von Dr. S
Er lieferte Sirius hier wirklich gerade die perfekte Vorlage um vorbeizukommen und sich mit von Pathos durchtrĂ€nkten SĂ€tzen zu entschuldigen. An seinem Löffel herumlutschend schaute James zur TĂŒr der KĂŒche, hoffend, dass Sirius endlich kommen wĂŒrde, wenn er es sich nur stark genug wĂŒnschte, immerhin hatte er hier genug Schokopudding fĂŒr sie beide.
James schĂŒttelte verwirrt den Kopf, als er sich die braune Masse in der Schale anschaute. Er war nicht unbedingt ein Fan von Schokopudding, aber irgendwie hatte er gerade das unstillbare BedĂŒrfnis riesige Menge davon in sich hineinzuschaufeln. Er wĂŒrde ihn deswegen ja auch fĂŒrchterlich gerne mit Sirius teilen, auch wenn der absolut grĂ€sslich zu ihm gewesen war. Vielleicht schnappte er sich gleich noch eine groĂe Portion und nahm sie mit nach oben, wenn Sirius zu dĂ€mlich war auf die sehr offensichtlich aufgefaltete Karte des Rumtreibers mit der ĂŒberaus offensichtlich aufgeklebten roten Pfeil zu schauen. Manchmal merkte Sirius ja wirklich gar nicht, was um ihn herum abging.
Es war einfach nur Verrat, dass Sirius behauptete, sie wĂ€ren beste Freunde, und ihm dann eigentlich gar nichts ĂŒber sich erzĂ€hlte. Kannte er Sirius Black eigentlich, oder glaubte er das nur? Lily band ihm sicher nicht irgendeinen Unsinn auf die Nase, dazu hatte sie gar keinen Grund, aber Sirius hatte genauso wenig einen Grund ihm etwas zu verschweigen. James wusste nicht mehr, was er glauben sollte, vor allem jetzt, wo sich in seinem Kopf nicht mehr nur ein Strudel aus Wut befand.
Vielleicht hatte er auch ein kleines bisschen ĂŒberreagiert. Wenn er ein paar Minuten gewartet hĂ€tte, dann wĂ€re er in der Lage gewesen das sicherlich ganz vernĂŒnftig mit Sirius zu klĂ€ren. Es war vollkommen unnötig sich wegen so etwas zu streiten. Sich mit Sirius zu streiten war komplett sinnlos und es war zu selten passiert, als dass James wissen wĂŒrde, wie er mit der Situation umgehen könnte â weshalb er höchstwahrscheinlich Schokopudding in sich hineinstopfte.
Seufzend schaute James erneut ĂŒber die Schulter und glaubte tatsĂ€chlich fĂŒr einen Moment, Sirius wĂŒrde im TĂŒrrahmen stehen und ihn stur anstarren, aber nach einem Blinzeln erkannte er Regulus Black, der die Hand hob und sich leicht rĂ€usperte.
âEs ist bald Ausgangssperre. Du solltest zurĂŒck in deinen Gemeinschaftsraum gehen, Potterâ, sagte er, worauf Jamesâ Augen zu dem silbernen VertrauensschĂŒlerabzeichen auf Regulusâ Brust wanderten, bevor sie sich wieder auf Regulusâ ausdrucksloses Gesicht fixierten. Ein paar rote Flecken bildeten sich auf der blassen Haut, je lĂ€nger Siriusâ Bruder seinem Blick ausgesetzt war. Wenn er das lange genug tun wĂŒrde, dann musste Regulus frĂŒher oder spĂ€ter verschwinden und ihn wieder alleine seinen Schokopudding verdrĂŒcken lassen, wĂ€hrend er darauf hoffte, dass Sirius sich nicht oben einen schönen Abend mit Remus und Peter machte.
âDu kannst den Pudding mitnehmen, aber in fĂŒnf Minuten muss ich dir Punkte abziehen oder eine Strafarbeit gebenâ, ratterte Regulus herunter und deutete mit dem Kinn auf die TĂŒr.
James drehte Regulus stumm den RĂŒcken zu und verschrĂ€nkte die Arme auf dem Tisch. Er hatte so oft mit Sirius eine Strafarbeit dafĂŒr bekommen, dass man nicht nachts die KĂŒche plĂŒnderte, aber noch nie alleine. Es gefiel ihm nicht, dass er so ein erstes Mal ohne Sirius erleben musste, aber wenigstens hatte er einen Black in der NĂ€he. Das war ja irgendwie auch Sirius, nur ein paar andere Zellen, oder so etwas in der Art.
