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Fanfiction

Ancient History I - Der Verbotene Wald - Knochenhexerei

von Kiosk

26. Knochenhexerei

Personen:

Elicius Eliassen: Zwölfjähriger Sohn von Vigdis Eliassen und der Bruder von Emilia. Ein eher ruhiger, zurückhaltender Slytherin. Kam vor seiner Einschulung in Hogwarts kurzzeitig bei den Rathburn unter.

Emilia Eliassen: Zwölfjährige Tochter von Vigdis Eliassen. Eine Slytherin. Sie ist stets aufmerksam und besitzt ein eher verschlagendes Wesen. Magisch unbegabt. Kam vor ihrer Einschulung in Hogwarts kurzzeitig bei den Rathburns unter.

Garm McKinstry: Ein jugendlicher Unruhestifter aus Slytherin. Er scheint in Imperia verliebt zu sein. Er und seine drei besten Freunde - Erebus Nott, Veikko Johnson und Prester Perkins - bilden die so genannte „Toilettenmafia“.

Humphrey Belcher: Ulysses` Klassenkamerad. Ein liebenswĂĽrdiger Ravenclaw

Imperia Malfoy: Die ältere Schwester von Lucius. Eine Slytherin und Vertrauensschülerin. Sie wirkt kühl und distanziert und fällt im ersten Moment stets durch ihre Schönheit auf

Madam Burgunder: Sie unterrichtet den Benimmunterricht für die Mädchen. Trotz ihres miesen Charakters scheinen ihr die Männer zu Füßen zu liegen

Plumbeus Bott: Der Sohn des Bohnenerfinders Bertie. Er fällt besonders durch seine Langsamkeit und Zerstreutheit auf. Ein Hufflepuff

Professor Jarovit: Ein entfernt menschliches Wesen. In Russland jagte er unter anderem Werwölfe, Vampire und Schwarzmagier. In Hogwarts unterrichtet er Verteidigung gegen die Dunklen Künste

Rubeta und Arachne Cox: Zwei elfjährige Zwillingsschwestern mit großem Herz für exotische Tiere. Rubeta ist eine Ravenclaw-Schülerin, Arachne eine Slytherin

Samantha Samson: Jugendliche Ravenclaw. Mit Hilfe von Ulysses schummelt ihr Imperia täglich jenen Trank unter, der ihr die Haarpracht auf Dauer ruinieren wird.

Ulysses Rathburn: Elfjähriger Sohn von Bethesda. Verwöhntes Einzelkind. Ein Ravenclaw. Stellt sich gegenüber Emilia und Elicius auf stur und ist Imperia Malfoy hoffnungslos verfallen.

Valkyrie Eliassen: Die GroĂźtante von Emilia und Elicius

Victoria Knight: Eine Erstklässlerin aus Ravenclaw. Sie ist stets munter und aufgeweckt. Ihr Haustier ist ein stinkender, aber handzahmer Vielfraßrüde namens Rudolph.

Vigdis Eliassen: Die Mutter von Emilia und Elicius. Eine Squib. Aufgrund ihres desolaten, verantwortungslosen Lebensstils von der Familie verachtet

William Barkley: Ein Erstklässler aus Ravenclaw. Wie Ulysses stammt auch er aus Hogsmeade, wo er zusammen mit seiner etwas verschrobenen Mutter ein Haus am Rand des Dorfes bewohnt. Er ist ungewöhnlich still und unabhängig

Bisherige Handlung:
Während einer Exkursion in den Wald, geleitet von Madam Sprout und Professor Kesselbrand, kommt es zu einem blutigen Zwischenfall, bei dem Kesselbrand einen Finger verliert. Zudem finden Emilia und ihre Freunde abseits der Wege einen mysteriösen Schädel, der auf einem Stein platziert lag. Da sie befürchten, es könnte sich hierbei um die Überreste eines Vermissten handeln, nehmen sie ihn mit und zeigen ihren Fund Professor Jarovit, der das Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtet. Dieser jedoch stuft die Entdeckung als unwichtig ein, da es sich lediglich um den Schädel eines unverwandelten Werwolfes handelt, nicht aber um den Schädel eines Menschen. Die genauen Fundumstände verschweigt Emilia dem Professor jedoch. Derweil zeigt sich Elicius aufgrund seiner Familienverhältnisse und seiner oft abspenstigen Mutter sehr depressiv, so dass ihn auch sein Geburtstag nicht aufheitern konnte. Gegenüber Ulysses äußerte er sich, dass er womöglich nach Norwegen zurückkehren möchte, um die dortige Zauberschule zu besuchen. Aber auch Ulysses leidet: als Werkzeug von Imperia Malfoy sieht er sich gezwungen, einem älteren Mädchen aus Ravenclaw, Samantha Samson, täglich heimlich giftige Tränke zu verabreichen. Inzwischen stellt Emilia auf eigene Faust Nachforschungen bezüglich des Schädels an, wobei sie im Gemeinschaftsraum einschläft, und einen wirren Traum über einen Tiergeist durchlebt. Als sie mitten in der Nacht erwacht, belauscht sie ein Gespräch zwischen Garm und Imperia, in dem auch Ulysses eine Rolle spielt …

