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Fanfiction

Ancient History I - Der Verbotene Wald - Weihnacht der Furien

von Kiosk

32. Weihnacht der Furien

Personen:

Elicius Eliassen: Zwölfjähriger Sohn von Vigdis Eliassen und der Bruder von Emilia. Ein eher ruhiger, zurückhaltender Slytherin. Kam vor seiner Einschulung in Hogwarts kurzzeitig bei den Rathburn unter.

Emilia Eliassen: Dreizehnjährige Tochter von Vigdis Eliassen. Eine Slytherin. Sie ist stets aufmerksam und besitzt ein eher verschlagendes Wesen. Magisch unbegabt. Kam vor ihrer Einschulung in Hogwarts kurzzeitig bei den Rathburns unter.

Finn Finney: Ein Erstklässler aus Hufflepuff. Gilt als der begabteste Schüler des Jahrganges, besticht aber vor allem durch seinen guten Charakter.

Garm McKinstry: Ein jugendlicher Unruhestifter aus Slytherin. Er ist unsterblich in Imperia verliebt. Zudem ist er Kapitän der Quidditchmannschaft. Er und seine drei besten Freunde - Erebus Nott, Veikko Johnson und Prester Perkins - bilden die so genannte „Toilettenmafia“.

Humphrey Belcher: Ulysses` Klassenkamerad. Ein liebenswürdiger Ravenclaw

Imperia Malfoy: Die ältere Schwester von Lucius. Eine Slytherin und Vertrauensschülerin. Sie wirkt kühl und distanziert und fällt im ersten Moment stets durch ihre Schönheit auf.

Madam Burgunder: Sie unterrichtet den Benimmunterricht für die Mädchen. Trotz ihres miesen Charakters scheinen ihr die Männer zu Füßen zu liegen

Plumbeus Bott: Der Sohn des Bohnenerfinders Bertie. Er fällt besonders durch seine Langsamkeit und Zerstreutheit auf. Ein Hufflepuff

Professor Jarovit: Ein entfernt menschliches Wesen. In Russland jagte er unter anderem Werwölfe, Vampire und Schwarzmagier. In Hogwarts unterrichtet er Verteidigung gegen die Dunklen Künste

Rubeta und Arachne Cox: Zwei elfjährige Zwillingsschwestern mit großem Herz für exotische Tiere. Rubeta ist eine Ravenclaw-Schülerin, Arachne eine Slytherin

Samantha Samson: Jugendliche Ravenclaw. Mit Hilfe von Ulysses schummelt ihr Imperia täglich jenen Trank unter, der ihr die Haarpracht auf Dauer ruinieren wird.

Ulysses Rathburn: Elfjähriger Ravenclaw. Verwöhntes Einzelkind. Ist Imperia Malfoy hoffnungslos verfallen und schadet in ihrem Namen Samantha Samson mit Tränken.

Valkyrie Eliassen: Die Großtante von Emilia und Elicius

Victoria Knight: Eine Erstklässlerin aus Ravenclaw. Sie ist stets munter und aufgeweckt. Ihr Haustier ist ein stinkender, aber handzahmer Vielfraßrüde namens Rudolph.

Vigdis Eliassen: Die Mutter von Emilia und Elicius. Eine Squib. Aufgrund ihres desolaten, verantwortungslosen Lebensstils von der Familie verachtet

William Barkley: Ein Erstklässler aus Ravenclaw. Wie Ulysses stammt auch er aus Hogsmeade, wo er zusammen mit seiner etwas verschrobenen Mutter ein Haus am Rand des Dorfes bewohnt. Er ist ungewöhnlich still und unabhängig

Bisherige Handlung:
Nachdem es Emilia und ihren Freunden gelang, den mysteriösen Schädel zurück in den Wald zu bringen und mit ihm den Bannkreis zu schließen, hoffen sie, dass die unheimlichen Vorfälle von da an für immer ausbleiben. Derweil konnten sich Emilia und Ulysses endlich vertragen und sind Freunde geworden, obwohl sich Ulysses ihr gegenüber noch immer sträubt, die Wahrheit über das seltsame Spiel zu verraten, das er zusammen mit Imperia Malfoy und Garm McKinstry zu spielen scheint. Aber auch mit ihrem Bruder Elicius konnte sich Emilia vertragen, versprach sie ihm darüberhinaus sogar, die Weihnachtsferien mit ihm bei ihrer Mutter in Norwegen zu verbringen.

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Dezember 1961

Emilia schmiss ihre Schultasche auf den ungewischten, kalten Holzfußboden und bedachte ihr altes Bett mit einem abschätzenden Blick. Weil ihrer Mutter Vigdis ganz offensichtlich Platz gefehlt hatte, benutzte sie ausgerechnet Emilias Schlafplatz als Zwischenlager für ungebügelte Wäsche. Zwei Meter weiter stand das viel zu kleine Bett von Elicius, auf dem ein klappriger, alter Staubsauger lag, vergesellschaftet mit einer halben Wagenladung alter Zeitschriften und Zeitungen.
Emilia warf einen Blick aus dem dreckigen Zimmerfenster und hinter der mit Eisblumen bespickten Glasscheibe sah sie einen kargen Hof voller blattloser Bäume und Sträucher, ebenso wie die schneebedeckten Autos einiger Nachbarn. Jenseits davon türmten sich steinerne Mehrfamilienhäuser. Die wenigen Passanten kämpften, nach vorne übergebeugt, gegen den aufziehenden Sturm an.
Alles erschien so muggelhaft wie eh und je.
„Heute Morgen ist die Heizung ausgefallen“, informierte sie ihre Mutter, die an die Zimmertür getreten war. Emilia wandte sich zu ihr, unschlüssig darüber, ob sie die Worte ihrer Mutter mit einem bissigen Kommentar entgegnen oder besser schweigen sollte.
Vigdis Eliassen war eine dürre, oft etwas kränklich wirkende Frau mit dunkelblonden Haaren. Sie wirkte verblüht und ihre Körperhaltung war die Körperhaltung einer schüchternen, sich für ihr Leben schämenden Frau, die nie gelernt hatte, sich durchzusetzen. Leidenschaftlich gerne machte sich Vigdis daher von Männern abhängig, egal ob von Muggeln oder Angehörigen der magischen Welt. Es machte auch gar keinen Unterschied, ob Zauberer oder nicht, denn Vigdis hatte stets das unheimliche Gespür dafür gehabt, sich aus einer Schar Männern geradewegs den Falschen auszusuchen. Dummerweise war der Erzeuger von Emilia und Elicius ebenfalls einer der Falschen gewesen.
Unschlüssig und händeringend betrachtete Vigdis Elicius dabei, wie er versuchte, seinen schweren Koffer auf sein Bett zu wuchten und schien mit dem Gedanken zu spielen ihrem Sohn helfen zu wollen.

