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Fanfiction

Ancient History I - Der Verbotene Wald - Eisschwan - tödlich verunglückt

von Kiosk

22. Eisschwan - tödlich verunglückt

Personen:
Elicius Eliassen: Zwölfjähriger Sohn von Vigdis Eliassen und der Bruder von Emilia. Ein eher ruhiger, zurückhaltender Slytherin. Kam vor seiner Einschulung in Hogwarts kurzzeitig bei den Rathburn unter.

Emilia Eliassen: Zwölfjährige Tochter von Vigdis Eliassen. Eine Slytherin. Sie ist stets aufmerksam und besitzt ein eher verschlagendes Wesen. Magisch unbegabt. Kam vor ihrer Einschulung in Hogwarts kurzzeitig bei den Rathburns unter.

Garm McKinstry: Ein jugendlicher Unruhestifter aus Slytherin. Er scheint in Imperia verliebt zu sein. Er und seine drei besten Freunde - Erebus Nott, Veikko Johnson und Prester Perkins - bilden die so genannte „Toilettenmafia“.

Humphrey Belcher: Ulysses` Klassenkamerad. Ein liebenswürdiger Ravenclaw

Imperia Malfoy: Die ältere Schwester von Lucius. Eine Slytherin und Vertrauensschülerin. Sie wirkt kühl und distanziert und fällt im ersten Moment stets durch ihre Schönheit auf

Madam Burgunder: Sie unterrichtet den Benimmunterricht für die Mädchen. Trotz ihres miesen Charakters scheinen ihr die Männer zu Füßen zu liegen

Plumbeus Bott: Der Sohn des Bohnenerfinders Bertie. Er fällt besonders durch seine Langsamkeit und Zerstreutheit auf. Ein Hufflepuff

Professor Jarovit: Ein entfernt menschliches Wesen. In Russland jagte er unter anderem Werwölfe, Vampire und Schwarzmagier. In Hogwarts unterrichtet er Verteidigung gegen die Dunklen Künste

Rubeta und Arachne Cox: Zwei elfjährige Zwillingsschwestern mit großem Herz für exotische Tiere. Rubeta ist eine Ravenclaw-Schülerin, Arachne eine Slytherin

Ulysses Rathburn: Elfjähriger Sohn von Bethesda. Verwöhntes Einzelkind. Ein Ravenclaw. Stellt sich gegenüber Emilia und Elicius auf stur und ist Imperia Malfoy hoffnungslos verfallen.

Valkyrie Eliassen: Die Großtante von Emilia und Elicius

Victoria Knight: Eine Erstklässlerin aus Ravenclaw. Sie ist stets munter und aufgeweckt. Ihr Haustier ist ein stinkender, aber handzahmer Vielfraßrüde namens Rudolph.

Vigdis Eliassen: Die Mutter von Emilia und Elicius. Eine Squib. Aufgrund ihres desolaten, verantwortungslosen Lebensstils von der Familie verachtet

William Barkley: Ein Erstklässler aus Ravenclaw. Wie Ulysses stammt auch er aus Hogsmeade, wo er zusammen mit seiner etwas verschrobenen Mutter ein Haus am Rand des Dorfes bewohnt. Er ist ungewöhnlich still und unabhängig

Bisherige Handlung:
Während einer Exkursion in den Wald, geleitet von Madam Sprout und Professor Kesselbrand, kommt es zu einem blutigen Zwischenfall, bei dem Kesselbrand einen Finger verliert. Zudem finden Emilia und ihre Freunde abseits der Wege einen mysteriösen Schädel, der auf einem Stein platziert lag. Da sie befürchten, es könnte sich hierbei um die Überreste eines Vermissten handeln, nehmen sie ihn mit und zeigen ihren Fund Professor Jarovit, der das Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichtet. Dieser jedoch stuft die Entdeckung als unwichtig ein, da es sich lediglich um den Schädel eines unverwandelten Werwolfes handelt, nicht aber um den Schädel eines Menschen. Die genauen Fundumstände verschweigt Emilia dem Professor jedoch. Derweil zeigt sich Elicius aufgrund seiner Familienverhältnisse und seiner oft abspenstigen Mutter sehr depressiv, so dass ihn auch sein Geburtstag nicht aufheitern konnte.

