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Fanfiction

Ancient History I - Der Verbotene Wald - Heimatfront

von Kiosk

33. Heimatfront

Personen:

Elicius Eliassen: Zwölfjähriger Sohn von Vigdis Eliassen und der Bruder von Emilia. Wechselte mitten im Schuljahr nach Fuglefjell, einem Internat in seinem Heimatland Norwegen.

Emilia Eliassen: Dreizehnjährige Tochter von Vigdis Eliassen. Eine Slytherin. Sie ist stets aufmerksam und besitzt ein eher verschlagendes Wesen. Magisch unbegabt.

Finn Finney: Ein Erstklässler aus Hufflepuff. Gilt als der begabteste Schüler des Jahrganges, besticht aber vor allem durch seinen guten Charakter.

Garm McKinstry: Ein jugendlicher Unruhestifter aus Slytherin. Er ist unsterblich in Imperia verliebt. Zudem ist er Kapitän der Quidditch-Mannschaft. Er und seine drei besten Freunde - Erebus Nott, Veikko Johnson und Prester Perkins - bilden die so genannte „Toilettenmafia“.

Humphrey Belcher: Ulysses` Klassenkamerad. Ein liebenswürdiger Ravenclaw

Imperia Malfoy: Die ältere Schwester von Lucius. Eine Slytherin und Vertrauensschülerin. Sie wirkt kühl und distanziert und fällt im ersten Moment stets durch ihre Schönheit auf.

Madam Burgunder: Sie unterrichtet den Benimmunterricht für die Mädchen. Trotz ihres miesen Charakters scheinen ihr die Männer zu Füßen zu liegen

Plumbeus Bott: Der Sohn des Bohnenerfinders Bertie. Er fällt besonders durch seine Langsamkeit und Zerstreutheit auf. Ein Hufflepuff

Professor Jarovit: Ein entfernt menschliches Wesen. In Russland jagte er unter anderem Werwölfe, Vampire und Schwarzmagier. In Hogwarts unterrichtet er Verteidigung gegen die Dunklen Künste

Rubeta und Arachne Cox: Zwei elfjährige Zwillingsschwestern mit großem Herz für exotische Tiere. Rubeta ist eine Ravenclaw-Schülerin, Arachne eine Slytherin

Samantha Samson: Jugendliche Ravenclaw. Mit Hilfe von Ulysses schummelt ihr Imperia täglich jenen Trank unter, der ihr die Haarpracht auf Dauer ruinieren wird.

Thusnelda Pflock und Mimosa Higginbottom: Slytherins. Freundinnen von Imperia.

Ulysses Rathburn: Elfjähriger Ravenclaw. Verwöhntes Einzelkind. Ist Imperia Malfoy hoffnungslos verfallen und schadet in ihrem Namen Samantha Samson mit Tränken.

Victoria Knight: Eine Erstklässlerin aus Ravenclaw. Sie ist stets munter und aufgeweckt. Ihr Haustier ist ein stinkender, aber handzahmer Vielfraßrüde namens Rudolph.

William Barkley: Ein Erstklässler aus Ravenclaw. Wie Ulysses stammt auch er aus Hogsmeade, wo er zusammen mit seiner etwas verschrobenen Mutter ein Haus am Rand des Dorfes bewohnt. Er ist ungewöhnlich still und unabhängig

Bisherige Handlung:
Nachdem es Emilia und ihren Freunden gelang, den mysteriösen Schädel zurück in den Wald zu bringen und mit ihm den Bannkreis zu schließen, hoffen sie, dass die unheimlichen Vorfälle von da an für immer ausbleiben. Jedoch ereilt Emilia ein persönlicher Schlag, als ihr Bruder Elicius sich entscheidet, fortan das Zaubererinternat in Norwegen zu besuchen, um wieder mehr Kontakt mit dem Rest der Familie zu pflegen.

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Dezember 1961

„Ladys, ihr seid Klasse!“ Garm McKinstry saß an dem weihnachtlich gedeckten Tisch im Gemeinschaftsraum der Slytherins mit einer Tasse Heißer Schokolade und einem zufrieden Grinsen im Gesicht. Seine freundlichen Worte waren an Thusnelda Pflock und Mimosa Higginbottom gerichtet, die es sich auf dem samtbezogenen Sofa gegenüber von ihm bequem gemacht hatten.
Mimosa giggelte hinter vorgehaltener Hand und in Thusneldas Wangen war ein satter Rotton geschossen. „Schmeckt dir die Schokolade denn wirklich so gut?“, erkundigte sie sich verlegen.
„Was soll das für eine Frage sein? Natürlich!“, machte Garm ihr augenblicklich klar, ehe er sich nach seinen drei Kumpanen, Erebus, Veikko und Prester, umsah, die die Ohrensessel neben ihm in Beschlag genommen hatten. „Was sagt ihr dazu, Jungs?“
Die restlichen Mitglieder der so genannten Toilettenmafia stimmten ihrem Anführer einstimmig zu.
„Könntet ihr vielleicht auch etwas … nun … Vanillesoße bestellen?“, fragte Veikko an die beiden Mädchen gewand.
„Und Marzipan! Aber bloß nicht das trockene Zeug, sondern Edelmarzipan!“, ergänzte Erebus Nott die Bestellung.
„Und ein paar Hähnchenschenkel!“, fügte Prester grinsend wie eh und je hinzu.

Mit stolzgeschwellter Brust ging Thusnelda den Bitten nach und klatschte - so wie sie es schon ein paar Dutzend Mal an diesem Nachmittag getan hatte - in die Hände. Augenblicklich erschien ein kleiner, altersschwacher Hauself vor den versammelten Jugendlichen. Das einzige Kleidungsstück das er trug, war ein altes, dreckstarrendes Geschirrtuch, das längst nicht alle Narben bedecken konnte, die seinen Körper übersäten.
„Ja? Was wünschen Miss Pflock?“, erkundigte sich der Hauself mit einer Verbeugung, die seine altersschwachen Knochen knacken ließen.
Thusnelda würdigte ihm keines Blickes: „Bring uns einen Teller Marzipan, sechs Schüsseln voll Vanillesoße und zwei Pfund Hähnchenschenkel.“
Kaum hatte der Hauself die Bestellung entgegengenommen, war er auch schon wieder verschwunden.
Die vier Jungen prusteten los. „Diese dämlichen Viecher!“, witzelte Garm. „Ich wünschte, ich hätte auch so ein Ding, das mir jeden Wunsch von den Lippen abliest.“
Thusnelda spielte mit einer ihrer schokoladenfarbenden Haarsträhnen und schaffte es dabei, ungewohnt verführerisch zu wirken. „Tja, wenn du ein Mädchen wärst, Garm, könntest du Tag und Nacht solche Bestellungen aufgeben. Dank unserer werten Madam Burgunder, natürlich.“
Garm winkte ab. „Was will man machen? Ihr hattet einfach Glück, das eure Lehrerin die Idee hatte, die Hauselfen so abzurichten, dass sie nur die Schülerinnen bedienen.“ Dabei rollte er mit den Augen und wirkte äußerst neidvoll.
„Eine Dame muss verwöhnt werden“, wusste Mimosa zu erklären. „Madam Burgunder sagt, es sei wichtig, sich verwöhnen zu lassen, um eine Dame von Welt zu werden.“
„Das kommt mir bekannt vor“, seufzte Garm theatralisch. „Imperia Malfoy lebt praktisch nach dieser Weisheit.“

Wenig später tauchte der Hauself wieder auf. Er balancierte auf seinen dürren Armen die Platte mit den Hähnchenschenkeln und einen Teller, auf dem sich allerlei Leckerein aus Marzipan befanden. Hinter ihm tauchte einige Sekunden später außerdem eine Hauselfe mit leisem Plopp auf, die mit Schüsseln voller Vanillesoße schwer beladen war. Die beiden Hauselfen luden ihre Fracht auf dem Tisch ab, während sie im Gegenzug das leere Geschirr wieder einsammelten und dann wie auf stilles Kommando hin zeitgleich verschwanden. Die sechs Jugendlichen bemerkten ihr Gehen kaum, zu sehr waren sie damit beschäftigt, sich den Bauch mit den soeben aufgetischten Dingen voll zuschlagen.
Ulysses beobachtete die Szenerie nun schon seit zwei Stunden aus einer anderen Ecke des Gemeinschaftsraumes, wo er zusammen mit den Cox-Schwestern und Coco Mahiri ein Brettspiel spielte. Kurz nach dem deftigen Mittagessen waren die Mitglieder der Toilettenmafia auf die Idee gekommen, sich mit Hilfe der beiden Mädchen große Mengen Nachtisch einzuverleiben. Dabei verstanden sich Imperias beste Freundinnen und die Toilettenmafia mehr als prächtig; Ulysses fand außerdem, dass beide Gruppen, heimtückisch und fies wie sie allesamt waren, ungemein gut zueinander passten. Und blickte Mimosa Higginbottom nicht ungewöhnlich häufig zu dem gut aussehenden Veikko hinüber?