„Warum lebst du wieder in dieser Wohnung?“, wollte Emilia von ihrer Mutter wissen. Sie hatte kein wirkliches Interesse daran, Vigdis` Antwort zu erfahren, doch selbst Emilia litt unter dem Schweigen, mit der ihre Mutter ihr seit einer geschlagene halben Stunde begegnete. Es war kein kaltes, wohlüberlegtes Schweigen, nein, ihre Mutter schwieg auf Grund ihrer Scheue.
„Ich dachte, du hättest diese vielen Mietschulden?“, fügte Emilia hinzu, nachdem ihre Mutter ihr eine Antwort schuldig geblieben war.
„Nun ja“, murmelte Vigdis und schien verlegen. „Am Ende hat sich euer Vater dazu bereit erklärt, mir etwas unter die Arme zu greifen, wisst ihr?“
„War das bevor oder nachdem ihr euch zum tausendsten Mal gestritten habt?“, bohrte Emilia spitz nach. Elicius warf ihr daraufhin einen mahnenden Blick zu.
Vigdis antwortete nicht. Die meisten anderen Mütter hätten sich nach einer derartigen Bemerkung höchstwahrscheinlich garstig gezeigt oder hätten ihre Tochter zumindest die Leviten gelesen, Vigdis hingegen entschwand wie ein Geist aus ihrem Zimmer, stumm und wie immer auf der Flucht vor drohender Eskalation.
„Wie einfühlsam du heute wieder bist, Schwesterherz“, kommentierte Elicius ihr Verhalten mit bitterböser Stimme. Er hatte es endlich geschafft, seinen Koffer auf das Bett zu hieven und machte sich nun daran, sein Laken von den Zeitschriften zu befreien. „Merkst du eigentlich, wie sehr sie dieses Thema hasst?“
„Oh glaub mir, Elicius, ich hasse dieses Thema auch“, versicherte Emilia ihm giftig. „Noch ein Wort über unseren Vater und ich werde ihn vor lauer Freude einladen, mit uns Weihnachten zu feiern.“
Elicius` Blick blieb vernichtend. „Komm schon, reiß dich zusammen!“, knurrte er, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und ihrer Mutter aus dem Zimmer folgte.

XXXXXXX

Am Vorweihnachtsabend traf der Besuch wie angekündigt ein.
In ihrem letzten Brief hatte Vigdis davon berichtet, dass einige ihrer Verwandten geplant hatten, den Abend bei ihnen zu verbringen, auch wenn sich Emilia nach wie vor kaum einen Reim darauf machen konnte, warum die restlichen Eliassens plötzlich vermehrten Wert auf eine Familienzusammenkunft legten.
Das Klopfen an der Tür, laut genug um den tobenden Schneesturm zu übertönen, lies die schreckhafte Vigdis von ihrem Stuhl aufspringen und in Richtung des Hauseingangs eilen. Emilia und Elicius beeilten sich ihr zu folgen, so dass sie um die Ecke des Flures spähend einen ersten Blick auf die Ankömmlinge werfen konnten. Auf der Türschwelle hatte sich der übergroße Körper von Valkyrie Eliassen ausgebreitet, die sich anschickte, sich in den schmalen Flur hineinzudrängen. Ihr folgte ein Atemstoß des Sturms, der, beladen mit unzähligen Schneeflocken, durch den Eingang stob und sein kurzes Aufheulen in der Wohnung erklingen ließ.

„Guten Abend, Vigdis“, sagte die Großtante mit distanzierter Stimme, als sie sich an ihrer Nichte vorbeizwängte. Valkyries blonde Haare hatte der Wintersturm nicht unangerührt gelassen, ebenso den grauen Seehundpelz, den sie trug, doch selbst ihr zerzaustes und zerrupftes Äußeres änderte nicht viel an dem respektheischenden Erscheinungsbild der Frau.
Vigdis hauchte ebenfalls eine Begrüßung, doch ihre Worte klangen schwach und eingeschüchtert. Ihre Bewegungen waren merklich versteift, als sie sich zu der kleineren, altersgebeugten Frau hinunterbeugte, die dicht hinter der großen Valkyrie schritt und sie mit einer flüchtigen Umarmung bedachte. „Guten Abend, Mutter“, nuschelte Vigdis, ehe sie die Umarmung so schnell wieder löste, als wäre ihr ein Stromschlag in die Knochen gefahren.
Vigdis` Mutter Sigrid hatte sich in unzähligen Kleidungsschichten gehüllt und selbst ihr schütteres Haar war verborgen unter einem großen Tuch, dass sie sich aus Schutz vor der Kälte sorgsam um Kopf und Ohren gebunden hatte. Die viele Kleidung vermittelte den Eindruck einer kugelrunden Frau, doch ihr Gesicht und ihre Hände, die sich schwer auf einen Gehstock stützten, waren knochig und eingefallen und bescheinigten ihre dürre Statur.
„Mein Kind, wie geht es dir?“, erkundigte sich Sigrid, während sie sich ihrem Schal entledigte. Ihre Stimme war neutral und verriet nicht, dass Mutter und Tochter sich bereits seit einigen Jahren nicht gesehen hatten.

Vigdis antwortete nicht. Emilia sah ihr an, dass sie bedrückt war und sicherlich am liebsten das Weite gesucht hätte. Dass sie ihre Mutter und ihre Tante die Tür geöffnet hatte, musste Vigdis trotz aller Blutsverwandtschaft ähnlich vorkommen, wie ein Dutzend tollwütiger Ratten, denen man eigenhändig die Haustür geöffnet hatte.
Während sich Sigrid und Valkyrie aus ihren gut gefütterten Mänteln befreiten, fand eine dritte und letzte Person ihren Weg heraus aus dem Schneegestöber und hinein in Vigdis` karge Wohnung. Es war ein kleiner, schmaler Junge mit hellblondem Haar, den Emilia trotz seiner zierlichen Statur in etwa auf Elicius` Alter schätzte. Schlurfend und dabei den Schnee vor sich herschiebend trat auch er fröstelnd ein und ehe er einem gewaltigen Niesen freien Lauf ließ, schaffte er es sogar, Vigdis die Hand zu reichen und sie zu grüßen. „Guten Abend, mein Name ist Fredrik und - HATSCHI!“
„Der gehört zu mir“, erklärte Valkyrie, ohne sich dabei zu dem Kind umzudrehen. „Ist mein Sohn.“
„Und er ist schon wieder krank“, bemerkte Sigrid kopfschüttelnd. „Du solltest ihm mehr Lebertran geben, Schwester, denn dein Sohn ist in meinen Augen zu mickrig für sein Alter.“ Dann wandte sie sich um und entdeckte ihre Enkelkinder Emilia und Elicius, die noch immer argwöhnisch um die Ecke spähten. Ihr Gesicht hellte sich auf. „Na, wen haben wir denn hier?“, rief sie, trat vor und reichte beiden Kindern die Hand, ehe sie ihnen mit ihren altersschwach zitternden Fingern durch die Haare fuhr. „Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen, Elicius und Emilia?“
Mit der plötzlichen Freundlichkeit und dem Tätscheln hätte Emilia nicht gerechnet. Die Wiedersehensfreude ihrer Großmutter machte sie obendrein stutzig. Was hatte diese Frau - eine Hexe zudem, die keinen Wagen und kein Zugticket brauchte, um das Land zu bereisen! - all die Jahre davon abgehalten, Emilia und Elicius einen Besuch abzustatten? Gesetzt den Fall, dass ihre Freude echt war und sie es wirklich genoss, ihre Enkel wieder zu sehen, warum hatte sie sich Jahre dafür Zeit gelassen?
Erneut erschien ihr das Auftauchen der drei Verwandten verdächtig.