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Oktober 1961

Am Freitagmorgen war Emilia so auf ihr Spiegelei fixiert - sie aß es nicht, doch Spiegeleier eigneten sich herrlich dazu, sie minutenlang gedankenlos anzustarren - dass sie das Mädchen, das neben ihrem Stuhl stand und lebhaft auf sie einredete, im ersten Moment nicht registrierte. Erst als Victoria Knight das schwere, in braunem Papier eingeschlagene Paket direkt neben ihrem Teller fallen ließ, blickte Emilia verwundert auf.
„Hey, was ist los mit dir?“, erkundigte sich das Mädchen aus Ravenclaw unbedarft. „Stimmt etwas nicht mit deinem Spiegelei?“
„Ähm, doch …“ Etwas verunsichert warf Emilia einen kurzen Blick auf ihren Frühstücksteller, wo tatsächlich, ganz wie Victoria gesagt hatte, ein Spiegelei in all seiner Pracht und Ausdruckslosigkeit lag. Emilia konnte sich gar nicht daran erinnern, wie dieses Teil auf ihren Teller gelangt war. Eigentlich mochte sie nämlich gar keine Spiegeleier.
„Ich war wohl bloß etwas müde“, berichtete sie Victoria. „Mein Gehirn muss beim Essen eingeschlafen sein.“
„Tatsächlich? So fasziniert wie du dein Frühstück angestarrt hast, hätte ich wetten können, dass du gerade auf einen Goldschatz oder so gestoßen bist.“ Und sie warf noch einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf Emilias Teller, so als hoffte sie, dass Spiegelei könnte tatsächlich aus wertvollen Edelmetall bestehen.

„Was ist das für ein Paket?“, wollte Emilia wissen.
„Oh, dass ist etwas ganz besonderes! Mein Bruder Gordy hat es mir geschickt! Pass auf und lass dich überraschen!“ Und mit diesen Worten rammte sie ihre Fingernägel in das braune Umschlagspapier und zerriss es in viele kleine Fetzen, bis schließlich ein Buch ans Tageslicht kam. Es trug den Titel Skelette, Schamanen und Schrumpfköpfe.
Ehe Emilia genauer nachfragen konnte, berichtete Victoria mit selbstzufriedenem Lächeln im Gesicht von ihrem letzten, verblüffenden Gedankenblitz. „Ich habe in letzter Zeit öfters über diesen - na du weißt schon - Schädel nachgedacht“, beim Wort „Schädel“ senkte sie ihre Stimme zu einem verschwörerischen Flüsterton herab, ehe sie fortfuhr: „und da ist mir plötzlich eingefallen, dass Gordy mir früher immer aus so komischen Büchern vorgelesen hat, um mir Angst einzujagen und um mich zu ärgern. Vorgestern habe ich mich dann erinnert, dass in diesem Buch hier irgendwas über Schädel und Knochen und so stand, mit denen man zaubern kann. Vielleicht ist es ja genau das Thema, dass uns bei unsere Wald und Schädel-Problem (wieder flüsterte sie) weiterhilft? Naja, zumindest habe ich Gordy geschrieben und ihn gebeten, mir das Buch sofort zu schicken und heute morgen ist es endlich per Eulenpost angekommen.“
„Die armen Eulen“, murmelte Emilia gedankenverloren, während sie ihren wissbegierigen Blick über den Einband des dicken Werkes wandern ließ. Umschlag und Seiten waren längst vergilbt und auch ansonsten trug das Buch viele Gebrauchsspuren zur Schau, doch das ließ es nur noch geheimnisvoller und düsterer wirken. Sie konnte den Augenblick kaum erwarten, an dem sich die erste Gelegenheit bieten würde, mit der Nase in dem gut dreitausend Seiten fassenden Werk zu versinken.

XXXXXXX

Wie nicht anders zu erwarten bot sich diese Gelegenheit bereits kurze Zeit später und genau genommen im obligatorischen Benimmunterricht bei Madam Burgunder. Während Emilia, die vorsorglich in die letzte Reihe Platz genommen hatte, es also wagte, Victorias schweres Buch aus ihrer Schultasche zu ziehen, unterrichtete Madam Burgunder die restlichen Mädchen indessen über die Schrecken des Ehelebens und warum sich eine Dame von Welt niemals mit einem Familienbesen zufrieden geben sollte. „Weiß eine von euch, was ein Familienbesen - oder noch schlimmer: ein fliegender Mehrpersonenteppich! - symbolisiert? Es symbolisiert, dass euer Lebenspartner gewillt es, für Nachwuchs zu sorgen und Nachwuchs ist völlig inakzeptabel für eine Dame unter fünfzig! Denn Kinder bedeuten Stress und Stress bedeutet vorzeitiges Altern, Hässlichkeit und einen grausigen Tod. Und frühe Fältchen und Krähenfüße im Gesicht kann eine junge Dame nun wirklich nicht gebrauchen! Was ist also zu tun, wenn ihr das Gefühl habt, dass euer Partner bereit fürs Familienleben ist?“
Niemand antwortete. Selbst die eifrige Agnes Pillsworth musste sich bei dieser Frage geschlagen geben und so wurde eines der Mädchen schlicht mit einem Fingerzeig Burgunders ausgewählt, um einen Tipp abzugeben. „Miss Trelawney“, schmunzelte Burgunder süßlich, während sie auf die Schülerin mit der dicken Hornbrille deutete, die neben Emilia saß. „Wissen Sie vielleicht, was zu tun ist?“
Hinter ihren Brillengläsern wurden Sybills Augen groß und angstvoll und etwas unbeholfen begann sie zu stammeln: „Ähm … nun gut … eine schwierige Frage, in der Tat. Ähm … meine Mutter hat mal etwas erwähnt … sie sagte mal zu mir `du kriegst kein Geschwisterchen, Sybill, ich habe deinem Vater den Potentiellen Potenzhemmer in den Frühstückstee gemischt´ … aber ich weiß nicht, ob das etwas damit zu tun hat, Madam.“
„Das hat in der Tat etwas damit zu tun.“ Burgunders Lächeln zeigte Zufriedenheit. „Meiner Meinung nach ist Ihre Mutter eine Heilige, Miss Trelawney. Der `Potentielle Potenzhemmer´ ist ein absoluter Klassiker! Damit haben Sie sich soeben zehn Punkte für Slytherin verdient, Miss Trelawney.“
Federkratzen ertönte, als sich sämtliche Mädchen im Klassenraum - alle außer Emilia - diese wichtige Lebensweisheit notierten. Emilia machte sich aus zweierlei Gründen keine Notiz: Zum einen hielt sie Madam Burgunders Gefasel für unnötiges Wissen, für dass sie weder Zeit noch Gehirnzellen opfern wollte; zum Anderen hatte sie gerade eine höchst interessante Stelle in Victorias Buch entdeckt, so das ihre gesamte Aufmerksamkeit auf den handschriftlichen Text vor ihr gerichtet war:

Ăśber das uralte, magische Wissen der Knochenhexerei und ihrer UrsprĂĽnge

Knochenhexerei ist immer dann zu nennen, wenn man über die frühesten magischen Riten der Menschheit philosophieren möchte. Bereits in ältester Zeit waren sich Schamanen der Besonderheit von Schädeln und Knochen bewusst, ebenso auch der ursprünglichen, naturgebundenen Magie, die in ihnen schlummert. Insbesondere aber der Schädel ist Mittelpunkt spezieller Riten; Riten, die in vielen Teilen der Welt auftreten und trotz ihrer Ähnlichkeit untereinander immer neue Facetten widerspiegeln. Fast überall auf der Welt ist zum Beispiel zu beobachten, dass Schädel (oder in Ermangelung dieser auch andere Skelettteile) rituell vergraben oder auf andere Weise besonders deponiert werden (beispielsweise in Schreinen, oder auf erhöhten Plätzen), so dass ihre freigelassene Magie ein bestimmtes Areal umschließt und so Unheil fernhält oder versiegelt. Man stelle sich also ein Feld vor, das von im Kreise angeordneten, verscharrten Schädeln begrenzt wird, so dass laut Überlieferung ein magischer, unsichtbarer Schutzwall entsteht. Dieser Schutzwall hat, je nach Wahl der vergrabenen Schädel, eine besondere Aufgabe und Funktion. Alte Aufzeichnungen erzählen davon, dass mehrere Löwenschädel vor Raubtierangriffen schützen sollen, während Ochsenschädel Zuflucht vor Erdbeben, und die Schädel mehrerer Greifen wiederum Zuflucht vor Stürmen gewähren soll.
Aus der Tradition, Unheil abwehrende Skelettteile rituell zu deponieren, entwickelte sich die so genannte „Echte Knochenhexerei“, wobei sich das „Echt“ auf die Tatsache bezieht, dass nunmehr gezielt nutzbare und manipulierbare Magie gebraucht wird, es sich also nicht mehr um ein bloßes „Verscharren oder Deponieren“ handelt, sondern nun reale, magische Fähigkeiten voraussetzt. Knochenhexerei bedient sich ebenso Schädeln und, wenn auch seltener, anderen Skelettteilen, jedoch wird die Magie der Knochen zusätzlich mit dem Gebrauch von runenartigen Symbolen unterstützt, die in den Schädel geritzt werden, um dessen Zauber gezielt freizulassen und zu verstärken.
Doch wird Knochenhexerei nicht nur von Magiern praktiziert, sondern auch bei Mischwesen wie den Zentauren, Werwölfen, Adlerfrauen und anderen. Diese weite Verbreitung ist jedoch Schuld daran, dass Knochenhexerei von der modernen Zauberei als primitiver Aberglaube, Schund und Pseudomagie abgetan wird, die allenfalls den Zwecken von Mischwesen genügt.
Tatsächlich ist bis heute nicht geklärt, welchen Erfolg die Knochenhexerei tatsächlich erbringen kann, doch eine genaue, wissenschaftliche Erforschung scheint in weite Ferne gerückt, da die Praktiken der Knochenhexerei nicht nur unpopulär sondern auch fast vergessen sind. Bereits heute ist ein Großteil des Wissens um bestimmte Schädel und Symbole verloren gegangen, so dass es dem Autor an dieser Stelle nicht schwer fällt, das ihm Bekannte auf wenigen Seiten zusammenzufassen, auf das es nachfolgenden, interessierten Lesern vielleicht einen Anstoß gibt.

Emilia blätterte um und nun hatte sie eine Buchseite mit mehreren adäquat gezeichneten Abbildungen von Schädeln vor sich. Hoffnungsvoll suchte sie die einzelnen Zeichnungen nach bekannten Merkmalen ab und schließlich, gleich unterhalb eines Einhornschädels, stieß sie auf ein ihr vertrautes Bild. Die Zeichnung zeigte eines menschenähnlichen Schädel, doch dank der Belehrung von Professor Jarovit waren ihr die ungewöhnlich kräftigen, spitzen Zähne und die wulstige Stirn sofort ins Auge gesprungen. Direkt neben der Zeichnung befand sich ein erklärender Text, der Emilias Verdacht bestätigte.


Der Schädel des unverwandelten Werwolfes

Merkmale sind grobe Züge, hervorgehobene Stirn und Kinn, starkes Raubtiergebiss. Um so länger der Biss, der ihn zum Werwolf machte, zurückliegt, um so deutlicher treten diese Merkmale hervor. Bei reinrassigen Exemplaren sind die Merkmale schon von Geburt an festzustellen.
In der Knochenhexerei spielt der Schädel des unverwandelten Werwolfes eine besondere Rolle, da er eine Kombination sowohl aus menschlichen als auch aus tierischen Attributen besitzt. Angewandt wird der Schädel häufig zur Abwehr von Schattenwesen unterschiedlichster Art. Folgende Knochensymbole finden sich häufig in eingeritzt auf diesem Schädel:

Und dem Text folgten mehrere kleinere Zeichnungen runenartiger Gebilde. Sie trugen keine Namen oder andere Bezeichnungen, der Autor hatte sich auch nicht die Mühe gemacht, speziell auf die Symbole einzugehen. Es waren bloß eine handvoll Zeichnungen, die kaum größer als Buchstaben waren, und doch eine eigenartige Präsenz zu versprühen schienen. Emilia konnte die Zeichen natürlich weder lesen, noch kamen sie ihr irgendwie bekannt vor, dennoch hatte sie das seltsame Gefühl, einen Namen oder etwas ähnliches vor sich zu haben. Ein Name, oder ein bestimmtes Wort, dessen Symbole eine dunkle, pulsierende Macht zu besitzen schien, von der Emilia glaubte, sie könne jeden Augenblick aus der Buchseite sickern. Nun konnte sie Victoria Knights Angst, die sie als kleines Kind vor diesem Buch gehabt hatte, mit jeder Faser ihres Körpers und mit jedem Teil ihres Verstandes nachvollziehen.

XXXXXXX

Kaum war Burgunders Schreckensunterricht beendet, verlor Emilia keine Zeit um, mit ihrer schweren Schultasche beladen, die Treppen hinab ins Untergeschoss zu rennen. Es kam ihr vor, als hätte sie die Witterung aufgenommen, sie hetzte einer vielleicht alles entscheidenden Fährte nach, denn all das unzusammenhängende Wissen über Schädel, Knochenhexerei und ihren mysteriösen Fund im Wald schien endlich zu einem Gesamtbild verschmolzen! Alles was Emilia jetzt noch fehlte, war ein letzter, entscheidender Beweis, und den würde sie nur durch eine sehr genaue Untersuchung des Schädels erbringen können, der noch immer unter ihrem Bett lag.
In ihrem Schlafsaal angekommen - dieser war zum Glück leer und sah im fahlen Licht auch so ungemütlich und unaufgeräumt aus, dass in nächster Zeit sicherlich niemand freiwillig hier auftauchen würde - schmiss sie ihre Schultasche auf die Matratze, bevor sie sich regelrecht unter ihr Bett warf. Dort, in ihrem alten, modrigen Koffer und umgeben von Unterhemden und Socken, fristete der Schädel sein derzeit wohl ziemlich unspektakuläres Dasein. Emilia fand, dass er recht verwegen aus ihrem Koffer lugte; eine ihrer Unterhosen verdeckte eines seiner leeren Augenhöhlen, so dass er ein wenig piratenhaft daherkam. Doch selbst dieser Anblick konnte Emilia nicht aufheitern und als sie die Finger nach ihm ausstreckte und ihn aus seinem Wäschegefängnis hervorzog, kehrte sogleich das unheilvolle Kribbeln in ihre Fingerspitzen zurück. Emilia war eigentlich immer der Meinung gewesen, dass sie ein äußerst taffes Mädchen war, doch dessen war sie sich längst nicht mehr sicher. Taffe Mädchen hatte keine Angst vor Schädeln, Emilia aber graute es regelrecht, wenn sie an ihren Fund im Wald dachte, der nunmehr seit mehreren Wochen unter ihrem Bett gelegen und ihr Alpträume beschert hatte.

Dennoch war es nicht das erste mal, dass sie den Schädel aufmerksam in ihren Händen gehalten und untersucht hatte. Bisher ergebnislos. Und nun saß Emilia wieder auf den Boden, stierte lange auf jeden knochigen Millimeter, suchte und suchte - und wieder einmal fand sie nichts.
In Victorias Buch war von geheimnisvollen Symbolen die Rede gewesen, die bei den Praktiken rund um die Knochenhexerei eine entscheidende Rolle spielten. Symbole, die man in die knochige Oberfläche einritzte, um deren raue und ursprüngliche Zauberkraft freizusetzen, um Unheil und Gefahren abzuwehren. Doch statt dieser geheimnisvollen Symbole fand Emilia bloß eine Vielzahl kleiner Narben, die den Schädel in der Häufigkeit von Pickeln übersäten und die Geschichte eines bewegten, schweren Lebens erzählten. Hier stieß Emilia auf eine Delle, die aussah, als hätte man den Werwolf einst versucht mit einem stumpfen Gegenstand zu erschlagen; an anderer Stelle entdeckte sie eine lange, gerade Narbe, die vielleicht Spuren einer Klinge darstellten.
„Das gibt es doch nicht“, murmelte Emilia leise und war dabei selbst entsetzt von der Frustration in ihrer Stimme, „ich war mir so sicher, dass ich die Symbole finden würde! Warum sonst hätte irgendjemand ausgerechnet diesen Schädel hoch oben auf einen Steinblock legen sollen?“

Doch nach gut zehn Minuten erfolglosen Suchens musste sie einsehen, dass der Schädel ebenso wenig über hexerische Gravuren verfügte wie über einen aufgeklebten Geldschein. Emilias Traum von einem endlich gelösten Rätsel schien geplatzt - bis sie den Knochenkopf so lange in ihren Händen gedreht hatte, dass sie die Unterseite vor sich hatte. Emilia starrte mit einer ehrfürchtigen Gefühlsregung im Herzen in das dunkle Innere des Kopfes, dort, wo sich einst das fleißig arbeitende Gehirn des Werwolfes befunden hatte. Zum Glück war es unlängst verwest, Emilia hätte sich mit der Glibbermasse wahrscheinlich wenig anfreunden können. Aber Gehirn hin oder her: Sie hatte eine neue Spur! Denn war es nicht möglich, dass irgendjemand die magischen Symbole einfach auf die Innenseite des Schädels geritzt hatte?
Nach einigen glücklosen Lumos-Versuchen gelang es Emilia schließlich, die Spitze ihres Zauberstabs fahl zum Leuchten zu bringen. Mit dieser Lichtquelle bewaffnet spähte sie ins Schädelinnere und dort versuchte sie, jeden nur möglichen und unmöglichen Winkel auszuleuchten.