âPotter, hast du mich gehört?â Die nĂ€herkommenden Schritte ignorierte James einfach, aber den nĂ€chsten Satz konnte er schlecht einfach ausblenden: âBist du deprimiert, weil du dich mit meinem Bruder gestritten hast?â
âWas?â James fuhr herum und musterte Regulus so eingehend, dass der jetzt anlief, wie ein Thermometer bei Höchsttemperaturen. âHat er mit dir darĂŒber geredet?â
Regulus schĂŒttelte den Kopf, aber es brauchte noch einen sehr intensiven Blick von James, damit er schlieĂlich genauer erlĂ€uterte, wo er das jetzt wieder aufgeschnappt hatte. âSeverus Snape hat sich darĂŒber im Gemeinschaftsraum mit Evan Rosier unterhalten. Ich weiĂ nicht mehr, was genau sie gesagt habenâ, fĂŒgte er schnell hinzu, als James fragend den Mund öffnete.
Seufzend wandte er sich wieder ab, starrte auf seinen Pudding an und schob eine Schale neben sich, Regulus sehr offensichtlich dazu einladend sich neben ihn zu setzen. Trotzdem dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis Siriusâ Bruder sich Ă€uĂerst steif auf den Stuhl neben James setzte und die HĂ€nde in seinem SchoĂ faltete. Den Pudding rĂŒhrte er nicht an, was entweder daran liegen konnte, dass er James nicht ĂŒber den Weg traute, oder weil James ihm keinen Löffel gegeben hatte.
âDas Ă€ndert nichts daran, dass die Ausgangssperre ââ James stopfte Regulusâ Mund kurzerhand, indem er ihm seinen Löffel hineinsteckte. Sollte der doch daran rumlutschen. James wĂŒrde sich einmal genau anschauen, was Sirius daran so aufgeregt hatte. Allerdings war Regulus wohl nicht in der Stimmung um an irgendetwas herumzulutschen, zog den Löffel mĂŒrrisch wieder aus seinem Mund und tauchte ihn in Jamesâ Pudding.
âSirius und du kriegt euch doch sicherlich wieder ein. Es besteht absolut kein Grund sich hier einzunisten, Potter. Ich wĂŒrdeâŠâ Regulus stoppte ganz artig und wohlerzogen, wie er war, als James eine Hand hob. Mit der anderen fĂŒhrte er den Löffel zum Mund und schaute Regulus erwartungsvoll an, der leicht zurĂŒckwich, als erwarte er, dass James ihn mit Schokopudding bewarf.
âSag mir mal, was daran so aufwĂŒhlend ist, wenn ich einen Löffel im Mund habeâ, sagte James und schob sich das Metall zwischen die Lippen, wĂ€hrend Regulusâ Augen verwundert eine ĂŒbermenschliche GröĂe annahmen.
âBi-Bitte was?â Regulus schĂŒttelte den Kopf und schaute auf seine Uhr, demonstrierte sie James, damit er merkte, dass sie schon eine ganze Minute ĂŒber der Ausgangssperre waren, aber James winkte einfach ab, worauf Regulus tatsĂ€chlich nervös auf seinem Stuhl herumrutschte, bis James auf seinen Mund deutete. Unsicher beobachtete Regulus James einen Moment, bevor er errötend den Kopf zur Seite drehte und so hart schluckte, dass James es tatsĂ€chlich hören konnte.
âUnd?â, fragte er, den Löffel wieder weglegend. âWas hat dich jetzt schlucken lassen?â
Regulusâ Mundwinkel zuckten, aber er schien ganz und gar nicht amĂŒsiert zu sein, sondern knotete ununterbrochen seinen Umhang und schien sich auf nichts wirklich lange fokussieren zu können.
âIch nehmâs dir nicht ĂŒbel oder erzĂ€hlâs deinen Slytherin-Freunden, wenn du mich total heiĂ findest â das ist immerhin eine Tatsacheâ, sagte James und setzte ein Ă€uĂerst arrogantes Grinsen auf, das Regulus die Augenbrauen heben lieĂ, da er anscheinend anderer Meinung war. âBehaupte gar nicht erst das Gegenteil, nachdem du die Farbe einer verfluchten Tomate angenommen hast, nur weil du mich beobachten durftest.â
âDu hast mich gezwungen, Potter. AuĂerdem zögerst du deine Strafarbeit nur herausâ, sagte Regulus und tippte hörbar gegen seine Uhr.
Die Augen verdrehend wollte James noch einen Löffel Pudding essen, aber mitten auf dem Weg fĂŒhrte er den Löffel lieber zu Regulus und wackelte verheiĂungsvoll mit den Augenbrauen. AmĂŒsiert beobachtete er, wie Regulus dem Löffel auszuweichen versuchte, der ihm den verfĂŒhrerischen Genuss von Schokolade nĂ€herbringen wollte, aber noch konnte er der Versuchung widerstehen.