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

September 1961

Emilias Leben begann sich immer mehr dadurch auszuzeichnen, dass es überdurchschnittlich blamabel war; Blamabel in einer ganz besonderen Hinsicht war allerdings ihr Schulleben, denn das erschien ihr geradezu als sprichwörtlich verhext.
Emilia war vom Pech verfolgt und es brauchte keine schwarzen Katzen und zerbrochene Spiegel, um das erkennen zu können.
Am Freitagmorgen, während einer Doppelstunde bei Professor Jarovit, hätte es eigentlich kaum zu einer eklatanten Situation kommen können, denn die Schüler sollten die Zeit dazu nutzen, sich einen Text über die verschiedenen Totengeister Europas und ihrer Abwehr durchzulesen und zu verinnerlichen, während sich Professor Jarovit damit beschäftigte, mit einem Glas voller seltener Fliegen und Würmer zu liebäugeln, von denen er behauptete, er würde sie nach dem Unterricht als Angelköder verwenden. Emilia war sich allerdings sicher, dass er all das Gewürm einfach selbst futtern würde und das die Anglerei bloß ein Alibi für seine kulinarischen Ausschweifungen war.
Doch das Pech verfolgte Emilia selbst beim Bücherlesen: Etwas gelangweilt von den zähen Bandwurmsätzen hatte sie damit begonnen, ihren Zauberstab zwischen ihren Fingern kreisen zu lassen, während sie die im Buch aufgeführte Liste bewährter Abwehrzauber vor sich hin murmelte. Und genau dieses Murmeln musste ihr Zauberstab zum Anlass genommen zu haben, plötzlich durchzudrehen: Mit einem Mal riss er sich von Emilia los und schoss wie ein rotglühender Pfeil und schnurgerade in Richtung Tafel und traf dabei Sybill Trelawney, die ganz vorne in der ersten Reihe gesessen hatte, am Kopf.
Sybill schrie entsetzt und sprang von ihrem Platz auf, während der Zauberstab noch immer in ihren struppigen Haaren festzukleben schien. „Was ist das?!“, schluchzte sie.
„Es tut mir leid!“, rief Emilia quer durch den Klassenraum.
„Oh, es brennt!“, rief Sybill und hielt sich den Kopf. „Was immer es ist, es brennt wie Feuer!“
Währenddessen hatte sich Professor Jarovit mit größtmöglicher Langsamkeit ebenfalls von seinem Platz erhoben, kam näher und sah sich das Spektakel einige Sekunden lang in aller Ruhe und mit hinter dem Rücken gefalteten Händen an. „Interessant“, sagte er schließlich. „Meines Wissens wurde noch nie etwas über die Auswirkungen des Lemures-Austreibungs-Zauber bei lebenden Personen publiziert. Vielleicht sollte ich mich heute daran setzen und einen Bericht darüber schreiben?“ sinnierte er. „Sagen Sie, Ms. Trelawney, würden sie den Schmerz eher als brennendheiß, brennendkalt, scharf oder ätzend bezeichnen?“
„Brennendheiß und ätzend!“, jammerte Sybill und warf ihrem Professor einen flehenden Hundeblick quer durch ihre gewaltigen Brillengläser zu. Noch immer saß ihr der Zauberstab sprichwörtlich im Nacken, glühte rot und spuckte die wütendsten Funken.
„Natürlich helfe ich Ihnen“, versprach Jarovit, zog mit gemächlicher Alterslahmheit seinen eigenen Zauberstab hervor und schaltete den anderen durch eine kleine Berührung aus, so dass dieser klackernd zu Boden fiel.
Sybill rieb sich missmutig den Kopf.
„Sie waren also dafür verantwortlich, Ms. Eliassen?“, erkundigte sich Jarovit an Emilia gewandt. „Sie haben doch nicht etwa mit ihrem Zauberstab gespielt, während sie Zaubersprüche vor sich hingemurmelt haben?“
Voll und ganz ertappt senkte Emilia den Blick. „Ich fürchte, genau so ist es passiert“, gab sie kleinlaut zu.
„Das hätte weitaus schlimmere Folgen haben können“, erinnerte Jarovit und fügte mit einem deplatzierten netten Lächeln hinzu: „Bis Morgenfrüh werden Sie mir zwanzig Zoll Pergament damit beschrieben haben, was sie aus diesem Unfall gelernt haben. Ich erwarte großartige Zitate aus den gängigen Sicherheitsvorschriften für Magier und obendrauf gerne noch ein paar Sätze über unsere moralische Verantwortung im Gebrauch mit Zauberstäben. Legen Sie mir die Strafarbeit einfach vor meine Bürotür.“
„Ja natürlich, Professor“, seufzte Emilia.