„Ähm, Ulysses, wir sind gerade am Zug!“, erinnerte Coco Mahiri ihn und brachte seine Gedanken dabei völlig aus der Bahn. Ulysses lenkte seinen Blick zurück auf das Spielfeld und durchsuchte das Blatt in seiner Hand nach einem möglichst guten Spielzug.
Coco Mahiri und er traten in dem Spiel gemeinsam gegen Rubeta und Arachne an und ihr Ziel bestand darin, möglichst viele Dracheneier vor dem Appetit der Trollspielfiguren - die wiederum von Arachne und Rubeta geführt wurden - zu retten. Nur, dass inzwischen schon beträchtlich viele der kleinen Miniatureier im Magen der Trolle gelandet waren.
„Okay, lass mich kurz nachdenken“, murmelte Ulysses.
„Es wäre toll, wenn du irgendeine Karte auf der Hand hättest, die die Hängebrücke zum Teufelsberg zum Einsturz bringen würde“, sagte Coco und deutete mit bangem Gesichtsausdruck auf die Trollherde, die sich auf dem Spielbrett nun direkt auf der besagten Brücke befand.
„Nee, ich habe etwas viel besseres!“, konnte Ulysses die Slytherin beruhigen und zog eine Karte hervor, auf der ein dicker, feuerroter Drache zu sehen war. Der Name der Spielkarte lautete „Unbändiger Drachenvater im Sturzflug“ und kaum hatte Ulysses diese Karte ausgespielt, wurde auch gleich die jeweilige Spielfigur zum Leben erweckt. Der unbändige Drachenvater schlug mit seinen kleinen Flügeln, verließ brüllend seine Höhle, in der er zuvor geruht hatte, und erhob sich in die Lüfte. Ulysses spürte die Hitze seines Feueratems, als die Drachenfigur auf die Hängebrücke zuraste und sie entfachte. Augenblicklich stand das Holz in Flammen, die Seile rissen und die Trollfiguren, die soeben noch stumpf vor sich hin trottend die Hängebrücke entlang gewatschelt waren, purzelten ins Wasser.
Rubeta schlug sich die Hände vor den Kopf. „Oh nein!“, seufzte sie. „Du hast eben die Hälfte unserer Armee ertränkt, Ulysses!“
„Ich weiß, ich habe es gerne getan!“, antwortete er, während Coco neben ihm begeistert kicherte.

Nach ihrem Sieg über die Cox-Schwestern, der nach dem Einsatz des Drachenvaters nicht mehr lange auf sich warten ließ, nutzte Ulysses die Gelegenheit, sich noch einmal nach Garm und seinen Freunden umzuschauen. Bisher hatte er vergeblich versucht, Garms Aufmerksamkeit auf sich zu lenken - Ulysses hatte dem berüchtigten Jugendlichen etwas wichtiges mitzuteilen! -, doch nun blickte Garm zum ersten Mal in seine Richtung.
Ulysses nickte ihm flüchtig zu und Garm verstand. Augenblicklich erhob er sich von seinem Platz, entschuldigte sich bei seinen Freunden und schlenderte auf Ulysses zu.
„Was läuft denn hier, wenn ich fragen darf?!“, erkundigte er sich mit unerbittlicher Stimme, als er das große Spielbrett sah und die vier Kinder, die sich davor versammelt hatten.
„Wir spielen `Schlacht der Menschenfresser´“, teilte Coco ihm zuckersüß mit. „Ich habe das Spiel zu Weihnachten geschenkt bekommen. Wenn du willst, könnt ihr gerne mitspielen, es sind noch genug Spielfiguren da: Werwölfe, Seeschlangen, Tigerkniesel -“
„Du spinnst wohl, mir so etwas vorzuschlagen, was?!“, knurrte Garm.
Coco kicherte vergnügt in sich hinein.
„Okay, das war`s jetzt!“ Garm zog seinen Zauberstab, richtete ihn auf das Spielfeld und sorgte dafür, dass es sich eigenständig mitsamt aller Figuren und Karten in seiner Box verpackte. Es war ein Wunder, befand Ulysses, dass er das Spiel nicht einfach abgefackelt hatte.
„Und überhaupt - was tut ihr beide hier?!“ Garms dunkler Blick wanderte von Rubeta zu Ulysses und wieder zurück. „Ihr seid Ravenclaws, also seid so nett und verschwindet, bevor ich euch Strafe zahlen lasse!“

Schnell beeilten sie sich, Garms Worten folge zu leisten und verschwanden aus de Gemeinschaftsraum. Garm blieb ihnen auf den Fersen, was Rubeta dazu antrieb, die Kerker fluchtartig wie ein gehetztes Tier zu verlassen. Ulysses ließ sich mehr Zeit, schließlich verlief für ihn alles nach Plan: Er hatte Garm von seinen Freunden getrennt und konnte ihn nun, ohne neugierige Ohren in der Nähe, von den Schwierigkeiten berichten, in denen er steckte.
„Also, was gibt es?“, wollte Garm wissen, nachdem sie den Gemeinschaftsraum hinter sich gelassen und alleine in einem zugigen Korridor zum Stehen gekommen waren.
„Der Trank für Samantha Samson…“, murmelte Ulysses, „…ist leer.“
Garm verdrehte die Augen. „Großartig. Und das fällt dir jetzt auf?!“
„Äh … ja.“ In Wirklichkeit hatte Ulysses lange mit sich gehadert, ob er Garm überhaupt etwas davon erzählen sollte. Es wäre nobler gewesen, er hätte in die leere Phiole Wasser gefüllt und das Spiel damit fortgesetzt - das hätte Samantha Samsons Haarpracht sicherlich gut getan. Andererseits wäre sein Betrug Imperia oder Garm irgendwann natürlich aufgefallen.
„Und wie sollen wir jetzt Nachschub besorgen?!“, wollte Garm übelgelaunt wissen. „Den Schlüssel für den Arzneimittelschrank ist doch sicherlich bei Imperia, oder?“
„Ja“, bestätigte Ulysses.
Imperia war selbstverständlich über die Weihnachtsferien nach Hause gefahren, abgesehen von der Eulenpost gab es derzeit also keinen Weg, an den Schlüssel heranzukommen.
„Okay…“ Garm rieb sich die Stirn. „Planänderung. Du und ich werden für Nachschub sorgen. Und zwar gleich.“
„Der Schrank ist gut gesichert“, gab Ulysses zu bedenken. Samanthas Kopfhaare zu malträtieren war schon schlimm genug, sich beim Aufbrechen eines Arzneimittelschrankes erwischen zu lassen hingegen fast noch schlimmer. Ulysses war sich vage bewusst, dass man ihn für dieses Vergehen von der Schule verweisen könnte und beschloss daher, dass es besser wäre, Garm die Drecksarbeit erledigen zu lassen. „Der Schrank ist mit Zaubern gesichert - und ich bin bloß ein Erstklässler! Ich werde damit nicht fertig.“ Ulysses hatte zwar keine Lüge vorgetragen, beglückwünschte sich dennoch dafür, dass Garm seine Entschuldigung sofort schluckte.
„Ja, ja, das ist mir schon klar“, murmelte Garm und machte dabei eine wegwerfende Handbewegung. „Dass ein kleiner, dummer Erstklässler dazu nicht fähig ist, weiß ich selbst.“ Seine dunklen, bösartig blickenden Augen musterten Ulysses widerwillig. „Deshalb war es ja auch taktisch ganz besonders klug von dir, dass dir ausgerechnet jetzt auffällt, dass der Trank leer ist. Bei Slytherin, so etwas bedenkt man doch früher, oder?!“ Und er versetzte Ulysses einen Schlag gegen die Schulter. Der Schmerz war ausnahmsweise erträglich und sollte Ulysses womöglich nur daran erinnern, die Geduld des hitzköpfigen Jugendlichen nicht noch weiter zu strapazieren.
Als wäre er nicht von selbst darauf gekommen!