âLass das, Potter.â Regulus verzog die Mundwinkel und ballte die HĂ€nde in seinem SchoĂ zu FĂ€usten, als James ihn natĂŒrlich nicht in Ruhe lieĂ. Slytherins Ă€rgern hatte ihn schon immer wunderbar von allen Sorgen ablenken können â vor allem, wenn sie sich dabei zu niedlich herauszuwinden versuchten, wie Regulus.
James stoppte. Der Löffel nur wenige Millimeter von Regulusâ Mund entfernt. Hatte er Siriusâ Bruder gerade niedlich gefunden? Gut, es war eine Tatsache, dass dieses Verhalten irgendwie niedlich war, aber wirklich schlimm war die Tatsache, dass es unglaublich schwul war, so etwas zu denken. James war nicht schwul, nur weil er so getan hatte und dann ansatzweise Gefallen daran gefunden hatte, MĂ€nnerlippen zu kĂŒssen.
âJetzt stell dich nicht so an, Blackâ, schnaubte James schlieĂlich und schob den Löffel in Regulusâ Mund und murrte auf, als Regulus den Kopf zur Seite drehen musste, wodurch seine ganze linke Wange mit Schokolade beschmiert wurde. âTollpatschâŠâ James streckte die Hand aus und wischte relativ grob ĂŒber Regulusâ Wange, worauf der Slytherin noch weitaus nervöser auf seinem Stuhl herumrutschte. âJetzt gib mir meine Strafarbeit und dann verschwinde.â James fischte ein Taschentuch aus seinem Umhang und umfasste Regulusâ Kinn, damit er die Schokolade besser entfernen konnte.
âVertrag dich mit meinem Bruderâ, sagte Regulus, was James verwirrt die Stirn runzeln lieĂ.
âIch wollte nur meine Strafarbeit und nicht irgendeinen dĂ€mlichen Befehlâ, erwiderte er, wĂ€hrend er realisierte, dass er wohl etwas zu fest ĂŒber die weiche Wange rieb, weil die blasse Haut merklich gerötet war, als er sie von der Schokolade befreit hatte.
âDas ist deine StrafarbeitâŠâ Regulus senkte das Kinn leicht, aber James hob es gleich wieder an. âAber wenn du Sirius das erzĂ€hlst, dann werde ich nie wieder zulassen, dass du gemein zu ihm bist, weil ich dir vorher den Todesfluch auf den Hals hetze.â
James hĂ€tte sich ja gerne lustig gemacht, aber es war wieder einmal nur niedlich, dass der kleine Bruder versuchte den groĂen zu beschĂŒtzen. Wenn er Sirius das sagen wĂŒrde, dann wĂ€re der ganz schnell gekrĂ€nkt, weil sein Stolz sich in dem Bruchteil einer Sekunde aus dem Fenster geworfen hĂ€tte. Aber Regulus schien wohl einfach nicht zu wissen, dass James nicht gemein zu Sirius gewesen war, sondern umgekehrt. Sirius hatte ihn eiskalt hintergangen, indem er ihm nie erzĂ€hlt hatte, was in seinem Leben gerade passierte. Er sagte ihm nicht, warum er wirklich von zu Hause abhaute, sagte ihm nicht, dass er eine mĂ€nnliche Schlampe war und natĂŒrlich brachte er es nicht ĂŒber die Lippen, dass er tiefergehende GefĂŒhle fĂŒr seinen besten Freund hatte. James war durchaus bereit das alles zu verzeihen, aber was sollte er denn mehr tun, als Sirius Hinweise hinzulegen, damit er angekrochen kommen und um Vergebung betteln konnte.
âDas ist sĂŒĂ von dir, aberâŠâ Angesichts der Drohung mit dem Todesfluch schien Regulus zurecht verwirrt ĂŒber Jamesâ Kommentar, aber nicht so verwirrt wie James darĂŒber, dass er Regulus jetzt auch noch gesagt hatte, dass er sĂŒĂ war. War es zu spĂ€t um seine HeterosexualitĂ€t zu retten? Hatte er die letzte Chance auf HĂ€ndchenhalten mit Lily Evans verspielt, weil er sich lieber mit seinem besten Freund in einem Bett herumrollte? Hatte er eigentlich jemals genauer darĂŒber nachgedacht, mehr mit Lily Evans zu tun, als nur ihre Hand zu halten und dabei ihre unbeschreibliche Schönheit zu bewundern?
