Beste zu sein schien, aber doch andere gleichzeitig verletzte, war noch nie meine StĂ€rke. Und vielleicht war es das, was mich fĂŒr einige so unsympathisch machte.
âDie Sonne schien hell ĂŒber den See und lieĂ seine OberflĂ€che glitzern. Die Pflanzen und das Gras um den See herum waren gewachsen und nun mindestens einen halben Meter hoch. Und irgendwo da lagen wir. Wir hatten einen kleinen Kreis aus Pflanzen niedergetrampelt, damit wir uns zwischen die Halme ins Gras legen konnten. Im Schatten eines alten groĂen Baumes und trotzdem reichten ein paar warme Sonnenstrahlen zu uns. Lily lachte, wĂ€hrend James eine ihrer HaarstrĂ€hnen um seinen Finger wickelte. Sie waren endlich zusammen. Endlich, das war die Auffassung von Sirius, Remus und mir. Und natĂŒrlich Jamesâ. Doch Remus blieb wie immer sehr zurĂŒckhaltend, was dieses Thema anging. Vielleicht lag es daran, dass es hier um Liebe ging. Ich hatte ihn noch nie darĂŒber reden hören. WĂ€hrend ich ihn ansah dachte ich darĂŒber nach, doch dann sah er zu mir und ich drehte mich auf den RĂŒcken. Meine Augen trafen auf den strahlend blauen Himmel. Es war schon komisch, dass ich, die ich so laut war im Vergleich zu Remus, mich ausgerechnet mit ihm am besten verstand. Aber es war natĂŒrlich auch komisch, dass ich, die ich fast nie meinen Mund halten konnte, so gut verstand, warum er so gerne schwieg. Vielleicht wĂŒrde er sic auch ganz anders verhalten, wĂ€re er kein Werwolf.
âHey, Julie? ZurĂŒck auf der Erde?â, Sirius fuchtelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und Lily und James lachten, nur Remus nicht. Normalerweise hĂ€tte er auch gelacht, doch heute tat er es nicht. Ich richtete mich wieder auf und stĂŒtzte mich mit meiner rechten Hand im Gras ab.
âJa, denkâ schon. Worum gingâs?â, entgegnete ich ihm, jetzt selber grinsend.
âSirius will dich verkuppeln-â
âUnd Moony natĂŒrlich auch, der braucht auch mal langsam âne FreundinâŠâ, sagte Sirius und sah Remus herausfordernd an.
âSirius, lassâ das. Du weiĂt genau, dass das nicht geht!â
âAchso und warum nicht? Hat der Werwolf Angst, dass er zu schwach ist?â, sagte James und brach mit Sirius in GelĂ€chter aus. Die beiden ernteten böse Blicke von mir und Lily, doch das war es auch schon. Remus grinste selber.
âIch suchâ dir schon âne tolle aus, ich hab da so meine Verbindungen-â
âBrauchst du nicht, Tatze. Moony hat sich schon selbst jemanden ausgesuchtâ, kam es grinsend von James. Jetzt grinsten auch Lily und ich.
âNa dann, wer ist es denn, Remus?â, fragte Lily ihn.
Es war mir unangenehm, dass sie fragte, nicht, weil ich es nicht gut fand, dass Lily fragte, sondern einfach, weil ich spĂŒrte, wie unangenehm es ihm war.
âWo ist eigentlich Peter?â, fragte ich in die Runde, damit ich vom Thema ablenkte.
âDer sitzt bei McGonagall nach. Fragâ mich nicht warum, ich weiĂ es nicht mehr.â
âHey, du lenkst vom Thema ab! Also, wie soll ihr Traummann aussehen, Ms. Summer? GroĂ und muskulös oder doch eher klein und rundlich? Oder wĂ€re ihnen das egal?â
Ich musste lachen, wie ich immer lachen musste, wenn Sirius den Moderator spielte.
âDu brauchst ihr keinen mehr zu suchen, Siriusâ, kam es von Lily und sie unterbrach damit unser GelĂ€chter. Plötzlich waren alle still. James, Sirius, Remus und auch ich. Ich hatte sie gebeten, nichts zu sagen, ich wollte nicht, dass die Jungs etwas von ihm erfuhren, jetzt noch nicht. Doch alle drei blickten mich fragend an.
âAliter Beatus aus Rawenclaw. Die beiden kennen sich aus dem Arithmantik-Unterrichtâ, erklĂ€rte Lily schlieĂlich, nachdem ich nichts sagte.
Vielleicht war es besser so, wenn sie es wussten. Denn nachdem Lily gesagt hatte, wer es war, sprachen sie nicht mehr darĂŒber. Sie grinsten sich kurz an, Jemas und Sirius aber dann lenkten sie das Thema schon wieder auf Remus, jetzt, da sie alles von mir zu diesem Thema wussten.
âIch will nicht; ich weiĂ, dass das nie klappen wird, okay? Da ist es doch unwichtig, wer sie ist, oder?â
âOh doch, es ist wichtig, Moony. Ansonsten fragâ ich James, der sagtâs mir eh. Und frĂŒher oder spĂ€ter wirst du sowieso zu mir kommen und darum bitten, dass ich euch zusammen bringe, alsoâŠ?â
Remus seufzte schwer, legte sein Buch weg, dass er eben erst aufgeschlagen hatte, als wĂ€re das Thema beendet, doch das war es nicht, nicht fĂŒr Sirius. Ich sah zu James und Lily, weil ich weder Remus noch Sirius angucken wollte, wĂ€hrend sie ihre kleine Unterhaltung fĂŒhrten, doch James und Lily kĂŒssten sich gerade und auch dort wollte ich nicht hinsehen.
Die Sonne stand immer noch so hoch wie vorher, obwohl es mittlerweile fast halb fĂŒnf war.
âIch werde nicht zu dir kommen und dich um irgendwas bitten. Ich werde mich nicht in eine Beziehung einmischenâŠâ, dann sah er mich an und sprach weiter, offenbar hörte er sich selber nicht richtig oder er sagte es mehr in Gedanken, ââŠund schon gar nicht in die von Aliter.â Mein Kopf schnellte in seine Richtung. Lily und James lösten sich abrupt voneinander und Sirius fiel die Kinnlade runter. Dann realisierte Remus offenbar, was er gerade eben preis gegeben hatte, stand auf und lief weg. Ich saĂ weiter da, sah ihm hinterher, wie er zurĂŒck zum Schloss rannte."
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Kommis? ;)
Und natĂŒrlich FROHE WEIHNACHTEN (auch an die, die keine Kommis dalassen)
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