Auf dem Weg in Richtung Krankenflügel, achtete Ulysses peinlich genau darauf, Garm so gut wie möglich fernzubleiben. Andere Schüler hätten sie zufällig beobachten und sich über das ungleiche Duo ihre Gedanken machen können. Erst als sie den Korridor erreichten, in dem Madam Pomfreys Arbeitsplatz lag und Garm an einer Säule gelehnt verweilte, schritt Ulysses näher heran. Seine Handflächen waren völlig verschwitzt und die Angst davor entdeckt zu werden, nagte an ihm.
„Wie sieht der Plan aus?“, fragte er Garm tapfer. Dabei wünschte er sich nichts sehnlicher, der Plan würde daraus bestehen, dass Garm das Vorhaben einfach abblies. Doch so viel Glück hatte er natürlich nicht.
„Kommt drauf an“, sagte Garm kryptisch.
„Auf was kommt es an?“
Der Jugendliche schmunzelte mit all seiner Verwegenheit, ehe er den Kopf in Richtung Krankenflügel neigte. „Ob Madam Pomfrey anwesend ist oder nicht natürlich.“
„Was machen wir denn, wenn sie da ist?“
„Schauspielern“, antwortete Garm unbekümmert. „Du spielst das Lamm und ich spiele den Wolf.“
Ulysses wurde von unschönen Vorahnungen übermannt und er schluckte hart, in der Hoffnung, das schreckliche Gefühl, das in ihm aufstieg, loszuwerden. Vorsichtig fragte er: „Hat es irgendwas damit zu tun, dass du mich in den Krankenflügel `einschleust´?“
Eine Augenbraue hochziehend, musterte Garm ihn. „Kluges Kerlchen.“ Er klang amüsiert. „Du bist ja ein richtiger Einfallspinsel.“
Ulysses war wenig begeistert. „Ich tue was ich kann“, murmelte er trocken.
„Natürlich. Und jetzt wirst du schön brav vorausgehen und einen Blick in den Krankenflügel werfen. Die Türen stehen offen, das sollten wir ausnutzen. Wenn du siehst, dass der Krankenflügel leer steht, bleibst du stehen und gibst mir ein Zeichen. Wenn sich irgendjemand da drin aufhalten sollte, gehst du weiter.“

Also setzte sich Ulysses in Bewegung. Sein mulmiges Gefühl in seiner Brust machte ihm schwer zu schaffen, er konnte sich nur selbst dafür verfluchen, mit beiden Füßen knietief in dieser Misere versunken zu sein. Entweder, man würde ihn und Garm heute noch ihres Diebstahls überführen, oder Samantha Samsons Haare würden endgültig gen Jordan gehen. Wie man es drehte oder wendete, mindestens einer der Beteiligten hätte stets den Kürzeren gezogen.
Auf Höhe der großen Flügeltür verlangsamte Ulysses seine Schritte, wandte den Kopf und versuchte, nicht allzu interessiert ins Innere der Krankenstation zu starren. Doch abgesehen von den vielen leeren Betten spielte sich dort etwas so schockierendes vor seinen Augen ab, dass er den Versuch unlängst aufgeben musste: Dort, auf einem der Betten sitzend, entdeckte er Samantha Samson, wie sie energisch versuchte, die Tränen aus ihrem Gesicht zu wischen. In ihrer linken Hand hielt sie die Wollmütze, die sie bereits seit Wochen unentwegt getragen hatte. Und auf ihrem Kopf war - nichts! Kein einziges Haar war ihr geblieben! Ihre Kopfhaut war nackt und so bleich wie ihr verheultes Gesicht.
Ulysses konnte sich nicht erinnern, je ein Mädchen ohne Haare gesehen zu haben und der Anblick setzte ihm so stark zu, das er fast über seine eigenen Füße gestolpert wäre.
Neben Samantha stand Madam Pomfrey, die ein Tablett mit verschiedenen Tiegeln und Phiolen in den Händen trug. „ - probieren Sie ein paar dieser Mittel aus, Ms. Samson“, hörte Ulysses die Krankenschwester soeben einfühlsam sagen. „Ich erkläre Ihnen, wie die Mittel funktionieren…“

Ulysses zwang sich weiterzugehen, nicht stehen zu bleiben, nicht mehr zuzuhören. Spürbar war ihm das Blut aus dem Gesicht gewichen. Er war froh, als er den Krankenflügel hinter sich gelassen hatte und nutzte sogleich die Gelegenheit, sich gegen eine Wand zu lehnen und tief durchzuatmen.
Dabei hatte er Garm McKinstry völlig vergessen. Als Ulysses seine Augen wieder öffnete, sah er Garm kopfschüttelnd den Korridor entlang eilen. Auch er warf einen flüchtigen Blick in den Krankenflügel, stutzte dabei sichtbar, nur damit sich eine Sekunde später ein verschlagener Ausdruck in seinem Gesicht abzeichnete. Als er Ulysses erreichte, packte er ihn grob an den Schultern und drängte ihn zu der überlebensgroßen Statue von Helmut, dem heldenhaften Trunkenbold.
„`Tschuldige!“, rief Ulysses. „Ich hätte weitergehen sollen, oder? Ich -“
„Sei still! Etwas besseres hätte doch kaum passieren können! Wir werden einfach zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen, klar?!“
Ulysses war sich sicher, Garms plötzliche Planänderung nicht einmal im Ansatz nachvollzogen zu haben. „Ich - äh - ich verstehe nicht ganz was -“
„Ruhe! Wir müssen uns beeilen! Pomfrey erklärt Samantha gerade über die scheiß Heiltränke auf, oder? Also wird sie gleich den Krankenflügel verlassen. Wir werden sie aufgabeln und ihr ein wenig Angst einjagen.“
„Wir?!“, echote Ulysses ungläubig.
Garm verdrehte ein weiteres Mal die Augen. „Nicht direkt wir - ich rede von meinem Jungs! Deswegen müssen wir uns auch so beeilen! Ich werde Erebus und die anderen auf Sam ansetzten. Es wird Streit geben, direkt hier in der Nähe des Krankenflügels. Du wirst zu Madam Pomfrey rennen und ihr die Sache stecken. Während sie also versucht, Sam zu retten, werde ich mich in den Krankensaal schleichen, während du Wache hältst! Alles klar?!“
„Äh … ja, verstanden!“
„In Ordnung! Oh, und ganz wichtig ist auch folgendes: Nur wir zwei wissen, was hier wirklich gespielt wird, klar? Wir zwei und natürlich Imperia. Wenn meine Jungs wegen dir irgendwas aufschnappen sollten - und sei es bloß eine verdammte Kleinigkeit - mach ich dich fertig! Verstanden?!“
Ulysses nickte und versuchte nicht weiter über diese Drohung nachzudenken.
„Also, versteck du dich hier hinter Helmut und tu so, als wärst du bloß ein unbeteiligter Zeuge!“
„Ja-ja!“
„Sehr schön!“ Und mit diesen Worten machte Garm auf dem Absatz kehrt und stürmte davon, seine Truppe zusammenzurotten.