âKönntest du die Hand von meiner Wange nehmen, wĂ€hrend du mir sagst, wie⊠âsĂŒĂâ ich sei?â Regulusâ Augen hatten sich auf Jamesâ Hand fixiert, die mitsamt Taschentuch noch immer ĂŒber seine Wange wischte, obwohl keine Schokolade mehr zu sehen war. âDanke.â Als James nichts tat griff Regulus sein Handgelenk und schob ihn weg, wollte sich gerade umdrehen, als James sein Gesicht mit beiden HĂ€nden umfasste.
âTust du mir einen Gefallen?â Im Kontrast zu Regulusâ groĂen Augen hatte James seine zu schmalen Schlitzen verengt. Stumm schĂŒttelte Regulus den Kopf, was James aber nur die Augen verdrehen lieĂ. âJetzt stell dich nicht so an. Es ist fĂŒr deinen Bruder.â Damit kriegte man Regulus anscheinend immer noch, auch wenn er sich sichtlich unwohl fĂŒhlte, als er mit den Schultern zuckte und den Blick abwandte.
âWenn du mir etwas schuldig sein willstâŠâ Regulus setzte fĂŒr einen kurzen Moment diesen berechnenden Slytherin-Blick auf, den James aber sofort wegwischte, als er Regulus hastig nĂ€her zog, sodass der fast vom Stuhl fiel. âWasâŠâ
âDu kĂŒsst mich. Oder ich kĂŒsse dich. Irgendwie sowasâ, sagte James und nickte entschlossen, wĂ€hrend Regulus vollkommen zu erstarren schien, weil er damit wohl absolut nicht gerechnet hatte. âIch muss herausfinden, ob ich es generell mag Kerle zu kĂŒssen und ich seh hier gerade sonst niemanden. Bild dir da jetzt also nichts drauf ein.â Die Lippen spitzend lehnte James sich vor und Regulus sich zurĂŒck. âBlack.â
Regulus fiepte ein ersticktes âPotterâ zurĂŒck.
âDu bist nichts weiter als Mittel zum Zweck. Wieso mĂŒsst ihr Blacks da immer so empfindlich drauf reagieren?â James schĂŒttelte leicht genervt den Kopf, als er ihn sonst drehen und wenden konnte, wie er wollte, aber trotzdem nicht Regulusâ Lippen einfangen konnte. âStell dich nicht so an.â
âIch will aber nichtâŠâ Regulus schĂŒttelte ebenfalls den Kopf, aber Jamesâ HĂ€nde machten es ihm weitaus schwieriger. âDu wĂŒrdest mir mehr schulden, als du jemals begleichen könntest.â
âWarum kannst du nicht einfach mehr sein wie dein Bruder? Der wollte gar nichts dafĂŒr mit mir rumzumachen und es gibt sicherlich Menschen, die dafĂŒr bezahlen wĂŒrdenâ, sagte James, hĂ€tte aber noch stundenlang weiter darĂŒber reden können, wie beliebt er eigentlich war, aber der leicht angehobene Mundwinkel von Regulus lieĂ ihn stutzig werden. âWillst du jetzt doch?â
âDu hast mir gerade indirekt gesagt, dass du Sirius zu alledem gezwungen hastâ, erlĂ€uterte Regulus und war dabei langsam aber triumphierend das Kinn zu heben. âDas heiĂt er mag eigentlich gar keine MĂ€nner â wie ich es vermutet habe â und fĂŒhlte sich höchstwahrscheinlich von dir bedrĂ€ngt, weshalb ihr euch gestritten habt. Und jetzt haderst du damit, ob du ihn nur aus einer Laune heraus bedrĂ€ngt hast oder weil du wirklich eine Schwuchtel bist, Potter.â
âLetzteres versuche ich ja gerade herauszufinden, du dĂ€mlicher Idiotâ, lieĂ James sich nicht anmerken, wie gerne er Regulus gerade wieder gegen eine Wand rammen wollte. Er konnte sich aber besser abreagieren und Siriusâ Bruder gleichzeitig wunderbar Ă€rgern, indem er einfach herausfand, ob er gerne MĂ€nner kĂŒsste.
Bevor Regulus noch einmal den Psychologen spielen konnte, presste James seinen Mund gegen die Lippen, die denen von Sirius so furchtbar Ă€hnlich waren, dass man eigentlich nicht sagen konnte, ob James gerne MĂ€nner kĂŒsste. Er mochte diese Lippen, weil sie sich wie die von Sirius anfĂŒhlten â plus ein köstlicher Geschmack von Schokolade â aber es brachte ihn nicht weiter. Merlins Bart, musste er am Ende Snape kĂŒssen um rauszufinden, ob er auf MĂ€nner stand?
Regulus unternahm relativ halbherzige Versuche ihn loszuwerden, indem er die FĂ€uste gegen Jamesâ Brust schlug und dabei die Lippen fest aufeinander presste, damit James sich extrem dĂ€mlich fĂŒhlte, obwohl er sich solche MĂŒhe gab seine Lippen nicht zu ungeschickt zu bewegen.