„Ähm, wollt ihr euch setzen?“, schlug Vigdis aus dem Hintergrund vor. „Ich habe noch zwei oder drei Stühle im Keller stehen. Wenn ich sie hole, haben wir alle genug Platz zum Sitzen -“
„Nicht nötig“, bemerkte Valkyrie mit strengem Seitenblick in Richtung ihrer Nichte Vigdis, ehe sie ihren Zauberstab hervorzog. „Wir beschaffen uns einfach auf andere Art und Weise die fehlenden Sitzgelegenheiten.
Feuerrot im ansonsten so blassen Gesicht musste Vigdis, die ausgestoßene Squib, also dabei zusehen, wie Valkyrie in Windeseile drei Stühle aus dem Nichts beschwor und nebenbei auch noch den bereits vorhandenen Stuhl mit dem angeknacksten Bein reparierte, den Emilia einige Stunden zuvor versucht hatte mit viel Klebeband zu flicken. Auch hatte Emilia das sichere Gefühl, dass Vigdis auf diese offen zur Schau gestellte Zauberkraft liebend gerne verzichtet hätte, denn jede Form der Magie und wäre es bloß ein Kartentrick gewesen, musste die Frau zwangsläufig an ihre eigene Unzulänglichkeit erinnern. Wäre sie keine Squib gewesen, hätte sie eigene Zauber freisetzen können, so wäre Vigdis` Leben mit großer Wahrscheinlichkeit besser verlaufen.
Die sechs Eliassens nahmen am Küchentisch Platz, über dem für mehrere Sekunden kaltes Schweigen hing. Kritische, bis hin zu argwöhnischen Blicken wurden in alle Himmelsrichtungen ausgeteilt.

Sigrid brach das Schweigen. „Wie geht es euch, Kinder?“, fragte sie an Emilia und Elicius gewandt.
„Ganz gut“, murmelte Emilia.
„Nein, eher fantastisch!“, wusste Elicius zu vermelden. Er schien der einzige am Tisch zu sein, dessen gute Laune sich nicht angesichts der schlechten Stimmung trüben ließ. „In der Schule läuft es gut, aber es ist auch schön, wieder hier zu sein! Gestern haben Emilia und ich einen Wal in der Bucht gesehen!“
„Wirklich?“ Sigrid schien interessiert. „Ist der Wal so nah ans Land geschwommen?“
Elicius nickte eifrig. Emilia schwieg. Vigdis schien zur Salzsäure erstarrt zu sein.
„Weißt du“, fuhr Sigrid fort. „Bei uns im Norden sieht man ständig Wale. Wenn dich diese Tiere so interessieren, solltest du uns besuchen kommen, Elicius.“
Die Eliassens lebten seit vielen Generation - und vielleicht mochte ihr Stammvater bereits dort gelebt haben - am nördlichsten Zipfel des Landes, dort, wo das Wetter nur rauer, das Meer noch wilder und die Landschaft tierreich, aber fast menschenleer war. Emilia war selbst im hohen Norden geboren worden, doch ihre Mutter Vigdis hatte es hinab in den Süden in die Städte gezogen, wo man nicht jeden Tag den kritischen Blicken der immer gleichen Menschen ausgesetzt war, dorthin, wo nicht jeder dritte Mann oder jede dritte Frau auf irgendeine Weise mit ihr verwandt war.

„In Fuglefjell kann ich manchmal auch Wale beobachten“, meldete sich der Junge, Fredrik, zu Wort. Zuvor hatte er eine Weile verschüchtert auf seine Hände geblickt und seinen Fingern dabei zugesehen, wie sie an einem Brandloch in der Tischdecke spielten, nun schien er aber endlich den Mut aufgebracht zu haben, den Mund aufzumachen. Seine Stimme war leise und heiser, seine kaum überstandene Erkältung ließ sich noch deutlich heraushören. Er wagte es sogar, kurz Emilias Augenkontakt zu suchen, ehe er seinen Blick erneut verschüchtert senkte. „Hast du während deiner Schulzeit dort auch Wale gesehen?“, wollte er von ihr wissen.
Emilia nickte, doch als sie begriff, das der Junge, der das Karomuster auf der Tischdecke anfixierte, ihr Nicken nicht sehen konnte, sagte sie knapp: „Ja, die schwimmen da ständig auf und ab diese Viecher.“
„Es ist übrigens Fredriks erstes Jahr auf Fuglefjell“, berichtete Valkyrie über ihren Sohn. „Letztens hatten sie dort einen Wettbewerb im Kesselbootfahren, aber Fredrik ist ein solcher Feigling, dass er sich nicht getraut hat in den Kessel zu steigen“, fuhr sie fort und sah ihren dabei Sohn vernichtend an. „Das saure Blut seines Vaters hat aus Fredrik einen kümmerlichen Feigling gemacht.“ Sie rümpfte die Nase. Sigrid, die neben Valkyrie saß, nickte bestätigend mit dem Kopf. Fredrik hingegen fixierte weiterhin die Tischdecke an und schien nicht einmal im Traum daran zu denken, vor der Verwandtschaft seine Ehre zu retten.

„Bist du auch ein Feigling, Elicius?“, wollte Valkyrie unverwandt wissen, beugte sich mit ihrem schweren Oberkörper näher zu ihm und ihre großen, gelblichen Augäpfel schienen ihr fast aus den Höhlen kullern zu wollen.
„Nein“, antwortete Elicius mit unerschütterlicher Stimme, die selbst der dicken Valkyrie klarmachen musste, dass er sie nicht belog.
„Elicius hat mal einen großen Hund vertrieben, der sich auf ein jüngeres Kind stürzen wollte“, fügte seine Mutter Vigdis hinzu. Sie saß noch immer wie erstarrt und mit angespannten Rücken am Tisch und gab dabei eine ebenso kümmerliche Figur wie Fredrik Eliassen ab.
„So?“ Die Großtante zog eine ihrer blonden Augenbrauen hoch: „Na, das gefällt mir! Mein Fredrik wäre vor Schreck tot umgefallen, wenn ihm nur ein Pudel über den Weg gelaufen wäre, was Fredrik?“
Fredrik ließ von der Tischdecke ab und richtete seinen angestrengten Blick auf seine Knie, als würde er hier den seelischen Beistand finden, den er so dringend brauchte.
Großmutter Sigrid lenkte das Gespräch unvermittelt in eine andere Richtung. „Uns ist natürlich zu Ohren gekommen, wie gut deine schulischen Leistungen sind, Elicius“, sagte sie. „Du weißt, dass wir gekommen sind, um uns deswegen mit dir zu unterhalten.“
Emilia warf ihrem Bruder einen Seitenblick zu. Nun endlich hatte man das Geheimnis ausgesprochen, das Elicius ihr so lange zu verschweigen versuchte und das sie längst erahnt hatte. Ihre schlimmsten Befürchtungen wurden schlagartig bestätigt und in dem gespannten Schweigen, das sich erneut unter den Eliassens ausgebreitet hatte, glaubte sie bereits das Kommende zu erspüren.