Derweil verkroch sich Ulysses so gut er konnte hinter der Statue, bis er sich sicher war, dass niemand, der auf dem Korridor unterwegs war, ihn noch entdecken würde. Nun hieß es warten. Warten und Hoffen - doch, auf was sollte er hoffen? Auf welcher Seite stand er in diesem Spiel? Eigentlich, so sagte er sich streng, war er noch immer auf der Seite von Samantha - doch ihr Sieg wäre gleichzeitig auch sein Untergang. Er würde zusammen mit Imperias Machenschaften auffliegen und bei diesem Gedanken lief ihm die Angst kalt den Rücken hinab.
Etwa zehn Minuten später hörte Ulysses Schritte auf Höhe des Krankenflügels und eine Stimme, geschwächt von den vielen Tränen und von Schluchzern erschüttert, drang ihm an sein Ohr. „Vielen Dank noch mal für Ihre Mühen, Madam Pomfrey.“
„Denken Sie daran, was ich gesagt habe, Ms. Samson. Wenn der Haarausfall Stressbedingt sein sollte, müssen Sie sich krankschreiben lassen, um etwas Ruhe zu bekommen.“
„Ja, ich werde daran denken. Auf Wiedersehen.“
Die Schritte, die auf dem steinernen Boden überlaut halten, entfernten sich von Ulysses` Versteck. Dennoch hielt er den Atem an. Er wusste, dass Samantha sich wahrscheinlich auf dem Weg zum Ravenclaw-Turm machen würde, die Frage war nur, ob Garm sich dessen auch bewusst war.
Es war ihm bewusst. All das hatte er ganz wunderbar in seinen Plan einkalkuliert, denn nur einen Augenblick später hörte er die Stimmen und die Schritte der vier Jugendlichen am entgegen gesetzten Ende des Korridors, also ganz in der Nähe von der Statue Helmuts.
„Sie ist doch bestimmt schon weg!“, hörte Ulysses die gedämpfte Stimme von Veikko Johnson.
„Möglich“, entgegnete Garm. „Deshalb sollten wir uns aufteilen. Veikko, Prester, Erebus, ihr geht links herum und versucht sie einzuholen. Werft dabei einen Blick in den Krankenflügel und falls sie noch darin sein sollte, gebt mir ein Zeichen, klar?“
„Warum teilen wir uns nicht in gleichgroße Gruppen auf?“, harkte Erebus nach.
„Überleg doch mal!“, schnarrte Garm. „Es ist viel wahrscheinlicher das sie in Richtung Treppenhaus unterwegs ist. Die Treppen dort führen direkt hinauf zum Ravenclawturm. Ich hingegen werde nachsehen, ob sie vielleicht Richtung Große Halle gegangen ist. Wenn ich sie nicht finden sollte, kehre ich um und helfe euch.“
Die drei anderen Slytherins stimmten dem Plan zu.
„Und Erebus?“
„Was gibt`s, Garm?“
„Ich hoffe du hast die Tarife im Kopf! Alleine für das Tragen einer Mütze berechnen wir -“
„Einhundert Sickel, ich weiß.“
„Gut. Dann beeilt euch! Diesmal ist Samson fällig!“

Nur einen Moment später hörte Ulysses die lauten Schritte der Jugendlichen, die an seinem Versteck vorbeieilten und den Korridor entlang hasteten, bis ihr Lärmen in der Ferne verklungen war. Sein verräterisches Herz schlug ihm bis zum Hals, pumpte heißes Blut in seinen Schädel, bis er das Gefühl hatte, ein unangenehmer Druck nistete hinter seinen Augen. Dann wagte er es, sich zu bewegen und einen Blick aus seinem Versteck zu werfen. Der Korridor war gänzlich leer, bis auf Garm, der sich ihm geheimnistuerisch nährte. „Wann ist Samantha aus dem Krankenflügel raus?“, wollte er wissen.
„Gerade eben. Sie ist in Richtung Treppenhaus unterwegs, genau wie du gesagt hast.“
Garm kam vor ihm zum Stehen, griff Ulysses unsanft am Arm und zog ihn ganz aus seinem Versteck hervor. „Dann sieh zu, dass du hinterherkommst! Sobald du siehst, dass sie Samantha gestellt haben, kehrst du um und rennst zu Madam Pomfrey.“
Unwillkürlich nickte Ulysses und beeilte sich - noch immer mit seinem schlechten Gewissen kämpfend - der Toilettenmafia zu folgen. Er passierte die offene Tür des Krankenflügels, wo er Madam Pomfrey dabei entdeckte, wie sie einige Betten mittels Zauberkraft frisch bezog, und spurtete dann weiter in Richtung der Treppenhäuser. Doch er war keine fünfzig Meter weit gekommen, da drangen ihm schon die aufgebrachten Stimmen mehrerer Jugendlicher entgegen. Als er schließlich um die Ecke bog, sah er Samantha Samson, die von der Toilettenmafia in eine Nische gedrängt worden war. Samantha redete flehendlich auf die drei Jungen ein und Ulysses verspürte elendig viel Mitleid mit ihr, als er beobachtete, wie Prester ihr mit einer schnellen Handbewegung die Mütze vom Kopf riss. Samanthas Tarnung war aufgeflogen und die drei Slytherin schütteten sich beim Anblick der glatzköpfigen Mitschülerin vor Lachen aus.

Mehr musste Ulysses nicht sehen. Sofort machte er kehrt, raste zurück zu dem Krankenflügel und seine Absicht, Erebus, Veikko und Prester bei ihr zu verpfeifen, war durchaus ernst gemeint. Er rannte so schnell wie noch nie zuvor in seinem Leben, denn jede gewonnene Sekunde dürfte Samantha zugute kommen!
Schlitternd kam er vor der Flügeltür zum Stehen, ehe er atemlos rief: „Madam Pomfrey! Bitte - kommen Sie schnell! Samantha wird gerade von drei Slytherins aufgerieben!“
Im ersten Moment stand ein verwirrter Ausdruck in den Augen der Frau geschrieben, doch dann reagierte sie beeindruckend schnell. Ihren Zauberstab fest umklammert schloss sie sofort mit Ulysses auf. Sie wirkte alarmiert. „Wo?!“, wollte sie wissen.
„Gleich dort! Hinter der Ecke!“ Ulysses deutete auf das Ende des Korridors. „Folgen Sie mir!“
Und so stürmten sie beide den Korridor hinab, Madam Pomfrey wuchsteufelswild und verbissen und Ulysses mit niederträchtigen Plänen im Hinterkopf. So spielte er gekonnt den Atemlosen, ließ sich schnell zurückfallen und nachdem er zugesehen hatte, wie Madam Pomfrey um die Ecke geschossen war, machte er kehrt. Dabei entdeckte er Garm, der aus seinem Versteck geschlichen kam und augenblicklich in den nun leeren Krankenflügel verschwand.
Ulysses trabte zu ihm, verpasste es jedoch nicht, sich immer wieder gehetzt umzusehen, aus Angst, Madam Pomfrey könnte schneller als erwartet zurückkehren. Im Krankenflügel angekommen, war Garm gerade damit beschäftigt, aus den Bannzaubern des Arzneimittelschrankes schlau zu werden.
„Halt an der Tür Wache!“, rief er Ulysses gehetzt über die Schulter zu. „Wenn sie auftaucht, müssen wir uns hier irgendwo verstecken!“ Schnell wandte er sich wieder dem Schrank zu und ließ den Zauberstab an dem Holz entlang wandern, als suche er etwas. „Mist, ich wusste doch, dass es knifflig werden würde!“, fluchte er.
„Was ist, wenn du nicht damit klarkommen-“
„Hey!“, unterbrach Garm ihn gereizt. „Ich kenne genügend Öffnungszauber, klar?! Einer davon wird schon funktionieren!“ Und wie zur Bestätigung murmelte er leise einige dieser Zauber vor sich hin, schwenkte seinen Zauberstab - doch nichts geschah!
„Ich glaube, der Schrank ist viel zu gut gesichert!“, gab Ulysses nach einer Weile zu bedenken. „Immerhin sind da viele -“
„Ich weiß!“, fauchte Garm fiebrig und starrte wütend zu ihm hinüber. „Ich bin nicht bescheuert, weißt du?! Und jetzt mach gefälligst was man dir sagt und halte Wache!“