Mit einem Schmatzen löste er sich und wischte sich ĂŒber den Mund. âOkay, das funktioniert nicht.â Seufzend musterte er Regulus, der abwesend und leichenblass nach vorne starrte, die Lippen aber fast blutrot und leicht geschwollen. âDu erinnerst mich zu sehr an deinen Bruder. Ich muss wohl jemand anderen finden, den ich kĂŒssen kannâŠâ Nachdenklich fuhr James sich durch die Haare und lĂ€chelte zufrieden, als ihm die zĂŒndende Idee kam. âEs ist ja bald Weihnachten, das bedeutet Mistelzweige. Mistelzweige bedeuten, dass ich jeden in der verfluchten Schule kĂŒssen kann â sogar Dumbledore!â
Regulus wĂŒrgte kurz, presste sich eine Hand vor den Mund und wandte sich von James ab, immer noch selbst fĂŒr seine VerhĂ€ltnisse extrem blass um die Nase â aber das lag ganz sicher nicht daran, dass er eben James Potter hatte kĂŒssen dĂŒrfen.
âDu entschuldigst mich sicher, Black. Es ist schon lĂ€ngst Ausgangssperreâ, sagte James und rutschte von seinem Stuhl, gönnte sich aber noch einen Löffel Schokopudding. âSag mir, was ich dir zu Weihnachten schenken soll und wir sind quitt.â Regulusâ noch ein Winken schenkend verabschiedete James sich und blendete die wĂŒrgenden GerĂ€usche im Hintergrund auch einfach aus, als er die KĂŒche verlieĂ und den spĂ€rlich beleuchteten Korridor entlangging. Das orange-rote Licht der Fackeln wurde immer wieder von Schatten durchbrochen, aber an der Ecke bemerkte James einen besonders scharfkantigen, der ihn dazu brachte stehenzubleiben.
Schwer seufzend brachte er sein schwarzes Haar durcheinander, als Sirius mit verschrĂ€nkten Armen an der Wand lehnte. Das hatte ja so kommen mĂŒssen. Jetzt hatte Sirius wieder die perfekte Gelegenheit seine grĂ€sslich zickige Seite auszugraben.
âWie viel hast du gesehen oder gehört?â James schob die HĂ€nde in die Hosentaschen, als er an Sirius vorbeiging, erwartend und hoffend, dass Sirius ihm folgen wĂŒrde.
âIch hab deine Zunge im Hals meines Bruders verschwinden sehen und das reicht mir fĂŒr eine Weileâ, sagte Sirius, stieĂ sich mit einem Seufzen von der Wand ab und holte James bald auf, aber auch nur, weil der extra langsam gegangen war.
âDa hast du aber mehr gesehen, als ich gespĂŒrt habeâ, sagte James und versuchte ein amĂŒsiertes Glucksen zurĂŒckzuhalten, aber jetzt, wo er das Revue passieren lieĂ, fand er es urkomisch, was er eben mit Regulus Black erlebt hatte.
âSo genau will ich das gar nicht wissenâ, sagte Sirius hörbar angewidert und verschrĂ€nkte im Gehen die Arme vor der Brust. âIch dachte⊠Die Karte lag oben offen rum und da war ĂŒberdeutlich ein roter Pfeil auf die KĂŒche geklebt⊠Ich dachte, du wolltest dich entschuldigen.â
James schĂŒttelte den Kopf. âIch muss mich fĂŒr gar nichts entschuldigen.â
âAch, wirklich nicht?â Siriusâ Blick landete in seinem Nacken, als James alleine weiterging. âAber du hast anscheinend auch nicht erwartet, dass ich vorbeikomme und mich entschuldige, was?â
Merlins Bart, wenn Sirius das einfach frĂŒher geschnallt hĂ€tte, dann⊠dann hĂ€tte James sich nicht so wunderbar mit seinem Bruder amĂŒsiert.
Sirius griff Jamesâ Arm um ihn davon abzuhalten einfach weiterzugehen. âHey, wenn du das tust, um mir eins auszuwischen, weil dein ĂŒberdimensionales Ego sich angegriffen fĂŒhlt, nur weil ich deine geliebte Lily Evans nicht vergöttere, dann lass das nicht an meinem Bruder aus.â
âJetzt komm mir nicht mit diesem anklagenden Ton, ja?â James machte sich mit einem Ruck los und rauschte regelrecht um die Ecke, wĂ€hrend seine gute Laune in den Keller wanderte. âWer vögelt sich denn hier durch die halbe Schuleâ, murmelte er eher zu sich selbst, aber da Sirius direkt hinter ihm war bekam er kurzerhand einen festen Tritt in den Hintern. Mit einem Krachen landete James auf dem Boden und schĂŒrfte sich bei dem Versuch den Sturz abzufangen auch noch seine HandflĂ€chen auf.
