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Fanfiction

Ancient History I - Der Verbotene Wald - Der erste Tag

von Kiosk

9. Der erste Tag


Personen:
Elicius Eliassen: Elfjähriger Sohn von Vigdis. Ein Slytherin

Emilia Eliassen: Zwölfjährige Tochter von Vigdis. Eine Squib? Eine Slytherin

Garm McKinstry: Jugendlicher Unruhestifter. Umschwärmt er Imperia?

Humphrey Belcher: Elfjähriger Ravenclaw. Dicklich und liebenswürdig

Imperia Malfoy: Die ältere Schwester von Lucius. Vertrauensschülerin der Slytherins

Plumbeus Bott: Der elfjährige Sohn des Bohnenerfinders Bertie Bott

Rubeta Cox: Elfjährige Ravenclaw. In Begleitung ihrer Kröte Mona

Ulysses Rathburn: Elfjähriger Sohn von Bethesda. Verwöhntes Einzelkind. Ravenclaw

Victoria Knight: Elfjähriges Mädchen. In Begleitung ihres Vielfraßes Rudolph

Vigdis Eliassen: Eine Squib. Mit ihrem Leben scheinbar durchgehend überfordert

William Barkley: Ein Nachbarsjunge von Ulysses. Elf Jahre alt. Schweigsam

Bisherige Handlung: In Hogwarts angekommen, werden Ulysses, Emilia und die übrigen Neuankömmlinge dem Sprechenden Hut vorgestellt. Obwohl Emilia verdächtigt wird, eine Squib zu sein, hat sie Glück: Der Sprechende Hut verweißt sie keinesfalls von der Schule, sondern weißt sie, gemeinsam mit ihrem Bruder Elicius, Slytherin zu.