Tatsächlich hatte Ulysses es bisher versäumt, allzu oft einen Blick aus dem Krankenflügel zu werfen. Und jetzt, als das Echo von Garms aufgebrachter Stimme verpufft war, wurde sich Ulysses plötzlich siedendheiß bewusst, dass er Schritte hörte.
Und Stimmen.
Draußen, auf den Korridor und sehr, sehr nah.
Es waren die Stimmen von Madam Pomfrey - und Babette Burgunder!
Ulysses erstarrte, blankes Entsetzen fuhr ihm durch seine Glieder und lähmte ihn. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er erkennen, dass auch Garm vom Schrank abgelassen und zur Salzsäule erstarrt war.
Die Stimmen kamen näher.
„ - man hätte schon längst auf mich hören und aus Hogwarts ein reines Mädcheninternat machen sollen!“, kam es soeben wutentbrannt von Burgunder. Ihre Stimme klang furchtbar nah, Ulysses glaubte ihren Atem spüren zu können. Gleich, jeden Moment würde sie an der Tür auftauchen!
Draußen, im Korridor schniefte jemand - Ulysses konnte es laut und deutlich vernehmen! Es war, als ob die weinende Samantha Samson neben ihm stehen würde!
„Beruhigen Sie sich, Ms. Samson. Niemand wird sie nun mehr schlagen! Der Hausmeister hat diese drei Rowdys zum Schuldirektor gebracht“, sprach Madam Pomfrey beruhigend auf das Mädchen ein.
In diesem Moment tauchte Garm neben Ulysses auf, drückte ihm die Hand auf den Mund - gut so, denn ansonsten hätte Ulysses vor Schreck geschrieen! - und zog ihn mit sich. Ulysses wurde zu Boden gedrückt, wo er - nun von seiner Schockstarre befreit - sogleich unter eines der leeren Krankenbetten kroch. Garm tat es ihm gleich.

Keine Sekunde zu spät. Denn im nächsten Moment, ein Wimpernschlag nur, traten die beiden Frauen zusammen mit Samantha durch die Tür, Ulysses sah die vielen Beine direkt an sich vorbeilaufen, während er unter dem Laken hindurch spähte. Dann quietschte sein Bett, als Samantha sich auf die Matratze setzte. Ihre Füße berührten noch den Fußboden und zuckten nervös in einem unbekannten Takt. Leise hörte er das Mädchen über sich schluchzen.
„Was sollte das bloß?!“, wollte sie von den beiden Frauen wissen. „Warum haben sie gerade mich angegriffen?!“
„So sind Jungs nun mal!“, giftete Madam Burgunder, ehe sie sich auf einem der Betten - auf Garms Bett! - niederließ. Das Gestell protestierte lärmend bei dem Gewicht der Professorin und Garm musste sich schnell unter der nach unten sackenden Matratze wegducken.
„Nein, nicht alle Jungen dieses Alters sind so“, setzte Madam Pomfrey den scharfen Worten Burgunders entgegen. „Nur für diese drei Jungen ist das Verhalten leider typisch. Es sind Unruhestifter. Aber genug davon. Oh, Ms. Samson, ich wünschte, das Unglück würde aufhören, Sie zu verfolgen.“
„Ich auch!“, weinte Samantha bitterlich.
„Warten Sie, ich hole Ihnen ein paar Mittel um die Nerven zu beruhigen - und gegen Blaue Flecke, natürlich!“ Und so eilte Madam Pomfrey schnell zu dem Arzneischrank. Garm, der flach auf dem Boden lag, dürfte in diesem Moment sein Glück kaum fassen können, dachte sich Ulysses. Denn ihre Verstecke boten allerbeste Sicht auf den großen Blumenkübel neben dem Schrank, auf den Madam Pomfrey zuhielt, mit der Hand etwas Erde wegfegte und daraus einen kleinen Schlüssel hervorzog!
Wie simpel!
Nachdem sie zwei Tiegel für Samantha aus dem Schrank gesucht hatte, verschloss sie ihn sorgfältig und ließ den Schlüssel erneut in dem Blumenkübel fallen. Ulysses und Garm tauschten einen viel sagenden Blick untereinander aus.

Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, ehe Samantha versorgt war und Pomfrey sie mit viel gutem Zureden entließ. Burgunder folgte dem Mädchen - wohl aus Angst, erneutes Unheil könnte über die arme Samantha hinein brechen, sobald sie über die Schwelle trat und die Station verließ.
Bei Madam Pomfrey hingegen nahm das Warten mehr Zeit in Anspruch. Es war bereits Dunkel geworden und Ulysses taten vom langen Liegen auf dem harten Boden sämtliche Knochen weh, ehe sich die Krankenschwester in Richtung Große Halle aufmachte, um dort zu Abend zu essen. Einige Minuten nachdem sie gegangen war, wagten sich Ulysses und Garm vorsichtig aus ihren unbequemen Verstecken. Garm streckte erleichtert seinen Körper durch. „Bei Slytherin, verdammt noch mal“, nörgelte er gedehnt. „Was für ein Stress.“ Und dann, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stolperte er mit steifen Gliedern auf den Kübel zu.

„Deine Kumpanen wurden zum Direktor geschickt“, merkte Ulysses nachdenklich an, während er Garm bei der Suche nach dem kleinen Schlüssel beobachtete. „Wird man sie von der Schule schmeißen?“
„Unsinn. Slytherin kriegt bloß eine Milliarde Minuspunkte, das ist alles“, vermutete Garm mit ausgesuchtem Desinteresse. „Sicherlich gibt's zusätzlich noch ein paar hässliche Strafarbeiten. Aber mehr auch nicht. Wir achten darauf, dass keiner von uns ernsthaft in Probleme gerät, weißt du? Ein paar Tritte hier, ein paar Schläge da - aber all das in Maßen!“
„Samantha schien es nicht besonders gut zu gehen…“
Garm winkte ab. „Die ist theatralisch, das ist alles.“ Inzwischen hatte er den Schlüssel gefunden und sprang voller Vorfreude auf. Schnell hatte er die Tür aufgeschlossen, wobei er von keinem weiteren Abwehrzauber behelligt wurde, und suchte schnell die einzelnen Regale nach dem benötigten Trank ab. Monsieur Mannequins Machenschaft für mähnige Männer befand sich in einer der hinteren Ecken des Schrankes. Wahrscheinlich, weil der Trank so unnötig war, dachte Ulysses sich.
„Ob der Diebstahl irgendwann auffällt?“, wollte Ulysses mit banger Angst wissen. „Es ist immerhin schon die zweite Phiole…“
„Vielleicht.“ Garm zuckte unbekümmert mit den kräftigen Schultern. „Aber selbst wenn: Wer würde uns verdächtigen?“
Zwar sprach er seine Bedenken nicht aus, aber Ulysses war der Meinung, dass vor allem Imperia Malfoy eine gelungene Verdächtige abgab, denn sicherlich wusste die halbe Schule von ihrer Antipathie gegenüber Samantha. Und er kannte Imperia inzwischen gut genug um zu ahnen, dass sie keine Sekunde zögern würde, um ihn und Garm mit sich ins Verderben zu reißen, sobald man ihr auf die Schliche kam.