„Wir haben mit der Direktorin von Fuglefjell gesprochen“, berichtete Sigrid mit gewinnendem Lächeln im altersschlaffen Gesicht. „Und die Direktorin teilte uns mit, das es nun, da deine Mutter wieder in Norwegen lebt, kein Problem ist, dich in Fuglefjell einschreiben zu lassen.“
„WAS?!“, entfuhr es Emilia.
„WIRKLICH?“, rief Elicius voller Begeisterung. „Das ist ja großartig!“
Emilia wurde schlecht. Ätzende Wut breitete sich in ihrem Körper aus, doch statt laut und erbost über diesen unverschämten Vorschlag aufschreien zu können, raubte ihr diese Wut jegliche Kraft. „Warum?“, fragte sie mit brüchiger Stimme und blickte von einem zum anderen. „Warum soll er die Schule wechseln?“ Und an Elicius gewandt: „Warum willst du die Schule wechseln?“
Elicius wich ihrem anklagenden Blick aus. Und schwieg.
„Pah“, machte Valkyrie. „Es ist doch nur verständlich, Mädchen! Seine gesamte Familie lebt in Norwegen, warum sollte er also nicht hier zur Schule gehen?“
Emilia lebte nicht in Norwegen! Wie konnte Elicius die restliche, kaum bekannte Familie wichtiger sein als seine Schwester?
„Fuglefjell ist eine gute Schule mit einem herben Unterricht, der seine Fähigkeiten fördern wird. Ganz anders als das exzentrische Hogwarts im exzentrischen Großbritannien“, versicherte Sigrid derweil mit stolzgeschwellter Brust. „Elicius wird es dort gut gehen. Was sagst du dazu, Elicius, mein Junge?“

Elicius wich auch dem Blick seiner Großmutter aus. Er schien überrumpelt, doch Emilia hatte den Eindruck, dass er nur ihretwegen versuchte, seine Freude über die plötzliche Nachricht bestmöglich zu kaschieren. Statt also vor lauter Glück zu lächeln, schauspielerte er einen nachdenklichen Ausdruck in sein Gesicht.
„Keine Sorge“, versicherte Sigrid ihm sanft. „Wir bleiben so lange bis du dich entschieden hast. Du musst dich bei deiner Antwort nicht hetzen.“
Dankbar nickte Elicius.
„Nun denn, wir warten!“ Valkyrie klopfte zustimmend mit der Faust auf dem Tisch, ehe sie sich an Vigdis wandte. „Ich hoffe nur du hast vorgesorgt, Vigdis, und irgendwas Gutes im Hause. Mein Fredrik braucht ein bisschen Speck auf den Rippen, sonst bricht er bald in der Mitte durch, der kleine Schwächling.“ Sie sah sich in der schäbigen Küchenzeile um, ihr Blick wanderte über den tropfenden Kühlschrank, die flackernden Lampen und dem leeren Vorratsregal. „Zum davonlaufen, Vigdis. Einfach zum davonlaufen“, tadelte sie kalt. „Selbst eine Squib wie du sollte mit mehr Würde leben als ein verarmter Muggel. Du solltest dich schämen den Namen Eliassen zu tragen.“
Vigdis senkte geschlagen den Blick und erhob sich dann wie automatisch vom Tisch. „Ich hab ein paar Käsecracker. Das Telefon ist kaputt, sonst hätte ich etwas zu Essen bestellen können. Tut mir leid.“
Sie stellte Großtante Valkyrie die halbleere Schachtel Cracker vor die gerümpfte Nase und Valkyrie machte sich sogleich daran, Fredrik einige Cracker herauszusuchen.
„Ich hab keinen Hunger“, sagte dieser leise, aber seine Mutter bedachte ihn mit einem strengen Blick, während sie ihm die Cracker hinschob. „Es wird gegessen was auf den Tisch kommt, oder willst du ewig so klein bleiben?“

Während Fredrik traurig auf seiner Mahlzeit herum kaute, nutzte Sigrid ihrerseits die Gelegenheit, aus der Tasche ihres Anoraks einen Stapel Zauberphotos herauszuziehen, die sie in etwas Pergament eingeschlagen hatte. Sie reichte Elicius die Photos. „Warum wirfst du nicht mal einen Blick drauf? Es sind ein paar Familienphotos dabei und unser Fredrik hat sogar Photos von Fuglefjell geschossen. Aber sieh selbst.“
Emilia musste ihren Kopf ziemlich strecken, um einen Blick auf die Photos werfen zu können. Die ersten Bilder zeigten eine große Familie, die ganz offensichtlich ein ausgelassenes Familienfest feierte. Einige Verwandte kamen ihr bekannt vor, auch wenn sie viele von ihnen das letzte Mal vor Jahren gesehen hatte. Die Familienähnlichkeit zwischen den einzelnen Personen des Motivs war erdrückend: Die meisten trugen die unterschiedlichsten Nuancen Blond bis hellbraun zur Schau, waren hoch gewachsen und stämmig, wobei selbst die jungen Mädchen bereits kräftiger wirkten, als die gleichaltrigen Jungen. Emilia erkannte sich in keiner der Gestalten wieder. Mit ihren schwarzen Haaren, ihren viel zu dunkelblauen Augen und der schmächtigen Statur fühlte sie sich wie ein Kuckuckskind.
„Tolle Familie, nicht wahr?“, fragte Großtante Valkyrie und ihre drachenartige Stimme war nun überraschend weich. „Man wird sich sicher freuen, dich kennen zu lernen, Elicius.“
Ein Großteil der photographischen Abbilder starrte so mürrisch in die Kamera, als sei im das Wort „Freude“ nicht einmal ansatzweise bekannt, doch das schien niemandem außer Emilia aufzufallen. Denn Elicius schien begeistert.

Nachfolgende Photographien zeigten die Zauberschule Fuglefjell, ein großes, steinernes Gebäude, dessen massive Mauern dem Meer trotzen, dessen Sturmwellen nach ihm leckten und bissen. Fuglefjell lag hoch oben auf einem spitzen Felsen, doch der Übergang zwischen Fels und den von Menschen errichteten Steinen war fließend, die Schule war wie ein Berg, aus dem ein Gebäude von der selben Farbe spross, eingebettet in einer Landschaft, die so weit nördlich lag, dass es außer Wildblumen kaum mehr als ein paar Dutzend verkrüppelter Nadelbäume gab.
Emilia kannte diesen Anblick nur zu gut, doch statt mir Ehrfurcht erfüllte er ihn mit Wut. Wut, weil sie wusste, welch verlockende Anziehungskraft von Fuglefjell ausging und auf Elicius einwirkte.
„Eine großartige Schule, stimmt`s?“, fragte Sigrid. „Schau, hier hat Fredrik ein paar Aufnahmen vom Gemeinschaftsraum gemacht.“
„Was soll das eigentlich?!“ Emilia hielt es nicht mehr auf ihrem Stuhl aus. Sie sprang auf, wild entschlossen, ihren garstigen Verwandten endgültig die Stirn zu bieten. „Ihr lockt ihn!“, brüllte sie. „Ihr versucht meinen Bruder nach Fuglefjell zu locken! Aber das ist nicht fair! Er geht in Hogwarts zur Schule und dort wird er bleiben! Es gefällt ihm dort!“
Valkyrie starrte sie an wie ein ekelhaftes Insekt. „Oh, wirklich?!“ Sie spielte die Verblüffte. „Was bist du bloß für ein egoistisches Ding, Emilia! Hier in Norwegen hätte dein Bruder seine Familie um sich -“
„Aber ich bin seine Schwester!“, schrie sie. „Ihr habt euch nie um ihn gekümmert, aber jetzt, wo er gute Noten hat, tut ihr so, als läge er euch am Herzen!“

Wie Emilia so sprang nun auch Valkyrie auf. Ihr Stuhl kippte nach hinten auf den Boden und ihre laute Drachenstimme dröhnte in dem Raum wider, als sie rief: „Pass auf was du sagst! Du Göre, was weißt du denn schon?! Du kannst doch kaum zaubern! Du wirst sehen, man wird dich früh genug aus Hogwarts werfen sobald sie erkannt haben, dass du kaum mehr von Magie verstehst als deine Mutter! Und nachdem man dich dort rausgeworfen hat, wird dein Bruder in Hogwarts niemanden haben! Dann ist er ganz alleine in einem fremden Land! Willst du das? Willst du das?!“
„Ich bin keine Squib!“, verteidigte sich Emilia resolut.
„Pah, aber du bist sehr nah dran, eine zu sein!“ Valkyries silberhelle Augen bedachten sie mit einem hässlichen Blick. „Dein Bruder gehört zu seiner Familie, so ist das nun mal!“
Emilia sah sich nach Unterstützung um. In ihren Augen hatten sich die ersten, verräterischen Tränen gesammelt, so dass es ihr schwer viel, Elicius klar und deutlich zu erkennen, der noch immer auf seinem Stuhl saß und die Photos auf dem Küchentisch betrachtete. Nach wie vor schwieg er sich aus.
„Sag doch was dazu!“, flehte sie aufgebracht.