XXXXXXX

Ironischerweise versprach ausgerechnet der sonst so verhasste Benimmunterricht eine rettende Insel an diesem katastrophalen Freitag zu werden, denn hier erwartete man von Emilia zumindest kein Herumgefuchtel mit dem Zauberstab. Doch dass Gevatter Pechsträhne sie auch hier heimsuchen würde, wurde Emilia spätestens in dem Augenblick bewusst, als Madam Burgunder mit viel Begeisterung in der Stimme ein kleines Rollenspiel vorschlug, um die Mädchen an die „stressigen Situationen“ zu gewöhnen, die man an festlichen Dinnerabenden zu erwarten hatte.
Zu diesem Zweck hatte Madam Burgunder einen großen, runden Tisch in ihrem Klassenzimmer aufstellen und von Hauselfen decken lassen. Nun lagen Porzellanteller, Weingläser und silbernes Besteck auf einer königsblauen Spitzentischdecke bereit, kunstvoll ausgeleuchtet von einigen Kerzen und einem Kronleuchter.
„Setzen Sie sich, Mädchen“, forderte Madam Burgunder sie alle auf und nahm selbst auf einem der Stühle Platz, der unter ihrem Gewicht protestierend ächzte.
Beim Anblick dieses opulent gedeckten Tisches bekam Emilia Appetit, doch bevor sie endlich etwas essbares serviert bekommen würden, wollte Madam Burgunder offenbar erst ihr aller Wissen abfragen.
„Was fällt Ihnen an meinem Tisch auf?“, erkundigte sie sich mit kokettem Blinzeln.
Agnes Pillsworth wusste eine Antwort. „Zuallererst fällt mir natürlich die Tischdecke auf“, sagte sie. „Sie ist blau und nicht gerade schlicht. Das scheint mir mit Absicht so ausgewählt worden zu sein.“
„Korrekt.“
„Das Besteck und die Kerzenständer sind aus Silber, die Kerzen selbst sind Zartblau“, fuhr Agnes fort. „Das sind alles sehr kühle Farben. Nun … und die Weingläser scheinen Weißweingläser zu sein. Außerdem fehlen Blumen zur Dekoration, stattdessen steht eine Eisskulptur in der Mitte.“
Tatsächlich schmückte ein eisiger Schwan, der einen ebenso eisigen Fisch im Schnabel hielt - der Fisch hielt darüber hinaus eine echte Zitronenscheibe in seinem Maul - den Tisch und war offenbar so verhext, dass er, trotz der ewigen Kaminfeuerwärme in Burgunders Klassenzimmer, nicht schmolz.
„Oh, ich glaube, ich weiß was heute kredenzt wird!“, entfuhr es Agnes. „Natürlich, ich hätte früher darauf kommen müssen. Diese Farbwahl, die Weißweingläser, das Besteck und noch dazu diese Skulptur! Das alles war Hinweis genug!“
„Nicht so voreilig, Ms. Pillsworth“, mahnte Burgunder ihre eifrige Schülerin mit einem Lächeln. „Dass Sie mir auf die Schliche gekommen sind, verwundert nicht. Die Frage ist, ob andere Schülerinnen mit der selben Kombinationsgabe und Geschick beschenkt worden sind wie Sie. Fragen wir zum Beispiel einmal Ms. Eliassen. Ms. Eliassen, was denken Sie wird heute serviert?“
Emilia wurde schlagartig aus ihren Gedanken gerissen. Zuvor hatte sie hungrig den Eisschwan angestiert, in der verrückten Hoffnung, er würde zum Leben erwachen und fertig zubereitet und saftig auf ihren Teller fliegen. Und als Burgunder sich nach dem heutigen Menü erkundigte, antwortete Emilia stumpf ihrem leeren Magen entsprechend mit: „Schwanhahn mit Backobst.“
Burgunder rümpfte die Nase. „Ms. Eliassen, denken Sie nicht, dass ich anders dekoriert und gedeckt hätte, gebe es heute Schwan? Eine solch kühle Farbwahl passt doch nun wirklich nicht zu einer königlichen Mahlzeit wie den Schwan. Und übrigens heißt es auch nicht `Schwanhahn´ sondern allerhöchstens `Schwanerpel´.“
„Dürfte ich die Frage auflösen, Madam?“, erkundigte sich Agnes zuckersüß.
„Aber natürlich, meine Gute.“
Und so feierlich, als hätte sie selbst die Speise entsonnen und zubereitet, verkündete Agnes den übrigen Mädchen: „Heute Abend wird Fisch serviert.“ Dem fügte sie noch gänzlich unbescheiden hinzu: „Eindeutig zu erkennen an der echten Zitronenscheibe im Maul der Eisforelle und an den Fischmessern.“
Emilia warf einen ratlosen Blick auf ihr Besteck, verblüfft darüber, dass es so nutzlose Dinge wie Fischbesteck zu geben schien, wo der Mensch doch nicht viel mehr brauchte als stinknormale Löffel, Messer und Gabeln.
Madam Burgunder sparte nicht an Lob, um die ach-so-fabelhafte Agnes Pillsworth in all ihrem Glanz hervorzuheben, so dass Emilia umso erleichterter war, als endlich eine handvoll Hauselfen auftauchte, um sich nach den Wünschen der Gäste zu erkundigen. Die Auswahl bestand aus Blauforelle, Lachs und Seezunge. Emilia entschied sich für die Seezunge.