âDu bist ein Arschloch, James Potterâ, knurrte Sirius Ă€rgerlich und stieg ĂŒber James rĂŒber, damit er ihn von oben wĂŒtend anfunkeln konnte. âWeiĂt du, was mich an der Sache aufregt? Nicht, dass du mich fĂŒr so jemanden hĂ€ltst, obwohl du mich besser kennen solltest, sondern dass du ihr mehr glaubst als mir.â
âMusst du mich deswegen treten?â Zischend begutachtete James die leicht blutenden Stellen an seinen Handballen, bevor er sich Ă€chzend aufrichtete. âOder war das fĂŒr deinen Bruder?â
Siriusâ Mundwinkel zuckten leicht, aber er schien ganz und gar nicht in der Stimmung fĂŒr ein LĂ€cheln zu sein. âDu solltest Regulus nicht unterschĂ€tzen.â
âDu kannst ruhig zugeben, dass es dich ankotzt, dass ich auch jeden haben kann, den ich willâ, gab James etwas zu schnippisch fĂŒr seinen Geschmack zurĂŒck. âSogar deinen Bruder.â Die Schultern straffend setzte James sich wieder in Bewegung und rempelte Sirius extra an, als er an ihm vorbeiging, hĂ€tte dadurch aber beinahe selbst das Gleichgewicht verloren.
âSozusagen als Ersatz fĂŒr mich?â Sirius grinste, als James stehenblieb und langsam ĂŒber die Schulter schaute. âDu kannst es ruhig zugeben, Krone.â Oh, wie er es hasste, wenn Sirius diese beinahe Slytherinâsche Art auspackte, um ihn vollkommen konfus zu machen. Er hatte keine Ahnung, ob Sirius wusste, was er zu Regulus gesagt hatte, oder ob er weinend wie ein kleines MĂ€dchen weggerannt war, nachdem er sie in eindeutiger Pose â die ihn merkwĂŒrdigerweise absolut nicht zu stören schien â gesehen hatte.
âWas zugeben, Tatze?â Immer noch klang er so zickig, wie er sich Sirius gewĂŒnscht hatte. âDass ich ganz plötzlich verliebt in dich bin? Selbst wenn, das wĂŒrdest du doch nicht wollen. Dann mĂŒsstest du ja aufhören dich durch Hogwartsâ Betten zu rollen.â
âĂberflĂŒssiger, bissiger Kommentar⊠Was soll ich davon jetzt halten?â Sirius legte sich eine Hand auf den Mund, versuchte aber gar nicht erst sein Grinsen zu verstecken. âKrone liebt mich.â
âHör auf, Tatzeâ, schnaubte James angefressen und winkte abwehrend ab, als er seinen Weg fortsetzte, Sirius aber richtig neben ihm herhĂŒpfte und dabei dĂ€mlich giggelte.
âKrone liebt michâ, sĂ€uselte er, bevor er James mit seinem mĂ€dchenhaften Gekichere irgendwie doch zum Erröten brachte.
âHaltâs Maul.â Jamesâ leicht aufgeschĂŒrfte HĂ€nde fingen wieder an zu brennen, als er sie erneut in seine Hosentaschen schob. âSchlag mich lieber dafĂŒr, dass ich mit deinem Bruder rumgeknutscht habe.â
âWieso denn? Mich stört das ĂŒberhaupt nichtâ, trĂ€llerte Sirius heiter und merkte anscheinend ĂŒberhaupt nicht, dass er damit brutal ein Messer in Jamesâ Brust rammte. âImmerhin muss ich dann nicht mehr deinen schwulen Freund spielen. Auf die Idee hĂ€ttest du aber auch mal frĂŒher kommen können. Aber scheint ja schon bei Evans zu funken, wenn sie dir solchen ScheiĂ ĂŒber mich erzĂ€hlt. Das nennt man Eifersucht.â Endlich war Siriusâ Kichern verschwunden und er stupste James ganz kumpelhaft in die Seite, was den aber auch nicht wieder fröhlicher stimmte.
âWir sollten einen Geheimgang nehmen, wenn wir nicht irgendeine Strafarbeit kriegen wollenâ, grummelte James stattdessen und drehte den Kopf von Sirius weg, als der ihn ĂŒberdeutlich musterte. Sein Herz schlug in heftigen, aber regelmĂ€Ăigen SchlĂ€gen und es schmerzte immer dann, wenn er daran zurĂŒckdachte, dass Sirius gesagt hatte, dass es ihn nicht stören wĂŒrde, wenn James einfach so jemand anderen kĂŒsste. Wieso machte es ihm dann so viel aus, wenn man ihm sagte, dass Sirius nichts anbrennen lieĂ? Es sollte ihn auch nicht stören.