Nachdem Garm den Schrank verschlossen und den Schlüssel an seinem angestammten Platz und unter einer Schicht Blumenerde versteckt hatte, verließen sie den Krankenflügel. Kein Mensch war auf dem Korridor zu sehen, nur in der Ferne hörte man schwach die Stimmen anderer Schüler. Mit einem selbstzufriedenen Ausdruck im Gesicht übergab Garm Ulysses die gestohlene Phiole. Ulysses ließ sie wortlos in der Brusttasche seines Umhanges verschwinden.
Als sich die Wege der beiden Schüler am Ende des Korridors schlussendlich trennten, konnte Ulysses dem Älteren keinen Vorwurf machen. Garm McKinstry war ein übler Zeitgenosse, egal wie man es drehte und wendete - wer konnte ihn schon dafür verurteilen, dass er furchtbare Dinge tat?
Ulysses hingegen litt an Selbsthass. War er nicht eigentlich ein guter Junge? Warum spielte er dieses abgekartete Spiel mit, warum hatte er Samantha Samson heute nicht vor dem Unheil bewahrt, für das er mitverantwortlich gewesen war? Er hätte Imperias Spiel auffliegen lassen müssen, heute hatte er alle Gelegenheiten dazu gehabt.
Weshalb hatte er es also nicht getan?
Nun, Ulysses musste sich bitter eingestehen, dass er Angst hatte. Angst vor Schlägen, Angst vor Bestrafung, Angst vor der Schmach. Oder einfach die Angst davor, einen anderen Menschen zu retten und sich dabei selbst in Gefahr, in die Schusslinie, zu bringen?
Seine Feigheit widerte ihn an.

XXXXXXX

Ulysses wanderte eine Weile alleine durch das Schloss, doch bei all den leeren Korridoren und den oftmals desinteressiert dreinblickenden Gemälden, ließ sich keine Zerstreuung finden. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass das Abendessen in der Großen Halle bereits vor einer Viertel Stunde begonnen hatte. Sicherlich wären die Professoren alles andere als begeistert, würde er derart verspätet die Türen der Halle aufstoßen und einfach hineinplatzen, doch andererseits verspürte Ulysses auch grässlichen Hunger.
Vielleicht, so hoffte er, würde die Stimmung der Professoren etwas durch die Weihnachtszeit gemildert sein? Wer von ihnen würde einem hungrigen Erstklässler schon Punktabzug erteilen, der ein wenig verspätet zum Abendessen eintraf?
Also machte Ulysses kurzerhand kehrt in Richtung Große Halle, in der Hoffnung, auf Anhieb den richtigen Weg unter all den unzähligen Korridoren zu finden. Als er bereits den zweiten Stock erreicht hatte und sich zielstrebig der Treppe abwärts nährte, erlitt er eine kurze, aber heftige Sinnestäuschung. Hatte er dort, etwa auf Höhe des Gemäldes von Bethel, dem Griesgrämigen, nicht soeben den Schatten eines großen Tieres gesehen? Ulysses blieb stehen, sich unklar darüber, ob ihm seine Augen nun einen Streich gespielt hatten oder nicht. Das Tier, ein Hund oder Wolf mit hellem Fell, hatte ihn nur für eine Sekunde aus dem Halbdunkel heraus betrachtet und seine Augen hatten in dem verbleibenden Mondlicht, das sich durch die Fenster ergoss, gefunkelt wie die Augen einer Katze. Doch nun war das Wesen verschwunden.
Ulysses runzelte die Stirn und seine nachtschwachen Augen musterten den Korridor, der still und verlassen vor ihm lag und das Tier förmlich verschluckt zu haben schien. Aber er zwang sich, trotz der unheimlichen Dunkelheit, die um ihn herum herrschte, tapfer einige Schritte voran zu gehen. An der Stelle, an der er das Tier gesichtet hatte, fand er keinen Hinweis auf dessen Verbleib, und als er vorsichtig um die nächste Ecke schielte, war auch der folgende Korridor leer und einsam und ganz und gar unbevölkert von seltsamen Hunden.
Ob er einen Geist gesehen hatte?
Ulysses beschloss, dem Ereignis nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Hogwarts war schließlich von Geistern geradezu überfüllt und die meisten von ihnen waren friedliche Gesellen, bei denen es sich nicht lohnte, sie zu fürchten.
Nein, wirklich böse Geister gab es in diesem Schloss bestimmt nicht! Also gab es auch für Ulysses keinen Grund, die leeren Korridore mitsamt ihrer plötzlichen Geistererscheinungen zu fürchten.

Er hatte die Begegnung bereits fast vergessen, als Ulysses die Treppe hinab zur Vorhalle schritt und dort mit einem Mal eine Stimme zu hören glaubte, die ihm furchtbar vertraut war. Verwundert hob er seinen Kopf und wäre vor Schreck nahezu gestolpert, als er die drei Gestalten erkannte, die mit vom Schnee weiß gepuderter Kleidung soeben durch das Portal geschritten waren. Eisiger Wind zischte durch die geöffnete Tür und belegte Ulysses` Haut sogleich mit einem furchtbaren Frösteln, doch weder seine Gänsehaut noch sein Zittern interessierte ihn in diesem Moment noch.
Dort, flankiert von dem missmutig dreinblickenden Hausmeister, der ihnen die Eingangstür offenbar geöffnet hatte, standen Bethesda und Forrester Rathburn und - weit mehr überraschend - Emilia Eliassen.
„Mum! Dad!“, rief Ulysses und eilte beschwingt die Treppe hinab. Die Gestalten wandten sich behäbig - ihre dick gefütterten Wintermäntel ließen nicht viel Bewegungsfreiheit zu - nach ihm um. Bethesdas Gesicht hellte sich auf, als Ulysses ihr um den Hals fiel.
„Oh, Ulysses! Was für eine Überraschung! Wir dachten, du wärst in der Großen Halle beim Abendessen!“
Ulysses war so erleichtert seine Eltern wieder zu sehen, dass es ihm schwer fiel, gegen die Tränen anzukämpfen. Am liebsten hätte er sich tausendfach bei ihnen entschuldigt, da er ihnen geschrieben hatte, er würde die Weihnachtsferien lieber in Hogwarts als bei ihnen zu Hause verbringen. Was natürlich gelogen gewesen war, denn einzig die Aufgabe, mit der Imperia Malfoy ihn betraut hatte, hatte ihn davon abgehalten, das Schloss zu verlassen.

Forrester zog seinen Sohn zu sich und klopfte ihm zur Begrüßung auf die Schulter. „Gut siehst du aus, mein Junge“, lobte er voller Stolz. „Und wie ich sehe, steht dir das Ravenclaw-Emblem ganz ausgezeichnet.“
Entzückt klatschte Bethesda daraufhin in die Hände. „Ja, das stimmt! Die Farben passen wunderbar zu seinen hübschen Augen, nicht wahr?“
Unschlüssig was er darauf antworten sollte, ließ Ulysses seinen Blick von einem zum anderen hin- und herwandern. Was seine Eltern wohl hierher nach Hogwarts verschlagen hatte? Sicherlich hatten sie nicht vor, ihm eine weitere Ladung Weihnachtsgeschenke zu überreichen, denn davon hatte Ulysses bereits einen ganzen Haufen voll. Und während er sich seine Gedanken über das Erscheinen seiner Eltern machte, fiel ihm die Lösung des Rätsels erst nach mehreren Sekunden siedendheiß ein: Emilia!
Ruckartig schoss sein Blick auf das Mädchen im Hintergrund, die blass und mit verhärteter Miene dastand - ohne ihren Bruder an ihrer Seite!
Mit dem seltsamen Gefühl in der Brust, dass etwas entscheidendes vorgefallen sein musste, wandte sich Ulysses an das Mädchen. „Du bist irgendwie früher wieder zurück als ich erwartet habe.“
Emilia straffte sich kaum merklich. „Zuhause ist nichts spannendes passiert.“
„Und wo ist Elicius?“
Emilia biss sich auf die Unterlippe, während Ulysses` Eltern zeitgleich den Blick senkten. Etwas Unausgesprochenes lastete schwer in der umgebenden Luft..
„Ist er etwa krank oder verletzt?!“, erschrak Ulysses sogleich.
„Nein, Schätzchen“, antwortete Bethesda ihm mit milder Stimme. „Elicius hat sich dafür entschieden, fortan in Fuglefjell zur Schule zu gehen.“
„Nein!“, entfuhr es Ulysses. Ruckartig wandte er seinen Kopf und starrte erneut zu Emilia hinüber, deren dunkle Augen nun ähnlich verdächtig schimmerten, wie seine Augen nur Minuten zuvor. Dennoch zwang sie sich irgendwie zu einem schmalen, wenn auch sehr geknicktem Lächeln. „Naja“, murmelte Emilia, „ich hab`s ja kommen sehen.“