Während sie darauf warten mussten, dass die Hauselfen ihnen Speise und Getränke auftischen würden, versüßte Burgunder ihnen die Warterei leider mit weiteren Benimmregeln.
„Natürlich könnten wir uns nun in Geduld üben“, zwitscherte sie. „Doch wäre dies ein echtes Dinner, sollten wir uns die Zeit nutzbar machen. Normalerweise nutzt eine Dame von Welt nun die Gelegenheit, sich von den übrigen Gästen zu entschuldigen und im Bad ihr Erscheinungsbild zu prüfen und wenn nötig zu erneuern. Deswegen ist es unerlässlich, dass Sie Ihre wichtigsten Utensilien immer bei sich tragen, denn ich kann Ihnen aus Erfahrung verraten, dass es kaum eine unangenehme Situation gibt, als mit eventuell abstehenden Haaren oder verschmierten Lippenstift einen Heiratsantrag entgegenzunehmen.“
Agnes Pillsworth machte eine ruckartige Bewegung mit der Hand, als ob sie nichts lieber getan hätte, als sich diese Weisheit irgendwo zu notieren, wohingegen Emilia derweil so unauffällig wie möglich versuchte, sich unter dem Tisch die Schuhe zuzubinden, was angesichts der wallenden und schier allgegenwärtigen Tischdecke eine Kunst für sich war.
Burgunders Gefasel über die wichtigen Dinge des Lebens - damenhaftes Grätenentfernen aus dem Mund und eine Aufzählung eisbrechender Konversationsthemen - begleitete die Mädchen während des gesamten Essens. Aus diesem Grund war Emilia erleichtert, als sich sowohl ihr Dinner als auch die Unterrichtszeit im allgemeinen dem Ende entgegenneigten. Als schließlich auch das letzte Mädchen ihren Fisch verputzt hatte, entließ Burgunder sie aus ihrer Obhut und wünschte ihnen ein angenehmes Wochenende. Emilia konnte es kaum erwarten, aus dem Klassenzimmer zu kommen. Zum einen würde sie ihre Lehrerin nicht eine Sekunde länger ertragen können, zum anderen wollte sie den Rest des Tages nutzen, um ihren gewaltigen Stapel an Hausaufgaben abzuarbeiten.
Und es war genau diese Eile, die ihre Pechsträhne erneut über sie hinein brechen ließ: Kaum hatte sich Emilia in Richtung Tür gewandt, spürte sie einen Widerstand an ihrem Bein und bereits im nächsten Moment hörte sie es hinter sich lautstark klirren und scheppern.
Burgunder und einige der Mädchen schrien auf, die einen empört, die anderen entsetzt.
Mit der vagen Befürchtung, sie selbst könnte dafür verantwortlich sein, wandte sich Emilia in Richtung des Tisches und sah zu ihrem Schrecken Geschirr, Gläser und den den Rest des opulenten Krimskrams am Boden liegen. Das meiste war zerbrochen, doch am schlimmsten erging es wohl der Eisskulptur, von der nicht mehr übrig war, als glitzernde, glasartige Bruchstücke, die sich unter die echten Weinglasscherben gemischt hatten.
Grund für das ganze Chaos war die Tischdecke, an der man offenbar mit zu viel Wucht gezogen und so alles darauf zu Boden befördert hatten - und Burgunders vor Wut bebender Zeigefinger, der ausgerechnet auf Emilia deutete, gab weiteren Anlass zur Sorge.
„Sehen Sie was Sie gemacht haben, Sie tollpatschiges Ding!“, gewitterte sie ganz und gar undamenhaft. „Sie haben die Tischdecke an Ihren Schuh geknotet!“
Emilia blickte an sich herunter und tatsächlich entdeckte sie den königsblauen Stoffsaum, der mit ihren Schnürsenkeln verflochten war. Das musste passiert sein, als sie sich heimlich ihre Schuhe zugebunden hatte.
Die Strafarbeit, die Emilia für dieses Missgeschick aufbekam, lautete, einen Aufsatz über die „Entwicklung der Knotenkunst per Zauberkraft“ zu verfassen, mit besonderem Augenmerk auf die Rolle der Frau innerhalb dieser Entwicklung. Emilia bezweifelte, dass man in der Hogwartsbibliothek irgendetwas über ein solch grenzenlos unwichtiges Thema finden würde.

XXXXXXX

Kurze Zeit später in der Bibliothek wanderte Emilia zwischen den Regalen umher, um sich mit nützlichen Büchern für den Tag und für den bevorstehenden Hausaufgabenakkord zu versorgen. In der Abteilung „Magie für Haus und Hof“ stieß sie auf das Buch Kleine Chronologie der Haushaltszauber, dessen Titel irreführend war, denn es war mit immerhin über zweitausend Seiten alles andere als klein. Emilia zog es hervor und studierte das Inhaltsverzeichnis, bis sie auf ein viel versprechendes Kapitel stieß, dass sich ganz alleine um Schuhe zu drehen schien - hier würde sie sicherlich etwas finden, dass ihr bei ihrem Knotenaufsatz weiterhelfen würde.
Nicht weit von der Stelle entfernt, wo sie die Kleine Chronologie der Haushaltszauber aufgestöbert hatte, lenkte ein dicker Wälzer mit quietschrosafarbenen Einband die Blicke geradezu auf sich. Goldene Lettern verrieten den Titel des Werkes: Höfische Manier in horizontalen Lebenslagen
An sich verriet ihr der Titel nicht viel, nur der Autorenname ließ Emilia geradezu den Atem stocken, denn in verschnörkelter Schönschrift stand dort von Babette Burgunder geschrieben.
Endgültig neugierig geworden, zog Emilia das schwere Buch hervor und schlug wahllos eine Seite auf - und schlug das Buch gleich darauf wieder entsetzt zu.
„Was zum Teufel war das denn?!“, murmelte sie, während sie versuchte, das Gesehene zu interpretieren.
Gut, sie wusste, dass es auf der Seite eine große gemalte Abbildung zweier nackter Menschen gegeben hatte. Und mehr auch nicht. Und obwohl Emilia nicht genau beschreiben konnte, was dieses Bild veranschaulicht hatte, fühlte sie sich angeekelt. Der Anblick von Schlachtabfall wäre ihr in diesem Moment wahrscheinlich sogar lieber gewesen.
„Meine Güte, was guckst du denn so schockiert, Emilia?“ meldete sich eine Stimme aus nächster Nähe. Emilia drehte sich um und entdeckte Victoria Knight hinter sich, deren große, wasserblaue Augen sie voller Unverständnis musterten.
Wortlos hielt Emilia ihr das Buch entgegen. „Das hier hat Madam Burgunder geschrieben?!“, stieß sie hervor. „Aber was ist es?“
Victoria wirkte relativ unbeeindruckt. „Wusstest du nicht, dass sie auch Bücher geschrieben hat? Die sind nicht gerade im großen Stil veröffentlicht worden, aber immerhin. Madam Burgunder sagt, sie schreibt nicht des Geldes wegen, sondern um die Trauer in ihrer Seele abzubauen. Du weißt schon, wegen ihrer toten Männer.“
„Was du nicht sagst“, murmelte Emilia trocken.
„Aber angeblich“, fügte Victoria hinzu und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüsterton, „sind das alles `Erwachsenenbücher´ und gar nicht in der Schule erlaubt. Trotzdem tauchen die immer wieder hier auf. Madam Pince führt regelrecht einen Kampf dagelegen. Wahrscheinlich ist es Madam Burgunder selbst, die ihre komischen Bücher immer wieder zurück in die Regale stellt.“
„Das ist doch Zeitverschwendung“, winkte Emilia verständnislos ab. „Was denkt Burgunder sich dabei? Wer will denn so etwas lesen?“ Und um zu demonstrieren, wovon sie sprach und welchem finsteren Abgrund Burgunders Werke entsprungen sein mussten, schlug sie das Buch erneut auf und hielt es direkt vor Victorias Nase.
„Li-tera-tur-ver-zeichnis“, las Victoria laut vor und runzelte die Stirn.
„Oh, falsche Seite.“ Emilia blätterte gute hundert Seiten zurück und hielt dem Mädchen erneut das Buch entgegen.
Diesmal japste Victoria auf. „Urgh! Was ist das denn?!“
„Siehst du? Hab ich dir zuviel versprochen?“ Emilia wandte sich um und schob den Wälzer mit dem farbintensiven Einband mit entschiedenem Nachdruck zurück in das Regal. „Was machst du hier überhaupt, Victoria?“, erkundigte sie sich nebenbei. „Willst du dein Wochenende etwa auch mit Lesen verbringen?“
„Nein, ich habe mir von meinem Bruder Gordy Mäusefallen schicken lassen, die ich hier heimlich aufstelle. Diese Bibliothek hat ein echtes Nagerproblem.“
„Sehr nobel von dir, dass du dich darum kümmerst.“
„Oh, danke! Aber eigentlich mache ich das bloß wegen Rudolph. Der hat Mäuse zum Fressen gern.“ Und dann, ohne nennenswerten Übergang, fragte Victoria: „Sag mal, was ist eigentlich mit diesem Schädel, den wir im Wald gefunden haben?“
„Professor Jarovit sagt, es ist ein Werwolfsschädel. Der Schädel eines Nicht-verwandelten-Werwolfes um genau zu sein. Aber ansonsten ist er nicht gerade spektakulär.“
„Mmhm“, machte Victoria nachdenklich, „ich finde ihn schon spektakulär. Wenn man bedenkt, dass irgendwer oder irgendwas ihn da auf diesen hohen Steinklotz gelegt hat.“
„Um ehrlich zu sein habe ich Professor Jarovit davon gar nichts erzählt.“
„Wie bitte? Das ist doch das wichtigste an der ganzen Geschichte!“, brach es aus Victoria hervor. Sie klang verblüfft.