âAh, willst du denn keine Strafarbeit von Evans? Ich wette, sie wird dir jetzt gerne eine geben um mehr Zeit mit dir zu verbringenâ, sagte Sirius auffĂ€llig munter, was Jamesâ Herz wieder etwas anspornte schneller zu schlagen. Vielleicht tat Sirius auch nur so, als wĂŒrde ihn Jamesâ Liebesleben nicht interessieren, damit er sich nicht verletzbar machte? Er hatte von so einem GefĂŒhlszeug doch absolut keinen Schimmer und Remus konnte er ja schlecht fragen. âOder stehst du wirklich auf meinen Bruder?â
âEr ist ganz niedlichâ, sagte James schulterzuckend. âAuf jeden Fall eine bessere Wahl als du.â
Sirius lachte bellend auf, was von den kahlen SchlosswĂ€nden widerhallte. James verdrehte darĂŒber die Augen und deutete auf einen nahegelegenen Geheimgang, wo sie zur Not einfach ausharren konnten, bis die von Siriusâ Lachen angelockten Menschen sich wieder verzogen hatten.
âKrone, du darfst mir glauben, wenn ich sage, dass Regulus nicht umsonst in Slytherin gelandet istâ, sagte Sirius und lehnte sich immer noch grinsend gegen die mit Spinnweben ĂŒbersĂ€te Wand des Geheimgangs, wĂ€hrend James den Wandteppich hinter ihnen zufallen lieĂ.
âWillst du mir sagen, dass diese verkrampfte Art nur Show ist?â James lehnte sich extra neben Sirius und nicht gegenĂŒber. Es war kalt und Sirius war warm â so einfach war das. Er schmuste auch mit Sirius, wenn der ein Hund war, also konnte er sich ja wohl ein bisschen an ihm wĂ€rmen, ohne dass man ihm gleich unterstellte, dass er irgendwelche GefĂŒhle hĂ€tte.
âNa ja⊠Er ist nicht verkrampft⊠Okay, vielleicht doch. Er hat eben die Erziehung meines Vaters genossen, nachdem der gemerkt hat, was er bei mir falsch gemacht hatâ, sagte Sirius schulterzuckend. James öffnete den Mund, um etwas zu antworten, aber das Aufleuchten in Siriusâ Augen lieĂ ihn sofort jeden Satz herunterschlucken. âHey⊠Du kannst das ausnutzen, Krone.â
Ahnungslos schĂŒttelte James den Kopf.
âDu hast ihn gekĂŒsst. Höchstwahrscheinlich ist ihm das unglaublich unangenehm, zum im Boden versinken peinlich und ââ
âIch habâs kapiertâ, fuhr James dazwischen, eine Hand abwehrend gehoben, aber Sirius hĂ€tte diese Geste alleine wohl nicht zum Verstummen gebracht. âEs ist peinlich mit mir rumzuknutschen. Wie soll ich da jetzt irgendeinen Vorteil draus ziehen?â
Sirius setzte ein widerlich fieses Grinsen auf. âVersuch mal wie ein Slytherin zu denken, Krone. Eine Sekunde lang. Dann kommt dir die Idee, die all deine Probleme auf einmal lösen wird.â
James runzelte die Stirn, versuchte zu denken wie ein Slytherin, gab das aber schnell auf und lehnte die Wange lieber ganz leicht gegen Siriusâ Schulter. Wenn er noch eine Weile so tat, als wĂŒrde er nachdenken, dann konnte er sich ungestraft anlehnen.
âDu kannst Regulus dazu bringen Snape das Band wegzunehmenâ, half Sirius ihm auf die SprĂŒnge und James machte augenblicklich einen Satz nach vorne, drehte sich auf der Stelle und starrte Sirius aus groĂen Augen an.
âSonst was?â, fragte James, bevor er anfing irgendwelche voreiligen LuftsprĂŒnge zu machen.
Sirius verdrehte schmunzelnd die Augen. âSonst erzĂ€hlst du der Welt, dass er seinen Vater nicht glĂŒcklich mit einem Erben machen wird.â
âOhâŠâ James wischte Siriusâ Hand weg, bevor der ihm die Haare verwuscheln konnte, als wĂ€re er ein kleines, dummes Kind. âDas ist aber nicht die feine englische Art.â
âSteck dein Gewissen weg. Es ist ja nicht so, als wĂŒrden wir meinen Bruder an Snape verkaufenâ, winkte Sirius ab. âDer kriegt das schon hin und du musst nicht⊠keine Ahnung, was Snape von dir wollte.â
James erinnerte sich an Snapes perfiden Plan und atmete erleichtert auf, als ihm das zum GlĂŒck erspart blieb. âDanke, Sirius. Ehrlich, ich könnt dich kĂŒssen.â Sich nach vorne werfend bekam James aber leider nur Siriusâ Wange hingehalten, was ihn aber nicht davon abhielt sich ĂŒberschwĂ€nglich an Sirius zu klammern.