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September 1961

Ulysses war viel zu müde um darauf zu achten was, und vor allem wie er sich anzog. Wie jedes Kind hasste er es früh aufzustehen, aber abgesehen von den sehnsüchtigen Blicken, die er seinem Bett immer wieder zuwarf, konnte er sich keinen Schlaf mehr leisten. Beim Betrachten seines Spiegelbildes bemerkte er schließlich, dass er zwei verschiedenfarbige Socken trug. Der eine war dezent schwarz, der andere so kanarienvogelgelb, dass es seine übermüdeten Augen beinahe blendete.
„Hübsch … ich wußte noch gar nicht, dass du auch ein Hufflepuff bist“, neckte ihn Humphrey Belcher, der das Bett neben ihm bezogen hatte und gerade damit beschäftigt war, seinen verlorenen Schnürsenkel auf dem Boden zu suchen.
Ulysses zog die Nase kraus und im Angesicht seines Zeitmangels beschloss er, es bei den beiden verschiedenen Socken zu belassen. Blieb nur zu hoffen, dass sein modischer Fehltritt niemandem auffiel.
Seit Ulysses sich gestern Schlafen gelegt hatte, hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, den Schlafsaal näher gehend zu betrachten, doch nun war der Anblick überwältigend genug für einen kleinen, elfjährigen Jungen. Es war ein luftiger, halbrunder Saal mit mehr als einem Dutzend Fenster, die so unregelmäßig an den Wänden und an der Zinne verteilt waren, als wären sie einst wie Blasen dort gewachsen. Einige dieser Fenster erlaubten eine herrliche Aussicht über die grünen Länderein Hogwarts, andere jedoch zeigten kaum mehr als einen strahlendblauen Himmel, der sich über dem Schloss spannte. Die Betten der Jungen waren in einem Rund aufgestellt worden und in der Mitte des Raumes lag eine Luke, die die man dank einer eng geschwungenen Wendeltreppe die anderen Räumlichkeiten der Ravenclaws erreichen konnte.
„Hey, ich hab hier übrigens was“, riss Humphrey ihn aus seinen Beobachtungen, denn er hatte nicht nur seinen Schnürsenkel in den Tiefen seines Koffers gefunden, sondern zog nun auch eine gefaltete Karte daraus hervor. „Das ist eine genaue Abbildung von Hogwarts“, erklärte er. „Ich dachte, vielleicht wäre es besser, wenn wir sie die nächsten Tage mitnehmen. Ich sehe es nämlich schon kommen, dass wir uns sonst wieder hoffnungslos verlaufen.“
„Schön, aber vielleicht sollten wir sie besser Plumbeus Bott geben. Der Junge verläuft sich schließlich selbst dann, wenn er von jemanden geführt wird.“ Zwar hatte Ulysses diesen Vorschlag nicht ernst gemeint, doch Humphrey schien tatsächlich darüber nachzudenken. Schließlich, während er seinen Schnürsenkel durch die Löcher zog, nickte er. „Vielleicht hast du Recht. Ich kann meiner Mutter schreiben, dass sie mir noch eine Karte herstellen soll. Sie macht das mit Zauberkraft und braucht keine Sekunde dafür. Solange kann Plumbeus gerne die erste Karte haben, er wird sie wirklich dringender benötigen als wir beide, oder?“
Ulysses war sich in dieser Hinsicht nicht so sicher. Bei der schieren Größe des Schlosses hätte er sich am liebsten einen Fremdenführer zu Weihnachten gewünscht, aber eine Karte erschien ihm für den Notfall auch nicht allzu schlecht. Dennoch sagte er schließlich lahm: „Ja, lass sie uns Plumbeus geben. Sicherlich treffen wir ihn in der Großen Halle beim Frühstück.“
Wie sich herausstellte, war Plumbeus in der Großen Halle nirgendwo auszumachen, doch er war längst nicht der einzige Erstklässler, der sein erstes Frühstück in Hogwarts zu verpassen drohte. Als Ulysses und Humphrey sich an den Ravenclaw-Tisch setzten, bemerkte Ulysses den leeren Platz von William Barkley. Es erschien ihm merkwürdig, dass der sonst so vernünftige und selbstständige William sich verlaufen haben sollte, denn Ulysses hatte eigentlich damit gerechnet, dass William sich von allen Neuankömmlingen am ehesten in der fremden Umgebung zurechtfinden würde. Zudem fehlte auch Victoria Knight, was ihm jedoch mehr als gelegen kam, denn es war zu befürchten gewesen, dass Victoria ihren stinkigen Vielfraßrüden zum Frühstück mitgebracht hätte.
Jedoch war die kleine, pummelige Rubeta Cox anwesend. Sie kaute gerade auf einem saftigen Stück Speck herum und ihre Kröte Mona schien in ihrer Armbeuge zu schlafen. Humphrey hatte gestern nach ihrem Eintreffen im Gemeinschaftsraum Rubeta ihre Kröte salbungsvoll überreicht, woraufhin das Mädchen mit Entzücken reagiert hatte. Offenbar war sie kleine Nettigkeiten nicht unbedingt gewohnt.
Während Ulysses sein Milchbrötchen mit einer Schicht Aprikosenmarmelade bestrich, ließ er den Blick weiter umherstreifen. An der Slytherintafel erkannte er Emilia und Elicius, die beide stillschweigend etwas Müsli verdrückten. Einige Meter entfernt, inmitten der älteren Schüler, erkannte er außerdem - und danach hatte er gesucht - den weizenblonden Haarschopf von Imperia Malfoy, die ihr Haar heute feinsäuberlich hochgesteckt trug.
Schließlich wurden die Stundenpläne ausgeteilt, etwas, was Ulysses mit großer Spannung erwartet hatte. Er studierte das Pergament, während er sein inzwischen drittes Milchbrötchen verspeiste und machte sich dann zusammen mit Humphrey und den übrigen Erstklässlern seines Hauses auf den Weg zum Unterricht. Als erstes hatten sie Geschichte der Zauberei, zusammen mit den Hufflepuffs.