Mit einem Mal ärgerte sich Emilia über ihr Verhalten und darüber, dass sie nicht bereit gewesen war, ihrem Professor bis ins kleinste Detail Bericht zu erstatten. Die Geschichte über ihren mysteriösen Fund im Wald hätte anders verlaufen und sehr viel gewichtiger sein können, wäre Emilia weniger verschwiegen gewesen. Und sie hatte das eigenartige Gefühl, dem Schädel, der nun unter ihrem Bett lag, unrecht zu tun. Professor Jarovit hatte gesagt, er wäre nicht mehr wert als die Knochen eines toten Esels, doch Emilia spürte, dass er hierbei falsch lag.
Der Schädel war wichtig. Vielleicht nicht für sie selbst oder ihren Lehrer, wohl aber für denjenigen, der ihn einst aus irgendeinem Grund hoch oben auf einen Steinblock platziert hatte.
„Warum hast du Jarovit nichts davon erzählt?“, bohrte Victoria tiefer.
Emilia beschloss auszuweichen. „Du weißt doch, dass wir uns vielleicht in Schwierigkeiten gebracht hätten, wenn jemand davon erfahren hätte, dass wir uns von der Exkursionsgruppe entfernt haben. Deshalb musste ich den Fundort verschweigen. Und außerdem - nun - brauchen wir Professor Jarovit auch nicht einzuweihen! Wenn ich will, kann ich selbst alles über diesen Schädel herausfinden!“
„So? Ich glaube kaum, dass du irgendwas darüber in dieser Bibliothek finden wirst. Wonach willst du suchen? Es gibt hier keine Abteilung für `Mysteriöse Steinblöcke mit Schädeln drauf´.“
„Danke für die Erkenntnis. Aber auch ohne eine solche Abteilung muss es Bücher über Knochen geben. Im Zaubertrankunterricht arbeitet man schließlich auch ständig mit Knochen und Knochenpulver, also haben sie eine magische Bedeutung. Und wenn etwas eine magische Bedeutung hat, dann steht garantiert etwas darüber hier in dieser Bibliothek.“ Und um ihren guten Willen zu beweisen, wandte sich Emilia ab und irrte erneut durch die Gänge, auf der Suche nach zumindest themenverwandten Büchern. Victoria folgte ihr schweigend.