âHey, noch hat das nicht funktioniertâ, sagte Sirius und tĂ€tschelte Jamesâ schwarzen Haarschopf grinsend. âAber wenigstens bist du nicht mehr grantig.â
âWenn hier einer grantig war, dann duâ, gab James leicht eingeschnappt zurĂŒck und wich Siriusâ Blick aus, indem er den Gang herunterblickte. âWo fĂŒhrt der nochmal hin?â
âWenn du mich loslĂ€sst, können wir einfach nachschauenâ, sagte Sirius amĂŒsiert. âIch trag dich sicher nicht durch die Gegend, du Klette.â
James schluckte leicht, drehte den Kopf und zog Sirius mit einem Ruck dicht an seinen Körper. âWenn ich aber nicht loslassen will, wirst du dann wieder grantig?â
Sirius runzelte die Stirn leicht, als James sich zu ihm vorlehnte, aber wenigstens machte er nicht so ein kindisches Drama wie Regulus und versuchte verzweifelt Jamesâ Lippen auszuweichen. Immerhin mochte Sirius ihn auch. Es gab also gar keinen Grund fĂŒr ihn jetzt Jamesâ sorgfĂ€ltig aufgebautes Ego in Einzelteile zu schlagen. Trotzdem zitterten Jamesâ Lippen vor NervositĂ€t und hĂ€tten wahrscheinlich gar keinen vernĂŒnftigen Kuss hinbekommen, weshalb er dankbar dafĂŒr war, dass seine blöde Idee im Keim erstickt wurde.
âAh, da seid ihr jaâŠâ Remusâ Stimme lieĂ sie auseinanderfahren. âStör ich etwa? EgalâŠâ Remus schlĂŒpfte zu ihnen hinter den Wandteppich und lĂ€chelte erwartungsvoll. âUnd? Was machen wir hier?â
âĂhâŠâ James kratzte sich am Hinterkopf, wĂ€hrend Sirius immer noch die Stirn in Falten gelegt hatte. âWir⊠kommen gerade aus der KĂŒche.â
âJa, ich weiĂ. Deswegen schau ich ja vorbei. Bin ein bisschen spĂ€tâ, sagte Remus und demonstrierte die Karte. âDer Hinweis war aber ĂŒberdeutlich. Wurmschwanz ist ein bisschen traurig, aber wenn wir zu zweit den Gemeinschaftsraum verlassen ist das so auffĂ€llig. Ich, als VertrauensschĂŒler, genieĂe da bekanntlich gewisse Vorteile.â Remus zwinkerte ihnen zu, als wĂŒrde er denken, dass James irgendeinen Gedanken daran verschwendet hĂ€tte.
Ratlos schaute James zu Sirius, der mit den Schultern zuckte. âĂhâŠâ James setzte einen entschuldigenden Blick auf, worauf Remusâ Lippen sich schon enttĂ€uscht vorschoben. âWir hatten Schokopudding fĂŒr dich â den magst du doch so gerne â aber Regulus Black hat uns leider davon gejagt. Böse VertrauensschĂŒler.â
Remus seufzte schwer auf, lĂ€chelte aber schlieĂlich zufrieden. âEr macht ja nur seinen Jobâ, sagte er, streckte die Arme aus und legte je einen um James und Siriusâ Schulter. âIch weiĂ das zu schĂ€tzen, Jungs. Ihr wolltet euch entschuldigen und ich nehme an. Lasst uns nicht mehr streiten.â
Sirius konnte sich sein Lachen nur schwer verkneifen, schlug Remus aber gegen den RĂŒcken, bevor der mehr als fragend aus der WĂ€sche schauen konnte. âMoony, du hast wiedermal absolut Recht.â
âJa, lasst uns nicht mehr streitenâ, schmunzelte James, klopfte Remus auf den unteren RĂŒcken und schob ihn nach vorne. âGehen wir lieber Peter trösten, bevor er vor Einsamkeit eingeht.â
âOh, aber ich dachte ihr sagt mir jetzt, warum ihr diese Show abgezogen habtâŠâ Remus lieĂ den Kopf etwas hĂ€ngen, als James und Sirius zu lachen anfingen. âMann, ich hasse Insider-WitzeâŠâ
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