Elicius sagte nichts. Vigdis sagte nichts. Emilia stand alleine ihrer Großmutter und ihrer Großtante gegenüber, mit dem schrecklichen Gefühl in der Brust, für eine verlorene Sache zu kämpfen. Elicius hatte sich bereits entschieden. Lange bevor sie zurück nach Norwegen gekehrt waren, hatte seine Entscheidung, heimzukehren, festgestanden. Die Feststellung, dass es vielleicht nichts mehr zu rütteln gab, dass aller Wahrscheinlichkeit nach das letzte Wort bereits gefallen war, ließ die wohlbekannte Kraftlosigkeit erneut in Emilias Körper fahren. Alles was sie jetzt noch tun konnte, war, sich zu fragen, warum ausgerechnet ihr Bruder ihr auf diese Weise in den Rücken fiel und sie hinterging. Zugegeben, Emilia war es gewöhnt, niemandem vollkommenes Vertrauen zu schenken, doch Elicius hatte hierbei die Ausnahme gebildet: Hätte sie ihr Leben in seine Hand geben müssen, sie hätte es ohne zu Zögern getan. Bis vor kurzem jedenfalls. Nun fühlte sich Emilia wie ein Mädchen, das man absichtlich auf einer einsamen Insel vergessen hatte. Ihr eigener Bruder hatte sie verraten und die Welt um sie herum schien wie aus den Angeln gehoben, hatte sie doch auch den letzten Rest an Sicherheit verloren.

Emilia wandte sich von dem Küchentisch ab, während sie spürte, wie sich die verärgerten Blicke von Sigrid und Valkyrie in ihren Rücken bohrten. In ihrem alten Kinderzimmer war es eisigkalt, noch immer war die Heizung nicht repariert, und Emilia griff sich die Wolldecke von ihrem Bett und legte sie um ihre Schultern, ehe sie sich setzte.
Abwarten, sagte sie sich streng, während sich in ihren Augen erneut Tränen sammelten. Doch Tränen nützten in diesem Moment ebenso wenig wie Worte und gute Argumente, Elicius würde seine Entscheidung alleine fällen müssen.
In ihrem Zimmer blieb Emilia lange alleine. Aus der Küche drang das Gemurmel der Erwachsenen zu ihr hinein, doch selbst die laute Stimme Valkyries hatte sich zu einem geheimnisvollen Flüsterton gewandelt.
Emilia fühlte sich wie eine Aussätzige.

Irgendwann tauchte Fredrik an ihrer Tür auf und spähte ihr vorsichtig entgegen. Sie hatte ihren Cousin zuvor noch gar nicht richtig wahrgenommen, höchstens als ein schmächtiges Anhängsel seiner überdimensionalen Mutter. In der Dunkelheit des Flures wirkte der Junge mit der blassen Haut und dem allzu feinen, blondem Haar wie ein Gespenst. Das erste Gespenst, das es schaffte, noch im Tod todkrank auszusehen.
„Was willst du?!“, knurrte Emilia.
Fredrik zuckte zusammen und machte eine Bewegung, als ob er im Anbetracht ihres garstigen Tonfalls nichts lieber getan hätte, als zu verschwinden. Doch der Junge riss sich zusammen und blieb an Ort und Stelle stehen, nicht ohne sich jedoch hilfesuchend an den Türrahmen zu stützen.
„Ich kann verstehen, dass du traurig bist“, hauchte er und blickte scheu zu Boden. „So?“, machte Emilia und spielte die Unbeeindruckte. „Du bist doch sicherlich auch bloß hier, um meinen Bruder zu überreden, stimmt`s? Deine tollen Photos von Fuglefjell - oh, was für ein Zufall!“
Fredrik schüttelte heftig den Kopf und duckte sich noch näher an den Türrahmen, als verspreche dieser ihm Schutz. „Die Photos habe ich bloß so gemacht“, sagte er. „Ich photographiere gerne.“
„Toll, mach weiter so“, murmelte Emilia triefend vor Sarkasmus, Hohn und Verachtung. Ihrer Meinung nach war Fredrik Teil eines abgekarteten Spiels, eines Verbrechens: Man lockte ihren Bruder fort, köderte ihn mit Versprechungen einer heilen Familienwelt als wäre es Schokolade. Und in diesem Spiel war niemand auf Emilias Seite.

„Ich habe nachgedacht“, berichtete Fredrik ihr, während er geistesabwesend mit einer seiner babyblonden Haarsträhnen spielte. Er wirkte ungemein kindlich. „Ich meine, Elicius wollte wirklich gerne zurück nach Norwegen. Das hat mir meine Mutter so erzählt. Er hat Briefe geschrieben. Wusstest du das?“
Emilia schüttelte den Kopf.
„Er hat sich sein ganzes Leben auf Fuglefjell gefreut. Und dann, als eure Mutter sich aus dem Staub gemacht hat, hat man ihn in Hogwarts eingeschrieben. Das hat ihn enttäuscht.“
„Was weißt du schon?“, giftete Emilia ihren Cousin an. „Hogwarts ist toll!“
Er zuckte mit den Schultern. „Sicherlich. Das glaube ich dir. Aber Elicius hat sich auf Fuglefjell gefreut. Auf die Fächer, die dort unterrichtet werden und so. Außerdem lebt die Familie nun mal hier-“
„Familie!“, spuckte Emilia das Wort angeekelt aus. „Was weißt du schon! Du bist ein jämmerliches Muttersöhnchen! Deine Mutter ist wie der Teufel! Alles was diese Familie kann, ist, Verwandte zu verstoßen und wieder aufzunehmen wann immer sie Lust dazu hat!“
Doch Fredrik reagierte nicht auf ihre herben Anschuldigungen. Weiterhin zwirbelte er seine Haarsträhne um den kleinen Finger, lehnte an dem Türrahmen und blickte zu Boden.
„Ihr seid der letzte Dreck!“, zischte Emilia. „Ständig tut ihr, als wärt ihr so viel besser als meine Mutter, aber lieber bin ich bei ihr, als euch ertragen zu müssen!“ Emilia war von ihrem Bett aufgesprungen und hatte sich gegenüber ihrem Cousin aufgebaut, doch das Bedürfnis, nach einem Gegenstand zu greifen und ihm Buch, Kerzenhalter oder Bügeleisen an den Kopf zu schleudern, verflüchtigte sich, als sie die Tränen in seinen hellen Augen bemerkte. Obwohl Fredrik nichts mehr tat, um die Eliassens vor ihren Beleidigungen zu schützen, schienen ihre Bemerkungen ihn schwer getroffen zu haben.
Vielleicht war ihm aber auch die Erkenntnis gekommen, dass Emilias Worte der Wahrheit entsprachen.