Das hatte sie wirklich. Nun, zumindest hatte sie Elicius bezüglich eines eventuellen Schulwechsels schon seit längerem in Verdacht gehabt. Und Ulysses wusste daher auch, wie sehr Elicius` Entscheidung sie schmerzen musste. Obwohl die beiden Geschwister alles andere als Pech und Schwefel gewesen waren, hatten sie sich doch um eine Art gemeinsamen Schwerpunkt gedreht. Auch wenn dieser Schwerpunkt eine in Scherben gebrochene Familienwelt gewesen war.
Nachdem alle eine Weile im Angesicht dieses sensiblen Themas geschwiegen hatten, konsultierte Forrester schließlich seine Armbanduhr. Er seufzte. „Ach, ich wünschte, wir könnten noch ein wenig mehr Zeit hier verbringen, mein Sohn. Aber ich muss zurück in den Stall, die Abendfütterung ruft.“
„Das verstehe ich, Dad“, beteuerte Ulysses. Dennoch war er geknickt.
Bethesda schien sich dessen wohlbewusst. „Ich habe eine Idee“, verkündigte sie sogleich. „Warum kommst du morgen nicht zu Besuch und wir frühstücken gemeinsam. Emilia, du bist natürlich auch herzlich eingeladen.“
„Ich … ich weiß nicht, Mum. Dürfen wir das Schulgelände einfach so verlassen?“
„Wir holen euch mit der Kutsche ab. Und wir werden Professor Dumbledore selbstverständlich darüber unterrichten. Wenn ihr möchtet, könnt ihr gerne noch weitere Freunde einladen.“
Natürlich hätte Ulysses nichts lieber getan als das Sonntagsfrühstück in Hogsmeade zu verbringen - dafür war er sogar bereit, Samantha Samsons allmorgendliche Negativ-Haarkur ausfallen zu lassen.
Unerwartete Unterstützung erhielt er außerdem von Emilia, von der er eigentlich geglaubt hatte, Elicius` Schulwechsel würde sie in eine ausgemachte Depression stürzen. „Also ich bin auf jeden Fall mit dabei!“, rief sie und ihr Gesicht hellte sich dabei schlagartig auf.
„Gut, dann holen wir euch um acht Uhr mit der Kutsche ab“, zwitscherte Bethesda zufrieden. „Seid pünktlich.“

Glücklich darüber, seine Eltern so bald wieder zu sehen, fiel Ulysses der Abschied nicht schwer. Er winkte Bethesda und Forrester munter hinterher, als sie in Richtung Hogsmeade aufbrachen und dabei gegen den heftigen Wintersturm ankämpfen mussten. In der nahen Dunkelheit, die sich über die Umgebung gelegt hatte, erkannte Ulysses noch die Umrisse ihres Zweispanners am Wegesrand.
Erst als er Hausmeister das Portal schloss und für die Nacht verriegelte, wandten sich Ulysses und Emilia ab.
„Ich muss mit dir reden!“, zischte Emilia sogleich, nachdem der Hausmeister sich in die Große Halle verzogen hatte, aus der noch immer verhaltendes Geschirrgeklimper drang.
„Das mit Elicius tut mir echt furchtbar -“, setzte Ulysses an, doch er unterbrach sich, als Emilia über seine Worte heftig den Kopf schüttelte.
„Darum geht es nicht“, sagte sie scharf, während sie sich auf die nahen Treppenstufen setzte. Ulysses tat es ihr gleich, abwartend, zögerlich und dennoch sehr gespannt auf die nun folgenden Worte.
„Es geht um den Wald“, teilte Emilia ihm mit. „Ich glaube, dass der Bannkreis versagt hat. Der Spuk ist … nicht beendet.“
Ulysses spürte, dass es ihm bei diesen Worten eiskalt den Rücken hinab lief. Es war nicht die Zugluft, das durch eines der geöffneten Fenster geschnellt war, auch nicht die übliche Kälte, die in den Korridoren Hogwarts herrschte. Es war einzig und alleine der Gedanke an die Wälder, der Gedanke an die Geschehnisse, deren Zeuge er vor kurzem gewesen war.
„Ich hatte gehofft, dass wir die Sache hinter uns hätten“, gestand er ihr mit schwacher Stimme, während er seine zitternden Knie anfixierte.
„Ich auch!“ Emilia seufzte.
„Aber der Bannkreis … warum sollte er nicht funktionieren? Ich meine, wir haben den Schädel doch zurückgebracht. Wenn an der Knochenhexerei wirklich etwas dran ist, wenn sie wirklich funktioniert …“ Er ließ den Satz unbeendet. Bereits das Wort „Knochenhexerei“ hatte in ihm einen solchen Terror ausgelöst, dass er sich über weitere Dinge nicht mehr den Kopf zerbrechen wollte.
Die Beine weit von sich streckend, flüsterte Emilia. „Als ich eben mit deinen Eltern in der Kutsche gefahren bin, habe ich lange aus dem Fenster geschaut. Ich wollte wissen, ob ich in den Wäldern irgendetwas sehen würde, oder ob sich etwas verändert hatte. Natürlich war es Dunkel und ich habe nicht viel erkennen können, aber …“
„Aber was?“
Emilia hob den Kopf und musterte Ulysses mit schwerer Miene. „Du erinnerst dich noch an dieses seltsame Licht, von dem ich dir erzählt habe?“

Natürlich erinnerte sich Ulysses noch. Er hatte dieses Licht zwar nie mit eigenen Augen zu Gesicht bekommen, doch es schien ein ähnlich merkwürdiges Phänomen wie der mächtige Wind zu sein, der durch den Wald strich wie ein lebendes Tier.
„Hast du es von der Kutsche aus gesehen? Dieses Licht, meine ich?!“, wollte er wissen und konnte dabei die Aufregung in seiner Stimme unmöglich zurückhalten.
Emilia nickte. „Es war weit weg, aber deutlich zu sehen. Es ist … umhergewandert. Zwischen den Bäumen.“
„Könnte es nicht auch ein Zauberstab gewesen sein, Emilia?“
Energisch schüttelte sie den Kopf. „Nein, bestimmt nicht. Ein Zauberstab produziert eher ein kleines Licht, oder? Das Licht im Wald aber hat den gesamten Horizont ausgefüllt. Und es hatte kein Zentrum. Es war eher … wie eine Art Welle, die hin- und hergeschwappt ist.“
„Haben meine Eltern es auch gesehen?“
„Bestimmt nicht. Ich habe auch nichts gesagt. Vielleicht war das ein Fehler. Ich meine, vielleicht hätten sie gewusst, was dieses Licht zu bedeuten hat?“
„Keine Ahnung“, antwortete er ehrlich. „Aber ich glaube nicht, dass sie es gewusst hätten. Ich meine, ich lebe auch schon mein ganzes Leben in Hogsmeade. Ich kann die Wälder von meinem Zimmerfenster sogar sehen. Trotzdem habe ich nie … naja, ich habe nie ein Licht oder so etwas gesehen.“
Emilia nickte ernst. „Ich glaube auch, dass dieses Licht irgendwas Besonderes ist. Genau wie der Wind. Oder diese Stimmen. Irgendwas geht da in den Wäldern vor sich, Ulysses. Und dieser verdammte Bannkreis hat versagt!“