Und dann entdeckte Emilia die Symbole: Dort, wo sich einst das hintere Teil des Gehirns befunden hatte, stieß sie auf fünf erstaunlich präzise eingravierte Zeichen. Sie waren kaum größer, als die Zeichen, die in Victorias Buch abgebildet gewesen waren, doch Emilia wusste sofort, dass es exakt die gleichen waren. Auch die Reihenfolge schien zu stimmen. Noch dazu ging von den fünf Symbolen die selbe, alles verfinsternde Energie aus, nur dass diese Energie, diese grauenhafte Aura unbekannter Macht ungleich fassbarer zu sein schien. Emilia starrte ins Innere des Schädels und die Gravuren starrten ihr aus ihrem Versteck entgegen wie ein so eben erwachtes Raubtier.

XXXXXXX

Kurz vor dem Abendessen stieß Emilia auf Victoria Knight, die viel zu offensichtlich vor einer Abstellkammer herumlungerte, als wartete sie auf eine Gelegenheit, das betagte Schloss aufzubrechen. An ihrer Seite war Vielfraßrüde Rudolph, der mit seinen kräftigen Pfoten offenbar versuchte, sich unterhalb der Kammertür hindurch zu graben.
Die Szene kam Emilia durchaus suspekt vor, dennoch war sie erleichtert, ausgerechnet auf Victoria getroffen zu sein.
„Ich wollte dir dein Buch zurückgeben“, meldete Emilia sich ohne Umschweife zu Wort, so dass Victoria entsetzt und mit einem leisen Aufschrei herumwirbelte. Ihre großen, blauen Augen musterten Emilia gehetzt und Emilia fühlte sich, als ob das Mädchen sie auf feindliche und freundliche Absichten durchleuchten wollte. Schließlich aber schien die Freund-Feind Analyse abgeschlossen und Victoria entspannte sich sichtbar. „Hast du mich erschreckt“, murrte sie mit deutlicher Verlegenheit in der Stimme. „Ich dachte schon, ein Professor hätte mich entdeckt.“
„Was tust du überhaupt hier?“, wollte Emilia mit Blick auf den Vielfraß wissen, der noch immer emsig versuchte, einen Tunnel in Richtung Kammer anzulegen. Von diesem zum Scheitern verurteilten Vorhaben schien sich das Tier auch nicht abbringen zu lassen, Feuereifer glühte in seinen listigen Raubtieraugen und etwas Schaum tropfte in all seiner Aufregung aus seinem Maul.
„Ratten“, berichtete Victoria. „Sie nisten da in dieser Kammer und ich dachte, es wäre vielleicht ganz nützlich, Rudolphs Jagdtrieb etwas zu schulen.“
Rudolph stieĂź derweil mit der Schnauze gegen die Unterkante der TĂĽr und heulte theatralisch auf, als er sich einen kleinen Splitter in die feuchte Schnauze rammte. Das schien ihm den SpaĂź an der Rattenjagd eindeutig verdorben zu haben. Eingeschnappt vor sich hinbrummelnd nahm der VielfraĂź im raschen Mardergalopp ReiĂźaus und leckte sich in einer dunklen Ecke die grauenhafte Kriegsverletzung.

„Was hast du eben wegen dem Buch gesagt?“, wollte Victoria an Emilia gewandt wissen. „Du willst es mir zurückgeben? Warum? Stand nichts nützliches drin?“ Ein Hauch ehrlicher Enttäuschung spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder. „Oh, es tut mir leid! Ich wollte dir eine Hilfe sein, aber es wäre wohl besser gewesen, wenn ich mich persönlich in die Bibliothek gesetzt hätte, anstatt meinen Bruder zu bitten, mir irgendwelche alten -“
„Oh, schon gut, Victoria!“, bremste Emilia das Mädchen amüsiert ab. „Du hättest gar nichts besser machen können! Dieses Buch, das du mir gegeben hast, hat das Rätsel gelöst! Nun ja, fast gelöst zumindest!“
Und während Vielfraß Rudolph sein Dasein in der dunkle Ecke fristete und versuchte, sich die Nase sauber zu reiben, erzählte Emilia dem Mädchen alles, was sie über Schädel, Knochenhexerei, Schattenwesen und den Symbolen herausgefunden hatte. Der Bericht war erstaunlich schnell abgehandelt und Emilia musste zugeben, dass sich ihr Wissen gerade mal auf wenige allgemeine Fakten berief, doch andererseits war Knochenhexerei eine so unsagbar alte Zauberkunst, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie überhaupt etwas darüber herausgefunden hatte.

„Du meinst also“, fasste Victoria am Ende nachdenklich zusammen, „dass irgendjemand diesen Schädel absichtlich deponiert hat und ihn absichtlich mit diesem - ähm - Knochensymbolen ausgestattet hat, um irgendeine Art Zauberbann zu spannen?“
„Sieht ganz danach aus.“
„Das würde bedeuten, es gibt noch mehr von diesen Schädeln, richtig? Wahrscheinlich bilden sie eine Art Kreis oder so, so etwas wie eine Art Pilzkreis.“
Emilia nickte. „Ich denke schon. Erinnerst du dich noch an unsere Exkursion in den Wald? Als dein Rudolph abgehauen ist?“
„Oh, ich erinnere mich zu gut daran“, gab Victoria mit einem verschmitzten Lächeln zu.
„Du hast erzählt, Rudolph hätte ständig im Wald angehalten und hat diese großen Steinquader angeknurrt. Und auf einem dieser Steinquader haben wir schließlich den Schädel entdeckt. Und was ist mit den anderen Steinen gewesen? Ich wette, wenn wir genauer nachgesehen hätten, hätten wir dort ebenfalls Skelettteile gefunden.“
„Möglich. Aber Emilia, weißt du was mich etwas beunruhigt? Was ist, wenn Knochenhexerei wirklich funktioniert und wenn jemand die Schädel aus gutem Grund im Wald versteckt hat? Vielleicht dienten die Schädel als Schutz vor etwas oder haben verhindert, dass etwas ins Innere des Waldes eindringen kann? Was auch immer der Grund war, warum die Köpfe dort liegen: wir haben einen der Schädel entfernt und mitgenommen! Wenn es tatsächlich eine Art Bannkreis war, dann haben wir ihn zerstört!“