Gerade als Fredrik sich von seinem sicheren Türrahmen zurückzog und offenbar sein Heil in der Flucht suchen wollte, wurden Schritte auf dem Flur laut. Wie eine fette Glucke kam Valkyrie herbeigeeilt und nahm ihren Sohn sogleich in Schutz. „Was ist passiert?“, wetterte sie, als sie die Tränen in Fredriks Augen sah. „Habt ihr euch gestritten?!“
Hinter Valkyrie schob sich Sigrid in Emilias Sichtfeld und Vigdis und Elicius zwängten sich an beiden Frauen vorbei und hinein in das Kinderzimmer, in dem Emilia Stellung bezogen hatte. Die Blicke von Vigdis und Elicius waren so ausweichend und ohne jede Hilfe für Emilia, wie Valkyries und Sigrids Blicke bohrend und feindselig waren.
„Nun?“, wollte Sigrid wissen, während sie ihren Blick zwischen Emilia und Fredrik hin- und herpendeln ließ. „Was war das für ein Streit?“
Schluchzend - und dafür schien er sich unheimlich zu schämen -antwortete Fredrik: „Ich habe Emilia bloß versucht zu erklären-“
„Dass ihr alle hinterlistig und unfair seid!“, schnitt Emilia ihrem Cousin das Wort ab. „Und Elicius ist ein Scheißkerl!“ Vernichtend sah sie ihrem Bruder entgegen, doch ihr brennender Blick traf nur auf seine abwehrende Körperhaltung.
„Untersteh dich!“, fauchte Valkyrie. Ihre Stimme schien an dem gesamten Haus rütteln zu wollen.

Doch Emilia hörte nicht auf sie. Ohne Elicius aus den Augen zu lassen, erklärte sie bitterlich: „Er hätte es mir früher sagen sollen!“ Und eindringlich an ihren Bruder gewandt fügte sie hinzu: „Ich bin extra wegen dir hier! Du hast gesagt, wir würden hier ein paar tolle Ferientage verbringen! Aber du hast mich angelogen! Du wolltest nur nach Norwegen zurückkehren, um deinen Schulwechsel über die Bühne zu bringen!“
Ihre kurze Ansprache schien Elicius endlich seine Schuldigkeit vorzuführen, er öffnete seinen Mund und schien sich mit einer Erklärung an Emilia wenden zu wollen, doch statt tröstender Worte begegnete er ihr bloß erneut mit Schweigen.
„Elicius!“, drängte sie. „Sag etwas!“
„Es tut mir leid“, murmelte er schließlich. „Ich hätte es dir wirklich früher sagen sollen, aber ich wusste nicht, wie du reagieren würdest … außerdem war der Schulwechsel davor noch längst nicht entschieden. Ich habe erst heute alles erfahren.“
Doch Emilia war längst nicht am Ende ihrer Schuldzuweisung angekommen. „Alles hinter meinem Rücken!“, rief sie. „Du hast Briefe geschrieben, hast von deinen guten Noten erzählt - alles nur damit du Hogwarts verlassen kannst! Du lässt mich im Stich!“
Valkyrie, die noch immer in der Tür stand und den zierlichen Fredrik dabei offenbar mit ihrem Körper von dem hitzigen Streitgespräch abzuschirmen versuchte, schnaubte unbeeindruckt. „Er lässt dich nicht im Stich, Mädchen! Du bist selbst nur noch ein paar Monate in Hogwarts, ehe man dich auf Grund deiner Squibhaftigkeit rauswerfen wird! Und dann kommst auch du zurück nach Norwegen. Du kannst auf die selbe Muggelschule wie deine Mutter gehen.“
In Valkyries Ohren mochte das Angebot vielleicht verlockend klingen, für Emilia hingegen war es wie eine Drohung, eine offene Fleischwunde, die man mit einem Messer malträtierte und die sie weder jetzt noch in Zukunft ertragen würde. Sie aus der Zauberwelt auszuschließen, bedeutete für Emilia, den selben Lebensweg wie die armselige Vigdis beschreiten zu müssen - und dieser Lebensweg war für ihre Mutter wie eine Irrfahrt ohne Wiederkehr gewesen!

Unerwartet jedoch, mit einer schwachen Stimme zwar, ergriff Vigdis das Wort und nahm ihre Tochter in Schutz. „Emilia kann zaubern“, sagte sie. „Sie ist nicht wie ich. Ich will nicht, dass sie eine Muggelschule besucht-“
„Mach dich doch nicht lächerlich, Vigdis!“, unterbrach die alte Sigrid sie, die, obwohl auf ihren Gehstock schwer gestützt, ihre stille Autorität bis in die kleinsten Ecken des Zimmers zu versprühen schien. „Das bisschen Magie wird Emilia nicht dabei helfen, einen Schulabschluss zu ergattern. Weder in Hogwarts noch sonst wo. Seien wir fair zu ihr. Sie ist sicherlich ein kluges Kind, in der Muggelwelt kann sie es zu etwas Gescheites bringen, vielleicht eine Universität besuchen. Man sollte ihr wenigstens diese Chance lassen.“
„Was ist nun?“, wandte sich die fette Valkyrie voller Ungeduld an Elicius. „Hast du dich endlich entschieden?“
Alle Blicke richteten sich auf den Jungen, der mit hochgezogenen Schultern und bangem Gesichtsausdruck in der Mitte des Kinderzimmers stand, seit langem so unbewegt, als befände er sich in einem Schockzustand. Der Ausdruck in den Gesichtern von Sigrid und Valkyrie war voll positiver Erwartung; Fredrik wischte sich die letzten Tränen aus seinen veilchenblauen Augen; Vigdis wirkte auf Grund der gereizten Stimmung eher verschreckt als alles andere und kaute auf ihrer Unterlippe herum, als würde sie sich selbst für den Mut strafen wollen, dass sie sich überhaupt zu Wort gemeldet hatte. Emilia hingegen spürte nicht viel mehr als einen angstvoll flatternden Vogelschwarm in ihrer Brust. Ihr Herz pumpte schnell und ließ das mit Furcht und Panik vermengte Blut durch ihren Körper jagen, so dass jede Zelle in ihr bald verseucht war von der bangen Angst, ihren Bruder zu verlieren.
Dass er ihr freiwillig verloren ging.

