von Laticia
Rita saß voller Ingrimm an der Bar im Tropfenden Kessel und saugte lustlos an ihrer Zwiebel herum. Diese Gören! Keine Ahnung vom Schriftstellerwesen, keine Ahnung vom Journalismus, keine Ahnung von gar nichts! Aber einmischen, ja, gaaaanz gemütlich einmischen bei der harten Arbeit um den täglichen Artikel! Ein Zeitungsmann - pardon - frau zählte auch nicht mehr das, was sie einmal in den Goldenen Zeiten vor zwei Jahren war - eine beachtete, sogar geachtete, ernstgenommene Persönlichkeit, die schamlos und konsequent ihrer Arbeit nachging und in - je-dem - noch - so sauberen Plantschbecken einen dicken Haufen Dreck aufwühlen konnte, jawohl!
Aber nein, die Zeiten waren dahin - und Schuld daran waren allein diese Kinder, diese nichtsnutzigen...
So rumorte es in ihren alkoholisierten Gedanken, während sie Zwiebel um Zwiebel aus dem Whiskytopf vor ihr aussaugte und zerkaute. Um ihre Lage stand es in der Tat nicht rosig, sie war bei der Hexenwoche nicht mehr gern gesehen, "obwohl ich doch immer nett zum Chefredakteur war!", sprich versucht hatte, ihn zu bezirzen - ein verlorenes Unterfangen bei jemandem mit einer Frauenphobie... Er konnte noch von Glück sprechen, dass sie dieses Geheimnis noch nicht entdeckt hatte, denn vor ihr war nicht mal Gringotts sicher, wie sie schon mehrfach bewiesen hatte.
Kaum eine Zeitung hatte in der letzten Woche einen ihrer Artikel genommen, und selbst wenn war die Bezahlung geringer als je zuvor - ihr kam es vor, als hätte sie dankbar sein müssen, dankbar! Noch vor kurzem hatte sie jedes einzelne Blatt Papier mit einem halben Handkuss an den Mann gebracht, und nun war sie komplett verrufen.
Rita wusste, dass sie als vermisst gegolten hatte und nun zu der Liste der höchstwahrscheinlich Toten gezählt wurde. Ihr Deckname war wohl auch mit Schuld an der Misere, aber was sollte sie machen? Statt Galleonen stapelten sich Schuldscheine in ihrem Gringottskonto, unzählige Leute nahmen ihr noch immer das verfluchte Dumbledore-Buch übel - was heißt, sie hatte wochenlang Drohbriefe, Heuler und verhexte Geschenke geschickte bekommen. Nur ungern erinnerte sie sich an den Fluch, der die Positionen von Gesicht und Hintern vertauscht hatte und vier Tage nicht weichen wollte.
Rita grummelte in ihren kaum vorhandenen Bart.
Schade, dass die Zeiten des Harry Potter langweilig geworden waren, seit der mit der rothaarigen Hexe verheiratet war - die Leute interessierte es nicht, wenn man versuchte ihnen zehnmal zu erzählen, wie toll es nicht war, einen netten, komplikationsarmen Job zu haben, eine komplikationsarme Beziehung zu führen und einen ebenso komplikationsarmen Kontostand zu besitzen!
Wütend stach sie in die nächste Zwiebel und versenkte ihre Zähne in die weißen Schichten, die wahrlich nicht zu bemitleiden waren. Wurden sie doch von der Klatschkönigin selbst zermahlen und zerstampft...
Komplikationen, ja, als es die noch gab - was für glorreiche Zeiten! Als Pech und Gerüchte herrschten und jedes Ohr blöd und offen und naiv genug war, um dafür aufnahmefähig zu sein, wie Schwämme hatten sie alles aufgesaugt, wie Bakterien alles vermehrt und weiter in die Welt hineingestreut und sie, Rita-ich-steuere-die-Gesprächsthemen-aller-Kimmkorn, saß auf ihrem Thron und konnte zusehen, wie ihre Worte Früchte trugen...
Die Tür zum Tropfenden Kessel ging auf. Tom erwachte aus seiner Gläser-wisch-Trance und nickte dem Hereinkommenden zu:, "Mr. Potter, wie schön, Sie mal wieder hier zu sehen."
Es war Harry Potter, Erzheiliger der Generation und ihr ehemaliges Lieblingsobjekt - höchstpersönlich.
Rita zog ihren Hut tiefer ins Gesicht und starrte ingrimmig durch das ehemalig modische Loch in der Krempe auf den jungen Mann, der in seinem karmesinroten Umhang herangeweht kam und ein Glas Bier bestellte - wie üblich.
"Was Neues, Tom?"
"Nicht viel, die "Winkelgassenjungen" haben ihr Konzert letzte Woche ganz hübsch hingekriegt, und meine Nichte, Maudra, hat gestern ihr Zweites gekriegt - ein Mädchen!"
Was für Pallawatsch, dachte sich Rita und schlürfte Whisky durch einen Strohhalm. Keine interessanten Gesprächsthemen mehr ohne mich, pah!
"Tja, Gin und ich haben jetzt das Haus bezogen - wir werden wohl auch bald an die Kinderstube gehen...", lächelte er verschmitzt und stricht sich über seinen vierkantigen Bart.
"Nun, dann werd ich Sie nicht länger aufhalten, Tom. Schönen Tag noch!" Er warf ein paar Sickel auf den Tresen und trat durch die Hintertür nach draußen.
Rita starrte auf das silberne Gefunkel, welches Tom mit erfreutem Gemurmel in seine Geldlade strich.
Dieser Mistkerl! Schande über ihn und Schmach über sein Glück, so sollte es sein, Pech auf seinen Stiefeln! Der Kerl sollte endlich wieder unglücklich sein, zum Teufel noch mal! -
Das Spießchen entfiel klirrend ihren Fingern, als eine bitterböse Blitzidee ihren zugedröhnten Kopf durchsummte. Ihre Lippen zogen sich zu einem schiefen, gefährlichen Grinsen in die Breite, während sie vom Barhocker rutschte, rasch ihre Rechnung beglich und im Hinausgehen ihren BH zurechtrückte. Entschlossen zog sie ihren Zauberstab und öffnete das Tor in die Winkelgasse, um Harry Potter nachzuhuschen, der in aller Seelenruhe seinen Geschäften nachging...
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