Während ihrem Erkundungsgang nährten sie sich einer kleinen Leseecke. Sie war gemütlich ausgestattet und mit Blick hinaus auf die Landschaft, weswegen es umso mehr verblüffte, dass es ausgerechnet die Toilettenmafia auf die knuffigen, weichen Sessel verschlagen hatte. Noch mehr verblüffte die Tatsache, dass alle vier jeweils ein Buch in der Hand hielten und offenbar völlig darin vertieft waren. Erebus Nott hatte sich sogar eine Lesebrille auf die breite Nase gesetzt.
„Um Himmels Willen“, schimpfte Victoria leise. „Schade das ich Omas Polaroidkamera nicht mit nach Hogwarts genommen habe. Mit diesem Schnappschuss könnte ich die Toilettenmafia wunderbar bloßstellen.“
„Ich glaube nicht, dass Muggelkameras hier funktionieren“, murmelte Emilia, die ihren Blick kaum von den vier Jugendlichen ablassen konnte, so amüsiert war sie von deren Lesestunde. Unauffällig nährte sie sich ihnen, während sie so tat, als würde sie weiterhin die Regale absuchen.
Von dieser Entfernung konnte sie sogar die einzelnen Bücher erkennen, die die Mitglieder der Toilettenmafia in ihren sonst so prügelwütigen Händen hielten. Garm McKinstry runzelte seine Stirn über einen dicken Wälzer namens Magische Geldgeschäfte. Oder: Die Finanztipps gemachter Männer.
Erebus Nott war in ein ähnlich sachliches Werk vertieft: Die Weltwirtschaft und ihre Chancen für die Zauberergemeinde. Investieren Sie in Muggelgeschäfte! schien für ihn jedoch leichte Lektüre zu sein. Mit nachdenklich vorgeschobenen Kinn las er sorgfältig Satz für Satz und hatte so erstaunliche Ähnlichkeit zu all den alten Herren, die leidenschaftlich gerne die trockensten Kapitel der renommiertesten Zeitungen lasen.
Im Gegensatz dazu schien Prester Perkins soeben über seinem Buch - Das Finanzeinmaleins des kleinen Mannes - vor lauter geistiger Überanstrengung zusammenzubrechen. „Ich gebe es auf, Jungs!“, seufzte er gerade. „Das ist zu hoch. Durchs Bücherlesen werden wir nie zu Mill - Milli - Millnären!“
„Millionären“, verbesserte Erebus ihn geistesabwesend.
„Ich bin voll und ganz deiner Meinung, Prester!“, knurrte Veikko Johnson und lies sein eigenes Buch wie angeekelt fallen. „In der Zeit, in der wir hier rum sitzen, hätten wir mindestens zehn Kindern das Taschengeld abnehmen können!“
Garm warf ihm einen drohenden Blick über seine Buchseite hinweg zu. „Halt die Klappe, du Trottel, und les weiter! Wir können nicht ewig Erstklässler verprügeln, wir müssen uns einer `geschäftlichen Expansion unterziehen´.“
„Was?“, fragte Veikko nach.
„Garm sagte, dass wir uns geschäftlich weiterentwickeln und neue Dinge ausprobieren müssen“, übersetzte Erebus seinem Freund.
Das schien Veikko besser zu verstehen. „Ja richtig, wir sollten anfangen auch die älteren Schüler aufzumischen!“, rief er und schlug zur Bekräftigung seiner Worte mit der Faust auf den Tisch. „Diese miesen Dritt- und Viertklässer bekommen doch sicherlich sehr viel mehr Geld als die Jüngeren!“
„Ich glaube kaum, dass Garm Dritt- und Viertklässler meint“, sagte Erebus trocken.
„Fünft- und Sechstklässler?“, hauchte Prester voller Ehrfurcht und sah abwechselnd von Garm zu Erebus.
Erebus lächelte schmal. „Nein, wir suchen nach ganz neuen Geschäftsideen … obwohl ich glaube, dass Garm kein Problem damit hätte, auch einen Sechstklässler zu verprügeln. Er wird sicher auch ohne Probleme mit einem Siebtklässler fertig.“
Garm quittierte die Worte seines Freundes mit einem kritischen Blick. „Vielen Dank für die Blumen, Erebus - aber würdest du bitte aufhören so mädchenhaft zu säuseln wenn du über mich sprichst?“
Daraufhin brach albernes Gekicher bei Veikko und Prester aus; Erebus hingegen sträubte sich vehement gegen die Unterstellung, er würde „mädchenhaft Säuseln“ und erklärte es mit einsetzender Heiserkeit. Nur sein hochroter Kopf verriet, wie peinlich berührt er wirklich sein musste.
„Und trotzdem verstehe ich nichts hiervon“, beschwerte sich Prester nachdem sein Gekicher endlich abgeflaut war, und verpasste seinem Finanzeinmaleins des kleinen Mannes einen Schlag mit der Faust. „Ich habe keine Ahnung von diesen Muggeldingen wie Mehrwertsteuern, Aktien, Wertpapiere und so ein Kram. Und was zum Henker ist bitteschön eine `Börse´?“
„Also in meinem Buch“, sagte Veikko, „wird auch von der `Börse´ geredet! Und es wird sogar geraten, unbedingt dort hinzugehen um etwas zu kaufen.“
Prester stieß heftig Luft durch seine schmalen Lippen. „Ja, wenn das bloß ein Geschäft ist, warum schreibt dieser blöde Autor dann `Börse´?! So ein Idiot!“
Warnend hob Veikko seinen Zeigefinger. „Ich persönlich glaube, dass es besser wäre, nicht zur Börse zur gehen! In meinem Buch steht nämlich, dass es passieren kann, dass diese Börse plötzlich zusammenbricht! Stellt euch mal vor, uns würde das passieren! Kaum sind wir in dieser Börse drin, bricht das ganze Teil zusammen! Mann, Mann, Muggel haben echt keine Ahnung davon, wie man stabile Häuser baut!“
„Na also“, sagte Prester zufrieden, „da sollten wir doch lieber Siebtklässler verprügeln. Das ist bestimmt ungefährlicher!“
Der Dummheit ihrer beider Freunde zum Anlass nehmend, warfen sich Garm und Erebus einen kurzen Blick zu, nur um dann synchron mit den Kopf zu schütteln.