Elicius wandte sich an die Erwachsenen. „Könnte ich ganz kurz mit Emilia reden?“, bat er. „Alleine.“
Vigdis, Valkyrie und Sigrid erfüllten ihm den Wunsch und verschwanden zusammen mit Fredrik zurück in die Küche. Kaum war die Tür des Kinderzimmers hinter ihnen zugefallen, konnte Emilia den Druck in ihrer Brust nicht mehr standhalten. Sie brach in Tränen aus.
„Warum tust du mir das an?!“, rief sie und fuhr sich dabei mit dem Arm entschieden über das Gesicht. „Ich habe so lange nicht mehr geheult! Ich hatte fast vergessen, dass es diesen Mist überhaupt gibt!“
„Irgendwie hatte ich gehofft dass du in Tränen ausbrechen würdest“, gestand er ihr zögerlich. „Wenn es dich kalt gelassen hätte, wäre der Abschied noch schlimmer.“
Daraufhin versuchte Emilia mit allen Mitteln, neues Tränenvergießen zu verhindern. Als ihr dies endlich mehr oder weniger gelungen war und auch ihre Stimme nicht mehr von elendigem Schluchzen durchschüttelt wurde, mühte sie sich zu sagen: „Ich wünschte, es würde mich kaltlassen. Etwas anderes verdienst du nämlich nicht. Du bist ein hinterlistiger Scheißkerl!“
„Ich bleibe sicherlich nicht für immer in Fuglefjell. Bestimmt nicht!“
„Warum gehst du dann überhaupt dorthin?!“
„In Hogwarts fühle ich mich so alleine. Ich habe dich, ja, aber alle anderen Verwandten sind in Norwegen. Und in Fuglefjell gibt es eine Menge Cousins und Cousinen … ach, ich wünschte du könntest das verstehen, Emilia! Es ist vielleicht die letzte Möglichkeit mit den restlichen Eliassens Frieden zu schließen, ehe man sich endgültig aus den Augen verliert!“
„Aber warum?!“, rief sie. „Warum legst du wert darauf?!“ Doch natürlich stand die Antwort darauf schon seit langem fest. Hatte sich Elicius nicht schon immer nach der familiären Zuneigung gesehnt, die man ihm von Geburt an so vehement verwehrt hatte? Selbst seine Mutter Vigdis hatte er stets versucht in Schutz zu nehmen, wohingegen Emilia nie müde gewesen war, sich Vigdis gegenüber so widerborstig und unnahbar wie möglich zu verhalten. Dieser grundlegende Unterschied war das Problem: Elicius verzehrte sich nach etwas, das er bisher nicht kennen gelernt hatte, während Emilia sich unlängst damit abgefunden hatte, ihr Dasein außerhalb eines schützenden, fürsorglichen Familienkreises zu fristen.

Schweigend machte sich Elicius daran, seinen Koffer unter dem Bett hervorzuziehen und sein Hab und Gut darin zu verstauen. Emilia beobachtete ihn dabei und ihr Körper bebte vor Entrüstung. „Du willst es also wirklich tun?!“, stieß sie hervor.
„Ich habe es mir so lange gewünscht. Jetzt habe ich endlich Gelegenheit dazu.“
Die Bedeutung seiner Worte hämmerten sich in ihren Kopf, doch im ersten Moment konnte sie sich nur darüber wundern, wieso ihr Herz nicht in tausend Teile zersprang. Der Mensch, der ihr bisher der liebste und wichtigste unter all den Milliarden Menschen gewesen war, hatte ihr hinterrücks ein Messer zwischen die Rippen gejagt. Er ließ sie im Stich. Er zog Fuglefjell ihr vor! Und was würde geschehen wenn sie beide, voneinander getrennt von Grenzen und Wasser, auseinander driften würden und Elicius sie vergaß, so wie der Rest der Familie Emilia vergessen zu haben schien?
„Bitte sei nicht zu böse auf mich, ja?“, bat er, nachdem er auch seinen letzten Pullover in dem Koffer verstaut hatte und ihn zuklappen ließ. Noch immer wich er ihrem Blick aus, Emilia ahnte, dass ihn sein Schuldbewusstsein dazu trieb, die Augen gesenkt zu halten.
„Aber ich bin böse!“, schrie sie ihn an. „Du lässt mich alleine! Wieso sollte ich gut finden, dass du jetzt das Weite suchst?!“
„Ich dachte, du könntest es vielleicht verstehen-!“
„Kann ich aber nicht! Ich will es nicht!“ Emilias Wut stand kurz vor dem Siedepunkt, ihre Stimme wurde lauter, ihre Worte verletzender und vielleicht hätte sie letzten Endes sogar einen echten Schlagabtausch in Kauf genommen, wären die Erwachsenen nicht in diesem Moment zurückgekehrt. Die Tür des Zimmers flog auf, wurde dabei fast zerschmettert, und Valkyrie trat ein. „Was für eine billige Verarbeitung!“, tadelte sie mit Blick auf den langen Riss, der das Holz der Tür nun vertikal von oben nach unter zerschnitt. „Verstehen Muggel etwa nichts vom Häuserbau oder hast du an den Türen gespart, Vigdis, um dir noch mehr Schuhe und Alkohol leisten zu können?!“

Vigdis folgte der Großtante auf den Fersen, doch bei diesen ungerechtfertigten Anschuldigungen, machte sich noch kleiner als sie ohnehin schon war, ganz so, als ob sie hoffte, auf diese Weise durch irgendeine Fuge entkommen zu können.
Valkyries hässliche Bemerkung kam Emilia jedoch recht. „Siehst du wie krank diese Leute sind?!“, bellte sie ihren Bruder an, während sie ihren vor Wut zitternden Zeigefinger auf die behäbige Gestalt ihrer Großtante richtete. „Die haben alle ein Rad ab!“

Grabschend packte Valkyrie nach ihrem ausgestreckten Arm und presste ihn gegen Emilias Seite, um sie nach Art eines Polizeigriffes ruhig zu halten. „Nun ist aber gut!“, mahnte Valkyrie. „Du bringst dich nur in Verlegenheit, Mädchen.“
Emilia kämpfte fluchend gegen den Griff an, jedoch waren ihre Mühen angesichts der schraubstockartigen Umklammerung vergebens.
„Na, na!, tadelte Valkyrie sie derweil verächtlich. „Bei einem so bockigen Mädchen wie dir, ist es verständlich, dass deine Mutter so überfordert ist, oder?
Völlig unerwartet sorgte Vigdis für Unterstützung. Sie trat auf die wuchtige Valkyrie zu und legte bedächtig ihre Hand auf den dicken Arm ihrer Tante, der Emilia im Zaum gehalten hatte. „Ich bitte dich, lass sie los“, sagte Vigdis leise und fast hätte man ihre Stimme bei der allgemeinen Lautstärke, die in dem Zimmer herrschte, überhören können. Und trotz all der Zartheit dieser Stimme, Emilia hörte den verärgerten Klang im Tonfall ihrer Mutter deutlich.
„Bitte, du wirst ihr noch wehtun“, wiederholte Vigdis von neuem und diesmal reagierte Valkyrie und ließ Emilia los, die sich noch immer bockig gegen den festen Griff wehrte. Vigdis griff Emilia sanft bei der Hand und zog sie näher zu sich, hinfort von Valkyries Eisberg-ähnlicher Gestalt und aus der Reichweite ihrer Hände.
Valkyrie nutzte die Gelegenheit, Mutter und Tochter einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. „Freches Gör!“, knurrte sie und versprühte dabei ihr Gift. „Unsere Familie als krank zu bezeichnen-!“

Mit einem Schwall weiterer Beschuldigungen auf der Zunge, trat Emilia einen Schritt vor, doch Vigdis` Griff hielt sie zurück. Es war kein starker Griff, Emilia hätte dagegen ankämpfen und sich mit einem Ruck losreißen können, doch hatte sie auch das Gefühl, an der Seite ihrer scheuen Mutter sicher vor einer weiteren Eskalation zu sein. Und die Blicke, mit denen Valkyrie und Großmutter Sigrid sie traktierte, waren von einer so mahnenden Natur, dass Emilia besser auf Abstand blieb.
Elicius hatte sich während der ganzen Zeit nicht gerührt und auch der kleine Fredrik schien zur Salzsäule erstarrt zu sein. In dem Kinderzimmer herrschte eine drückende, fast feindselige Stimmung, in der sich die beiden Parteien gegenseitig kritisch beäugten. Dennoch war sich Emilia sicher, das keiner der hier Versammelten auch nur annährend das gleiche Maß an Wut verspürte, wie sie es tat.
Als Elicius auch weiterhin keine Anstallten machte, sich in Bewegung zu setzen, wandte Valkyrie ihren mächtigen Kopf in seine Richtung und fixierte ihn mit ihren aufgebracht funkelnden, stahlblauen Augen. Dennoch war ihr Tonfall sehr behutsam, als sie ihn ansprach: „Hast du deinen Koffer nun gepackt?“, erkundigte sie sich. „Die Eliassen-Familie bereitet zuhause gerade ein gemütliches Weihnachtsessen vor und sie werden entzückt sein, dich richtig kennen zu lernen. Viele deiner Cousins und Cousinen werden ebenfalls da sein.“