Am Ende von Victorias besorgniserregender Ansprache herrschte düsteres Schweigen und Emilia wusste, dass sowohl sie selbst als auch das andere Mädchen dabei waren, sich die schlimmsten nur erdenklichen Alpträume ins Bewusstsein zu rufen, Alpträume und finstere Schrecken, die nun, da sie einen Bannkreis gebrochen hatten, vielleicht in ihr Leben eindringen würden: ein zerstörter Bannkreis war schließlich nichts anderes als eine offene Pforte, bei der man sich sicher sein konnte, dass es besser gewesen wäre, sie fest geschlossen zu halten.
„Wir sollten den Schädel vielleicht einfach zurückbringen“, schlug Emilia schließlich mit erschreckend wenig Selbstüberzeugung vor, denn sie war sich nicht sicher, dass sie damit den Status quo wieder herstellen könnten.
„Nein“, widersprach ihr Victoria mit einem Kopfschütteln. „Nein, wir sollten endlich das tun, was wir schon von Anfang an hätten tun sollen: zu einem Professor gehen und die ganze Geschichte erzählen. Denn die wissen auf jeden Fall mehr als wir.“

XXXXXXX

Wenn von Schattenwesen die Rede ist, die nach ihren Opfern lechzen, und von seltsamen Geschehnissen und Erscheinungen, von Hexerei und Spuk, dann war es nicht unklug, sich auf dem direkten Wege an den Professor für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu wenden. Bei Professoren dieser Art konnte man für gewöhnlich davon ausgehen, dass sie ihr Handwerk verstanden und gerade Professor Jarovit, der noch vor kurzem biestigen Werwölfen den Garaus gemacht hatte, schien prädestiniert dafür zu sein, eine Lösung im Falle des mysteriösen Schädels zu finden.
Dennoch, als sie und Victoria auf dem Weg zu seinem Büro waren, schien eine dunkle Wolke über Emilias Gedanken zu schweben und verfinsterte all ihre Zuversicht. Sie erinnerte sich noch allzu genau an die Abfuhr, die Professor Jarovit ihr beim ersten Mal erteilt hatte. Er hatte zu ihr gesagt, der Schädel des unverwandelten Werwolfes wäre nicht mehr wert als der Schädel eines Esels und sei darüber hinaus völlig ohne Bedeutung. Es war möglich, dass Professor Jarovit seine Meinung diesbezüglich nicht ändern würde, mysteriöse Symbole und Schattenwesen hin oder her.

Mit der einen Hand den Schädel haltend, klopfte Emilia verhalten an Jarovits Bürotür, während Victoria neben ihr sichtbar hibbelig wurde und von einem Fuß auf den anderen trat.
Der Professor öffnete mit einem verwirrten Gesichtsausdruck die Tür und blickte auf die beiden Kinder hinab. „Aha, wen haben wir denn hier? Miss Eliassen und Miss Knight, interessant. Oho und Herr Schädel ist ebenfalls mit von der Partie. Miss Eliassen, ich bitte Sie: legen Sie das Ding endlich wieder aus Ihren Händen, ich sagte doch schon, er hat keinerlei Nutzen -“
„Ja. das sagten Sie bereits, Professor“, unterbrach Emilia ihn unverblümt. „Aber ich bin anderer Meinung. Sehen Sie, Victoria und ich haben uns informiert und etwas über Knochenhexerei herausgefunden -“
Weiter kam sie nicht. Es war nicht so, als dass ihr Professor Jarovit irgendwie das Wort abgeschnitten hätte oder ähnliches, nein, es war ganz alleine dem Blick des Professors zuzuschreiben, dass Emilia der Atem stockte. Jarovits Augen waren klein, schief, von lederartigen Lidern halbbedeckt und generell schwer hinter seiner gewaltigen Knollennase auszumachen, umso erstaunlicher war es, dass Jarovits Blick auf einmal so scharf und aufmerksam wurde, dass Emilia das Gefühl bekam, ein Raubtier hätte sie soeben ins Visier genommen. Auch Jarovits buckliger, altersschwach erscheinender Körper spannte sichtlich jeden Muskel im Moment höchster Konzentration. Doch im Gegensatz dazu fiel seine Stimme betont nüchtern aus, als er sagte: „So? Sie sind hartnäckig, alle beide. Nun gut, wenn Sie darauf bestehen, kommen Sie bitte in mein Büro und setzen Sie sich. Ich werde Ihnen ein paar Dinge erzählen können.“