„Unglaublich“, murmelte Victoria trocken, „und ich hatte immer geglaubt, die Toilettenmafia würde uns nur deshalb verprügeln, weil sie böse Menschen sind. Wer hätte gedacht, dass es bloß Teil ihrer Geschäftsidee ist?“ Dann wandte sie sich ab und begann, die Buchregale erneut zu inspizieren, ehe sie einen verstaubten, grauen Wälzer hervorzog. Er trug den Titel Knochenverwendung in der Modernen Hexerei, wobei dieser Titel angesichts der mehr als offensichtlichen Betagtheit des Buches wahrscheinlich mehr als irreführend sein dürfte.
„Vielleicht findest du in diesem Brocken hier etwas nützliches über unseren Schädel“, mutmaßte Victoria und lud das Buch sogleich bei Emilia ab.
„Die Frage ist doch“, knurrte Emilia daraufhin, „wieso du nicht ebenfalls mal so einen Wälzer in die Hand nimmst und liest, wenn du schon von `unserem´ Schädel sprichst?“
„Weil du gesagt hast, du würdest dich darum kümmern“, wies Victoria die Kritik entschieden von sich ab. „Und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich Professor Jarovit auch die ganze Geschichte über unseren Fund erzählt und nicht nur Bruchstücke.“
Zwar bezweifelte Emilia, dass das Mädchen dazu tatsächlich den Mut gehabt hätte, doch hatte sie weder die Zeit noch genug Geduld für weitere Beschwerden. Ein kurzer Blick auf einer der fingerdick verstaubten Wanduhren in der Bibliothek genügte um zu erkennen, dass ihr nicht mehr viel Zeit für die Erledigung ihrer Haus- und Strafarbeiten hatte. Wenn Emilias restliches Wochenende stressfrei bleiben sollte, täte sie gut daran, heute bis spät in die Nacht durchzuarbeiten, anstatt alles bis zum letzten Moment vor sich her zu schieben. So schnell es ging verabschiedete sie sich daher von Victoria und verließ, voll gepackt mit den beiden schweren Büchern, die Bibliothek.

XXXXXXX

Es war nicht einfach, die Strafarbeit für Professor Jarovit niederzuschreiben, vor allem was die „moralische Verantwortung im Gebrauch von Zauberstäben“ anging, ein Thema, bei dem sich Emilia Wort für Wort regelrecht aus den Fingern saugen musste. Gewisse Inspiration bot hierfür jedoch ausgerechnet Sybill, die durch den Gemeinschaftsraum tingelte, um jedem der dort Versammelten davon zu berichten, was Emilia ihr heute während des Unterrichts Schreckliches angetan hatte. Ihre pathetischen Erfahrungsberichte über „brennendheiße Höllenqualen, wie der feurige Odem eines Drachen“ und die „panische, alles bestimmende Angst vor weiteren Überfällen dieser Art“ flossen zu gewissen Teilen in Emilias Arbeit mit ein - so lange, bis schließlich eine düsterer Text über die schlimmstmöglichen Unfallarten in der Zaubererwelt und - im Geringeren Maße - der Unfallvermeidung entstanden war. Auch wenn sie das Gefühl hatte, etwas am eigentlichen Thema vorbeimanövriert zu sein, war Emilia stolz auf sich und ihre kleine, selbstverfasste Horrorgeschichte.
Für die Strafarbeit bei Madam Burgunder hingegen fand sich keine Inspiration alla Sybill Trelawney und Emilia war dazu gezwungen, alleine und ohne eine willkommene Ablenkung die staubtrockene Lektüre zu bearbeiten. Das Buch Kleine Chronologie der Haushaltszauber verfügte auch nicht gerade über nennenswerte Informationen, was das Thema „Entwicklung der Knotenkunst per Zauberkraft“ anging. Erneut sah sich Emilia dazu gezwungen, sich etwas aus den Fingern zu saugen, dennoch ging die Arbeit schleppend voran und war ermüdend. Gegen acht Uhr Abends hatte Emilia nicht einmal die Hälfte ihres Aufsatzes fertig gestellt und allmählich begannen die verlockenden Gedanken in ihrem Kopf Überhand zu gewinnen, Burgunders Strafarbeit einfach links liegen zu lassen. Wie schön könnten Freitagabende sein, wenn man sein Gehirn nicht mit so unwichtigen Dingen wie Schnürsenkel und Knoten ärgern müsste?