Dieses konnte sich Ulysses jedoch beim Besten Willen nicht vorstellen. Zwar konnte er nicht recht behaupten, der Knochenhexerei voll und ganz zu vertrauen, doch er hatte das Gefühl, dass der Schädelring im Wald bisher seinen Zweck erfüllt hatte. Wenn dem nicht der Fall gewesen wäre, hätte es in dem Wald schon seit Äonen furchtbar spuken müssen.
„Ich habe einen Verdacht, was geschehen sein könnte“, teilte Emilia ihm nach einer Zeit mit. Ihre Stimme klang finster. „Denn ich persönlich glaube, dass unser Schädel geklaut wurde. Schlimmer noch. Ich glaube, dass alle Schädel geklaut worden sind.“ Und dann erzählte sie dem fassungslosen Ulysses kurzerhand von ihrer geschäftlichen Unterredung mit Professor Jarovit und Serge Semerov, dem raubeinigen Werwolfjäger.
„Wahrscheinlich haben die beiden geahnt, dass wir den Schädel wieder in den Wald zurückgebracht haben. Und da sie ungefähr wussten, wo sie danach suchen müssten - nämlich irgendwo in der Nähe unserer Exkursions-Route! - sind sie bestimmt während der Winterferien aufgebrochen und haben die Schädel eingesammelt. Wahrscheinlich haben sie die Schädel auch schon längst irgendwo verkauft!“, schloss Emilia, barg ihr Gesicht in den Händen und stieß einen heftigen Knurrlaut aus. „Diese Mistkerle!“, fluchte sie.
„Aber was sollen wir denn jetzt dagegen tun?!“, wollte Ulysses wissen. „Wir können nichts beweisen!“
„Noch nicht!“ Emilia wandte den Kopf und starrte ihn mit einem energischen Funkeln in ihren Augen an. „Wir müssen zurück in den Wald und uns vergewissern ob die Schädel noch da sind!“

Für Ulysses klangen diese Worte wie eine Aufforderung zum Todessprung. Er hatte den Eindruck, vor einer Klippe zu stehen, deren Steine sich unter seinen zitternden Füßen bereits zu bröckeln begannen.
„Du bist verrückt“, murmelte er, nachdem er ihrem auffordernden Blick sekundenlang mit großem Entsetzen standgehalten hatte. „Weißt du eigentlich, wie gefährlich das sein kann? Mit verfluchten Orten treibt man keine Späßchen, das geht fast immer ins Auge!“
„Du bist ein Feigling“, schnarrte Emilia kühl. „Bisher ist nie etwas wirklich gefährliches in den Wäldern passiert.“
Ulysses lachte auf und selbst in seinen Ohren klang dieses Lachen entsetzlich irre. „Wie bitte? Du erzählst mir was von Stimmen und geisterhaften Lichtern! Wir wurden von einem komischen, vernarbten Mann verfolgt! Der halbe Wald war vereist und dieser verdammte Wind hat uns quasi mit allen Mitteln bekämpft - dich hat er sogar zu Boden gerissen und danach war dein Handgelenk kaputt! Was noch? Ach ja: Schädelknochen, die überall verstreut liegen, Geschichten über pferdegroße Monster, die euch durch den Wald gejagt haben, blablabla - hallo? Also, für mich klingt das ganze schon ziemlich dramatisch!“
„Ja, aber bisher wurde noch niemand von uns gefressen, oder?“, murrte Emilia unbekümmert. „Und ich bin der Meinung dass all diese Dinge zwar recht dramatisch waren, aber mehr auch nicht. Der Wald hat uns allen mehrmals einen ordentlichen Schrecken eingejagt, aber das heißt doch nicht, dass er uns töten will.“
Relativ ungerührt von ihren Worten zog Ulysses lediglich eine Augenbraue hoch. „Und was ist, wenn all diese Dinge doch Auswirkungen eines dieser Schattenwesen ist?“
„Aber wir wissen doch gar nicht, was Schattenwesen überhaupt sind, Ulysses! Professor Jarovit hat gesagt, es sei bloß der Überbegriff für alle möglichen Phänomene, auf die man sich keinen Reim machen kann.“
„Seit wann glaubst du denn Professor Jarovit?“, schwärzte Ulysses sie an.
Ertappt senkte Emilia den Blick.
Ulysses fuhr fort: „Warum müssen wir unbedingt die Helden spielen und alleine in die Wälder gehen? Warum sagen wir nicht einem anderen Professor Bescheid?“
„Weil ich glaube, dass man das Problem nicht ernst nehmen wird. Knochenhexerei ist verpönt, vergessen? Es gibt vielleicht kaum einen modernen, aufgeklärten Magier, der noch daran glaubt. Wahrscheinlich wird man das Ganze als Humbug bezeichnen.“
Das war tatsächlich im Bereich des Möglichen. Knochenhexerei besaß einfach kein hohes Ansehen, im Gegenteil. Hier bewegten sie sich in irgendeiner Grauzone zwischen Magie und Aberglaube. Dennoch hätte es Ulysses besser gefunden, sie hätten einen anderen Professor als Jarovit zu Rate gezogen.

„Ulysses“, begann Emilia wieder und diesmal klang ihre Stimme ruhiger. „Ich bitte dich bloß mitzukommen. Und ich schwöre dir, dass wir sofort umdrehen, falls wieder irgendetwas passieren sollte, okay? Sobald wir irgendwas sehen oder hören, nehmen wir die Beine in die Hand und rennen davon. Einverstanden?“
Ulysses rollte mit den Augen. „Wenn du wüsstest, wie sehr ich Rennen hasse.“
„Oh, komm schon! So unsportlich bist du nun auch wieder nicht.“
Begeisternd war Ulysses nach wie vor nicht. „Trotzdem sind wir nur zu zweit, Emilia. Das letzte Mal waren wir erheblich mehr.“
Die Worte versetzten das Mädchen zum ersten Mal ins Grübeln. „Du hast Recht, das ist nicht gut. Wir bräuchten Verstärkung.“
„Die meisten sind aber gleich am Anfang der Ferien zu ihren Eltern gefahren“, erinnerte Ulysses sie und hob die Hand, um ihre fehlenden Freunde einmal abzuzählen. „Die Cox-Schwestern sind zwar da, aber ich finde nicht, das wir sie noch einmal in Gefahr bringen sollten. Sie sind letztens fast vor Angst gestorben und mit dem Zauberstab umgehen können sie auch nicht. Und Victoria Knight ist während der ganzen Ferien im Urlaub. Elicius können wir auch nicht fragen, der ist nicht mehr da. Wir hätten Humphrey einweihen können, aber der ist nicht da. Ähm … bleiben also noch zwei Personen übrig, nämlich William Barkley und Finn Finney.“
„Prima. Unsere beiden besten Zauberer sind also noch in Hogwarts?“
„Sieht so aus.“
„Na also, hätte schlechter laufen können, oder?“
Ulysses antwortete nicht darauf, stellte sich allerdings vor, wie er zusammen mit den unfähigen Cox-Schwestern durch den Wald gewandert wäre. Diese beiden Mädchen hätten wohl mehr Probleme verursacht als sie gelöst hätten - trotz Rubetas heldenhafter Aktion beim letzten Mal.
Also beschlossen er und Emilia auf den Treppenstufen sitzen zu bleiben und auf das Ende des Abendessens zu warten. Sobald sich die großen Flügeltüren der großen Halle öffnen würden, würden sie aufspringen und versuchen, die beiden Jungen abzufangen und für sich zu gewinnen. Ulysses hoffte irgendwie, dass ihnen diese Überzeugungsarbeit nicht gelingen würde. Dann hätte er nämlich eine großartige Entschuldigung dafür, sich ebenfalls vor einem weiteren Ausflug in den Wald zu drücken.

Fortsetzung folgt …


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