Emilia und Victoria traten ein und nahmen am Schreibtisch Platz. Den Schädel legte Emilia vor sich auf die Tischplatte und registrierte dabei den neugierigen Blick, den Jarovit dem Schädel zuwarf. Statt aber etwas diesbezüglich zu fragen, spielte er die Rolle des guten Gastgebers. „Wollen Sie etwas trinken? Tee? Kaffee? Wodka vielleicht?“
Beide Mädchen lehnten dankend ab und so setzte sich Jarovit auf seinen eigenen, abgenutzten Stuhl. „Nun“, begann er, „dann erzählen Sie doch mal, was Sie über Knochenhexerei herausgefunden haben.“
„Nun, es ist eine uralte Form der Magie. Man nimmt ein paar Knochen und ritzt ein paar Symbole herein“, begann Victoria kurzatmig ein paar Fakten aufzuzählen. „Je nach Art des Schädels und je nach Art der Symbole ändert sich die magische Wirkung. Und dieser Schädel hier“, sie deutete auf ihr Fundstück, „ist der Kopf eines unverwandelten Werwolfes. In eine Buch stand, er schützt vor Schattenwesen.“
„Korrekt“, bestätigte Jarovit mit allergrößter Nüchternheit.
„Aber was sind Schattenwesen überhaupt?“, hakte Victoria nach.
Jarovit hob seine knorrige Hand und machte eine wegwerfende Geste. „Aberglaube“, sagte er, doch er bemerkte offenbar, dass sich die Mädchen mit dieser Antwort nicht zufrieden gaben und so fügte er hinzu: „Ein Überbegriff für alles, was man sich nach wie vor nicht erklären kann. Hungrige Wesen, die seit einer Ewigkeit in jeder nur erdenklichen Form existieren, umherstreifen und auf Opfer lauern.“
„Warum sollte das Aberglaube sein?“, erkundigte sich Emilia kritisch.
„Oh, denken Sie nach, Miss Eliassen. Alleine die Beschreibung sollte Sie stutzig machen: Wesen die in jeder erdenklichen Form existieren? Das kann nicht stimmen! Ich gebe zu, es gibt Wesen, die seit Anbeginn der Menschheit zu existieren scheinen, Wesen, die jagen und töten, aber das sind ganz unterschiedliche Kreaturen! Es gibt keine `Schattenwesen´, es gibt Geister, Gespenster, Bestien und andere Dinge, doch all das sind Wesen völlig anderer Art! Man kann sie nicht unter dem Begriff `Schattenwesen´ zusammenfassen, genauso wenig wie du Bienen und Pferde in einen Topf werden darfst. Verstehen Sie, was ich damit sagen möchte?“
Emilia und Victoria nickten einheitlich, doch Emilia glaubte Victoria gut genug zu kennen, um zu wissen, dass das Mädchen ebenso skeptisch blieb wie sie selbst.

„Aber in drei Teufels Namen, wie kommen Sie überhaupt auf die Idee, der Schädel könnte etwas mit Knochenhexerei zu tun haben?“ Jarovits Blick glitt aufmerksam von einer zur anderen und auch immer wieder direkt auf den Schädel, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
„In der Innenseite habe ich fünf Symbole gefunden. Sie wurden eingeritzt“, erklärte Emilia. Ein Muskel zuckte verräterisch in Jarovits Ledergesicht, doch ansonsten blieb er verdächtig ruhig. Er griff so behutsam nach dem Schädel, als wäre er aus dünnem Glas hergestellt worden, zückte seinen Zauberstab und leuchtete ihn damit auf gleiche Weise aus, wie Emilia es kurz zuvor getan hatte. „In der Tat“, bestätigte er schließlich. „Knochensymbole. Kurios. Wer hätte gedacht, dass heutzutage jemand noch etwas von diese alten Handwerk versteht.“
„Also hat der Schädel doch einen Nutzen?“, fragte Emilia.
„Hm. Nein.“ Jarovit legte den Schädel sorgfältig auf den Schreibtisch zurück, den Blick jedoch stur auf dessen leere Augenhöhlen gerichtet. „Wie ich schon sagte, Miss Eliassen, es ist ein Kuriosum. Nichts weiter. Dieses Fundstück würde sich ganz ausgezeichnet in der Vitrine eines Sammlers machen, die dafür übrigens ein hübsches Sümmchen zahlen würden. Aber im Wald, dort, wo sie ihn gefunden haben, hat er definitiv nichts zu suchen.“
„Aber dieser Schädel ist Teil eines Bannkreises oder so etwas!“, rief Victoria merklich aufgebracht und mit bitterem Unverständnis in der Stimme. „Es ist Knochenhexerei!“
„Knochenhexerei ist Unfug, Miss Knight. Nonsens. Humbug. Aberglaube. Nicht mehr als das. Diese Form der Hexerei ist ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, als es noch keine Zauberstäbe und dergleichen gab, die Magie entfesseln konnte. Damals behalf man sich mit allen möglichen seltsamen Dingen, so auch mit Schädeln. Doch genützt hat es nie etwas. Knochenhexerei ist in etwa so unsinnig wie die Geschichte von der Zahnfee.“
„Ja aber …“, Victoria suchte angestrengt nach Worten, „es muss mehr dahinter stecken, Professor! Als wir den Schädel gefunden haben, sind merkwürdige Dinge im Wald passiert!“
„Sicherlich. Der Wald ist voller merkwürdiger Dinge. Blumen, deren herrlicher Duft dafür sorgt, dass dir der Kopf zerspringt, Pfade, die sich jede Stunde wie von Geisterhand wandeln und dich zu immer neuen, schrecklichen Gefahren führen. Werwölfe. Oh ja, Werwölfe. Ich bin zwar alt, aber mein Gehör ist noch immer feiner als das eure. Ich höre sie voller Hunger und Gier den Vollmond anjaulen, sie singen davon, kleine Kinder wie euch bei lebendigem Leib zu zerreißen.“