Um halb zehn und nachdem sie knapp zwei Drittel des Textes bereits auf Pergament gebannt hatte, beschloss Emilia, dass es besser wäre, sich mit einer kleiner Belohnung zu motivieren: Gespannt darauf, vielleicht einen entscheidenden Hinweis auf wirklich bedeutende Fragen zu bekommen, verließ sie ihren Platz und huschte in ihren Schlafsaal. Dort, unter ihrem Bett und ordentlich in schlichten Stoffen eingewickelt, lag noch immer der mysteriöse, halbmenschliche Schädel aus dem Inneren des Waldes. Emilia holte ihn hervor und ließ ihn vorsorglich in ihrer Schultasche verschwinden. Später, sobald sie alleine in dem Gemeinschaftsraum sein würde, würde sie ihn herausnehmen und einer weiteren Inspektion unterziehen.
Es dauerte jedoch mehr als zwei Stunden, ehe es soweit war und der verliesartige Saal verlassen und still dalag, eine Stille, die Emilia unwillkürlich ins Gedächtnis rief, dass sie noch nie alleine in dem Gemeinschaftsraum der Slytherins gewesen war - und der Schädel in ihrer Schultasche war alles andere als eine beruhigende Gesellschaft.
Sicherheitshalber wandte sich Emilia noch einmal um und spähte über die Lehne ihres Stuhles hinweg, um sich zu vergewissern, dass sie niemanden übersehen hatte. Das grünliche Licht der, von eisernen Ketten gehaltenen, Kugellampen konnte die Umgebung jedoch kaum erhellen, Emilia hatte eher das Gefühl, von allen Seiten von mehr oder weniger tiefen Schatten umgeben zu sein, die Streiche mit ihr spielten. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stand sie auf und schob ihren Stuhl näher an das noch immer prasselnde Kaminfeuer heran, und hoffte, das Licht und die Wärme würden der gruseligen Stimmung irgendwie Einhalt gebieten können. Dann erst holte sie den Schädel heraus und befreite ihn von seinen Stoffen, in denen er nun schon seit einiger Zeit eingewickelt gewesen war. Der Anblick des Knochenkopfes war zwar nicht mehr so erschreckend wie in dem finsteren Wald, dennoch war Emilia nicht gerade behaglich zumute, als sie den Schädel in beiden Händen vor sich hielt und den Schein des Kaminfeuers ausnutzte, um ihn von allen Seiten zu betrachten. Groß und grimmig starrten ihr die leeren Augenhöhlen entgegen.
In dem Buch Knochenverwendung in der Modernen Hexerei, in das Emilia von Zeit zu Zeit bereits einen neugierig Blick geworfen hatte, fand sich jedoch kein Hinweis. Es gab Kapitel über glitschiges Knochenmark, allerfeinstes Knochenpulver, grobe Knochenspäne, Tier- und Menschenknochen und zu guter Letzt mannigfaltige Anwendungsbereiche für all diese zahlreichen Knochenprodukte. Emilia kämpfte sich durch die Texte über die Tier- und Menschenknochen und war sich nicht ganz sicher, unter welcher der beiden Kategorien nun ein Werwolfsschädel fiel. Schließlich, als ihre Hoffnung bereits fast zur Neige gegangen war, präsentierte ihr das Buch zumindest einen winzigen, verschwindend geringen Hinweis:

Die Rolle des Schädels

Als Sitz des Verstandes wird dem Schädel - egal ob von Mensch oder Tier - immer eine besondere Bedeutung zugemessen und so verwundert es nicht, dass zu allen Zeiten der Schädel in der Zauberei einen besonderen Platz innehatte. Pulver und Späne, die aus Schädelknochen gewonnen worden sind, verfügen über eine gesteigerte Zauberwirkung und werden daher stets in solchen Fällen eingesetzt, in denen ein Zauber höchstmögliche Wirkung erzielen muss. Doch auch der Schädel als Ganzes ist für die Magie nützlich, da in ihm die größte, nach dem Tod erhaltene Zauberkraft eines Menschen oder Tieres versammelt ist. So war es (und ist es auch heute manchmal noch) in vielen Kulturen üblich, die Schädel verstorbener Verwandter in der Nähe oder direkt im Haus aufzubewahren, wo sie eine schützende und abwehrende Funktion einnehmen. Die Wirkung dieser speziellen Magie ist jedoch umstritten und stößt in der aufgeklärten Zauberwelt auf Ablehnung, da die Methode als archaisch verschrien ist und zudem vielerorts sogar von nichtmagischen Bevölkerungsgruppen eingesetzt wird. Da diese „Knochenhexerei“ (wie man es früher oft nannte) jedoch keineswegs ein Thema der modernen Hexerei ist, wird in diesem Buch nicht näher darauf eingegangen werden.

„Wie bitte?“, entfuhr es Emilia und stieß einen wütenden Seufzer aus. „Da bekommt man endlich mal einen Tipp und dann gilt das Thema nicht als `modern genug´?!“ Energisch stieß sie das Buch von sich, so dass es nach einem Überschlag auf dem Boden landete und dort mit verknickten Seiten liegen blieb.
Überaus frustriert stellte sie fest, dass sie sich seit über einer Stunde mit diesem Buch herumgeschlagen hatte und alles, was sie nun in den Händen hielt, war ein kleiner Hinweis, der vielleicht gar kein echter Hinweis war. Gut, sie wusste nun, dass Schädel über eine große magische Wirkung verfügten oder dass es so etwas wie „Knochenhexerei“ gab, doch das erklärte nicht einmal ansatzweise, warum sie mitten im Wald auf einen Steinquader den Schädel eines Halbmenschen entdeckt hatte.
Und jetzt saß Emilia einsam in dem völlig verlassenen Gemeinschaftsraum, hatte nicht mal einen Bruchteil ihrer Hausaufgaben erledigt und musste bis morgen früh die Strafarbeit über die „magische Knotenentwicklung“ für Madam Burgunder fertig geschrieben haben.
Erneut seufzte Emilia, diesmal jedoch klang es selbst für ihre Ohren alarmierend niedergeschlagen. Frustriert blickte sie tief in das Kaminfeuer, betrachtete die züngelnden Flammen und die knisternden Funken, während sie ihre Gedanken schweifen lassen lies. Doch ihre Gedanken waren heute Abend verräterisch gestimmt und anstatt über etwas Sinnvolles nachzudenken, führten sie Emilia ohne Umwege hinab ins Reich der Träume.

Fortsetzung folgt…


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