Großtante Valkyrie schien zwar von kaum etwas Ahnung zu haben, aber ein verlorenes Kind zu ködern, war offensichtlich ihre Spezialität.
Dennoch zögerte Elicius sichtlich und sein Blick wanderte zu Emilia. Er sah schuldbewusst aus und angespannt, aber in seinen braunen Augen erkannte Emilia auch eine ferne Sehnsucht. Er freute sich auf den Ort und auf die Familie, die ihn erwartete, aber ebenso deutlich war ihm auch die Trauer anzusehen, im Anbetracht des Trümmerfeldes, dass er hier zurückließ.
„Emilia?“, sagte er. „Nimm es nicht persönlich, in Ordnung?“
Kurz regte sich in Emilia das Verlangen, ihm einen Schlag in die Magengegend zu verpassen, doch ihre Mutter verstärkte den Griff um ihr Handgelenk flehend, so dass Emilia von dieser Idee abließ. Ohnehin fühlte sie sich zu ausgelaugt und kraftlos für derlei Dinge. Ihr Bruder war im Begriff zu gehen und er nahm all ihre Stärke mit sich.
„Mach doch was du willst!“, rief sie. Die Tränen, die sich in ihren Augen sammelten, verkniff sie sich energisch. „Geh wohin du willst, es ist mir egal. Wenn du mir den Rücken zukehren willst, nur zu! Ich habe dir ohnehin nichts mehr zu sagen!“

Tatsächlich brütete ein so immenser Hass in Emilias Brust, dass sie sich gut vorstellen konnte, ihren Bruder nie wieder in die Augen zu sehen und nie wieder ein Wort mit ihm zu wechseln. Wenn Elicius seinen Koffer nehmen und gehen würde, wäre der Schmerz für Emilia ohnehin zu groß, um ihn je tilgen zu können. Er war ihr Vertrauen nicht mehr wert.
Elicius biss sich bei den Worten auf die Unterlippe, doch seine Entscheidung geriet dabei nicht ins Wanken. Die Aussicht auf eine fürsorgliche Familie, die hoch im Norden auf ihn wartete, war zu mächtig zu verlockend.
Schließlich riss sich Elicius los, atmete einmal tief durch, ehe er seinen Koffer wuchtete und ihn Valkyrie übergab. Dabei vermied er jeden Blickkontakt mit Emilia oder seiner Mutter. „Okay“, teilte er der wuchtigen Dame mit. „Ich bin jetzt soweit. Wir können gehen.“
Er ging tatsächlich.
Und Emilia hatte das Gefühl, das ihr das Herz in der Brust zerschellte und verblutete.
Großtante Valkyrie zeigte sich zufrieden. „Das freut mich zu hören, mein Lieber.“ sagte sie sanft. „Das war die richtige Entscheidung, keine Sorge.“
Elicius drehte sich noch einmal zu Emilia und Vigdis um. Der Abschied zeichnete sein Gesicht schwer. „Wir sehen uns wieder, ja?“, sagte er bemüht. „Und Emilia? Die Weihnachtsgeschenke liegen unter dem Bett, okay?“
„Da können sie meinetwegen auch vergammeln.“
„Bitte nicht.“ Elicius` Stimme begann zu bröckeln. „Bitte verzeih mir.“
Emilia antwortete nicht, konnte auch nicht mehr antworten. Ein weiteres Wort und sie hätte wahrscheinlich die Fassung verloren. Also biss sie die Zähne zusammen und fixierte stur einen Punkt in der Zimmerecke an, dort, wo sich einige Spinnenweben in der Luft bewegten.

Großtante Valkyrie nahm seinen Koffer, packte ihren schwächlichen Sohn Fredrik
an der Hand und verließ den Raum. Ohne sich noch einmal umzudrehen, folgte Elicius den beiden aus dem Zimmer. Nur Großmutter Sigrid hielt kurz inne und wandte sich mit unbewegter Miene an Vigdis. „Mein Kind“, sagte sie nur. „Bessere dich.“ Und mit einem kurzen Kopfnicken zum Abschied, verschwand auch sie. Eine Minute später hörte man die Eingangstür ins Schloss fallen. Draußen knirschte der Schnee, als sich die vier Eliassens entfernten. Doch selbst als das Geräusch dieser Schritte längst vergangen war, standen Emilia und ihre Mutter noch lange unbewegt in dem Zimmer. Draußen hatte ein Sturm begonnen an den dünnen, schlecht isolierten Fenstern zu rütteln; das elektrische Licht in der Wohnung flackerte.
Wo eben noch ein schmerzendes Gefühl in Emilia Brust genistet hatte, fand sich nicht mehr als dumpfe, endlose Leere.
Vigdis hielt noch immer ihre Hand. Die Haut ihrer Mutter fühlte sich eiskalt an.
„Bist du sehr traurig, Emilia?“, fragte Vigdis nach einer Ewigkeit vorsichtig.
Emilia kämpfte mit den Tränen. „Was für eine dumme Frage!“, schluchzte sie. „Er ist mein Bruder!“
„Er ist mein Sohn“, sagte Vigdis ruhig.
„Du hättest um ihn kämpfen sollen!“
„Aber er wollte doch unbedingt zurück, Emilia…“
„Trotzdem!“, krächzte Emilia schwach. „Du bist eine schreckliche Mutter!“
„Ich weiß…“ Vigdis seufzte und schloss Emilia in die Arme. „Es tut mir so unendlich leid … und trotzdem liebe ich euch beide.“
Normalerweise hätte Emilia gegen die Umarmung angekämpft. Doch dieses Verlangen war wie ausgelöscht, ebenso ihre Kraft und ihre Wut. Alles was ihr blieb war bittere Enttäuschung und sie weinte eine Ewigkeit, ohne sich von diesem Gefühl befreien zu können.

Fortsetzung folgt …

Kommentar: Elicius nach Norwegen zu schicken war in meiner Jahre alten Betaversion ursprünglich eine Notlösung gewesen, um mich mehr auf Ulysses und Emilia konzentrieren zu können (ich geb`s offen zu). Allerdings fand und finde ich diese Idee immer besser, da sie sehr im Kontrast mit dem „Trio“ aus den Büchern steht.

@ Lord Slytherin: Ich habe echt geschrieben, sie sei 14? Ups, ich hoffe, dass mir das nur einmal passiert ist (wahrscheinlich habe ich an der Stelle gerade an Teil 2 der Geschichte gearbeitet, in der Emilia tatsächlich 14 wird). Wenn so etwas öfter passiert kannst du mich gerne darauf hinweisen!
Zu Semerov: Mmhm, mir schwebte da nie ein „Einstiegsalter“ vor. Er ist in diesen Beruf wohl eher aus Not hineingewachsen (wohl als er 19, 20 war), vielleicht um eine Gruppe Menschen vor Werwölfen zu schützen, und hat das Handwerk dann in den Jahren erlernt und ist zum Experten aufgestiegen. Es war wohl weniger eine Art Ausbildung oder so.


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