Emilia wusste nicht, ob Jarovit ihnen mit diesen Geschichten bloß Angst einjagen wollte, doch zumindest Victoria lies sich keineswegs von den tödlichen Attraktionen des Waldes beirren. „Wir sind verfolgt worden, Professor! Da war ein wildes Tier hinter uns her, kurz bevor wir den Schädel entdeckt haben.“
„Aha? Nun, davon hat mir Professor Sprout nichts berichtet. Man könnte meinen, die Dame würde sich an eine Verfolgungsjagd dieser Art nur zu gut erinnern können. Sind Sie sicher Miss Knight, dass Sie das `wilde Tier´ nicht mit der aufgebrachten Knieselmutter verwechseln, die Professor Kesselbrand den Finger abgebissen hat?“ Die Stimme des Professors verriet seine Listigkeit, sie verriet, dass er der Wahrheit unlängst auf der Spur war.
Ertappt wechselten Emilia und Victoria einen schnellen Blick miteinander. Beide wussten sie, dass die Zeit der Notlügen und Ausflüchte ihr Ende gefunden hatte. Also beschloss Emilia, Professor Jarovit die Geschichte von der misslungenen Waldexkursion noch einmal von Anfang an und mit gesteigerten Wahrheitsgehalt zu erzählen. Ihr Bericht begann bei dem ausgebüchsten Vielfraß Rudolph, dem sie nachgelaufen waren. Sie erzählte davon, dass Elicius, Rubeta und William der Meinung gewesen waren, ein etwa pferdegroßes Monstrum hätte sie durch den Wald gejagt, sie erwähnte den Steinquader, auf dem sie den sorgfältig deponierten Schädel entdeckt hatte und schlussendlich berichtete sie von dem merkwürdigen Licht, das, von eisigen Winden begleitet, hinter der Bäumen umhergestreift war, und davon, dass Rubeta und sie das Gefühl gehabt hatten, das leise Echo von Stimmen zu hören.

Professor Jarovit hatte aufmerksam zugehört und als Emilias Geschichte endete, war es unmöglich einzuschätzen, wie er reagieren würde. Professor Jarovit lies sich mit seinem Kommentar Zeit. Er saß schweigend auf seinem alten Stuhl, verschränkte seine Krallenhände ineinander und betrachtete gedankenverloren den blanken Schädel des unverwandelten Werwolfes. Schließlich, nachdem fast eine Minute vergangen war, räusperte er sich. „In meinen Ohren klingt das nach einem typischen Zauberwalderlebnis. Tut mir Leid Miss Eliassen und Miss Knight, wenn Sie gehofft haben, etwas Spektakuläres von mir zu hören zu kriegen. Doch damit kann ich nicht dienen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Lektion ernst zu nehmen und den Wald in Ihren jungen Jahren nicht mehr alleine zu betreten. Sie können sich nicht zur Wehr setzen und zu viele junge Schüler sind im Laufe der Zeit schon in diesem Wald zu Tode gekommen.“
„Mir wäre es trotzdem lieber, wenn der Schädel wieder dorthin zurückgebracht wird, wo er herkommt“, erwähnte Emilia vorsichtig. „Nur um auf Nummer sicher zu gehen, natürlich.“
Es blitzte in den kleinen, dunklen Augen des Professors und wieder spannten sich die Muskeln in seinem Körper an. „Dann geben Sie mir den Schädel, Miss Eliassen. Ich werde ihn zurückbringen, wenn Sie es wünschen. Ich tue es nicht gerne, denn selbst ich würde es im Zweifelsfall vermeiden, einfach so im Wald herumzuspazieren, dennoch würde ich es tun. Sie müssen mir nur eine Karte skizzieren, damit ich weiß, wo Sie auf den Schädel gestoßen sind.“
Jarovits Angebot lag wie ein greifbares Omen in der Luft und klang dabei so verlockend wie verdächtig. Doch Emilia konnte sich nicht dazu durchringen, dass Angebot anzunehmen. Fragend und etwas verwirrt über ihr eigenes Misstrauen sah sie zu Victoria und glaubte zu erkennen, dass das Mädchen kaum merkbar den Kopf schüttelte. War Victoria etwa auch der Meinung, etwas sei an Jarovits aufopfernden Angebot faul?

Am Ende blieb Emilia nur die Gewissheit, dass man seinem Bauchgefühl zu vertrauen hatte, wenn der gesunde Menschenverstand versagte. So höflich wie möglich teilte sie ihrem Professor mit, dass es zu viel verlangt sei, wenn er sich nur wegen eines ach-so-nutzlosen Schädels der Gefahren aussetzte, und dass es vielleicht besser sei, den Schädel vorerst zu behalten. Jarovit nahm ihre Entscheidung ohne Gegenargumente hin, wünschte Ihnen einen schönen Tag und entließ beide Mädchen aus seinem Büro. Mit dem Schädel in der Hand schritt Emilia eine Weile schweigend neben Victoria durch den dunklen Korridor, bis sie sicher war, außerhalb von Jarovits Hörweite zu sein.
„Glaubst du, was er gesagt hat?“, fragte sie an Victoria gewandt. „Glaubst du, dass Knochenhexerei Humbug ist und dass all die Dinge, die wir im Wald erlebt haben, normal sind?“
„Oh, ich bin mir da nicht sicher, Emilia! Wir sind einfach keine Experten, wir können das nicht beurteilen.“
Emilia schnaubte trostlos und murmelte sarkastisch: „„Ja, aber Professor Jarovit ist der Experte und wenn er sagt -“
Heftig schüttelte Victoria den Kopf. „Wenn er sagt“, schnitt sie Emilia abrupt das Wort ab, „dass Knochenhexerei Aberglaube ist, kann es ebenso gut sein, dass er uns belogen hat! Wie kann jemand so interessiert an einem Thema sein, dass angeblich so unwichtig und bedeutungslos sein? Und wieso hat Jarovit mit allen Mitteln versucht, dieses Interesse vor uns zu verbergen? Glaub mir, Emilia, er weiß sehr viel mehr, als er zugeben will, aber das bedeutet nur, dass er als unser Verbündeter nicht allzu viel taugt.“

Fortsetzung folgt …


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