Da Plumbeus Botts noch immer nicht auftauchte - Ulysses war sich sicher, dass der Junge sich wieder irgendwo verlaufen hatte - machten sie sich auf den Weg zum Unterricht. Ihr Klassenzimmer fanden sie zwar nicht auf Anhieb, doch kaum hatten sie ihn erreicht, schlug Humphrey vor, sie sollten versuchen, sich möglichst in der ersten Reihe einen Platz zu sichern. Das war alles andere als schwierig, denn die meisten Schüler hatten sich in die hintersten Reihen verdrückt, vielleicht aus Sorge darüber, ihr Lehrer könnte sich als blutsaugender Vampir entpuppen. Humphrey jedoch wollte nichts verpassen. „Das erste Kapitel im Schulbuch handelt von der Magie alter Kulturen“, sagte er. „Ich finde, das hört sich spannend an.“
Ulysses sagte nichts und sah zu, wie sein Klassenkamerad derweil Feder und Tintenglas auf seinem Tisch arrangierte und er fragte sich, ob Humphrey wohl zu der Sorte Ravenclaws gehörte, für die eifriges Lernen oberstes Gebot war. Ulysses selbst hatte sich nie besonders für die Lernerei begeistern können, auch damals nicht, als seine Mutter ihm Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht hatte. Er fand, dass er keinen besonders guten Ravenclaw abgab und fragte sich, wann ihn dieses Manko die ersten Punktabzüge einbringen würde.
Kurz vor Unterrichtsbeginn war noch immer nichts von dem Hufflepuff Plumbeus Bott und Ulysses` Hausgenossen William und Victoria zu entdecken. Langsam wurde die Zeit knapp. Dennoch, reichlich spät, aber noch immer früher als der Professor stürmten William und Victoria flink in das Klassenzimmer. Keine Sekunde zu spät, denn direkt hinter ihnen folgte die behäbige Gestalt ihres neuen Lehrers, der sich in einen altmodischen, mit Spitzenkragen versehenden Samtanzug gequetscht hatte. Auf dem Stundenplan hatte der Name des korpulenten und schier uralten Mannes gestanden: Professor Binns. Und eben dieser Professor schlurfte nun in stattlicher Langsamkeit in das Innere seines Klassenzimmers und murmelte dabei in seiner Schnauzer: „Na, na, Kinder. Nicht so stürmisch.“
Gemeint waren damit William und Victoria, die sich nun keuchend auf den Sitzplätzen hinter Ulysses setzten. Victorias Haare standen in alle Richtungen ab, doch William war, trotz seiner schweren Atmung und seiner verschwitzten Stirn, noch immer eine hoheitsvolle Erscheinung.
Professor Binns trat hinter sein Pult und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn, während er mit der anderen Hand geistesabwesend ein paar Zettel aus seiner Ledertasche fischte. Den Blick stur auf den obersten Zettel geheftet, begann er zu murmeln: „Ist ein gewisser Mr. Arkwright anwesend? Samuel Arkwright?“
Einer der Jungen aus Hufflepuff hob seine Hand, doch der Professor beachtete ihn nicht einmal, sondern nuschelte einfach weiter, bis sich auf der Anwesenheitsliste kein Name mehr befand. Ulysses fand das Verfahren ziemlich zwecklos, denn der offenbar sehr desinteressierte Professor Binns hatte auf diese Weise nicht einmal bemerkt, dass Plumbeus Bott nicht in seinem Klassenzimmer hockte.
Erst William machte ihn darauf aufmerksam. „Entschuldigen Sie, Sir“, sagte er, „aber wir sind nicht alle vollzählig. Mr. Bott fehlt.“ Sicherlich war es ungewöhnlich, dass ein Elfjähriger Junge seinen Mitschüler „Mr. Bott“ nannte, aber William Barkley hätte schon einhändig einen Zentaur stemmen müssen, um Ulysses noch in irgendeiner Weise überraschen zu können. Es war einfach die Art des Jungen, sich grundsätzlich von seinen Altersgenossen zu unterscheiden.
Professor Binns murmelte irgendwas, doch seine einzige Reaktion darauf bestand darin, noch mehr Zettel aus seiner Tasche hervorzubefördern und zu ordnen.
„William und ich haben ihn nach dem Frühstück noch getroffen“, berichtete Victoria, scheinbar leicht amüsiert, „Plumbeus sagte, er habe sich verlaufen und da haben wir beschlossen, ihn mit uns zu nehmen. Aber er ist irgendwann auf dem Weg verloren gegangen.“
Wieder reagierte Binns nicht darauf und Ulysses beobachtete aus den Augenwinkeln, wie William und Victoria sich daraufhin milde verwirrt ansahen und schließlich mit den Schultern zuckten. Ungefähr zeitgleich begann Professor Binns mit dem Unterricht, der, wie sich schnell herausstellte, ungefähr so staubtrocken wie die trockenste Wüste war.
Zu Anfang redete Binns über die alten Schamanen der Steinzeit und ihre ersten Berührungen mit der Magie und obwohl dieses Thema an sich als spannend bezeichnet werden könnte, wurde es hier zu einem langweiligen Geschwafel, das von Minute zu Minute träger dahinsickerte. Ab und zu wurden sie dazu genötigt, ihre Schulbücher aufzuschlagen, aber Ulysses` Gehirn schien vor lauter Langeweile ein Nickerchen zu machen, denn er war kaum mehr dazu in der Lage, eine Zeile zu lesen. Vor seinen Augen trübte sich die Sicht, bis er nur noch stumpf geradeaus blicken und überlegen konnte, wie er sich für die nächste Unterrichtsstunde am Besten gegen diese pure Langeweile wappnen könnte. Selbst Humphrey Belcher, am Anfang noch Feuer und Flamme, hatte wohl begriffen, dass er von diesem Unterricht nie etwas Spannendes erwarten könnte. Das Aufregendste, was in den gesamten zwei Stunden passierte, war Plumbeus Bott, der kurz vor Unterrichtsschluss die Tür öffnete.
Ulysses fühlte fast so etwas wie Adrenalin in seinem Blut.
Bevor Plumbeus sich für seine lange Verspätung entschuldigen konnte, war der Unterricht beendet und die Schüler sprangen erleichtert auf, bereit zur Flucht.
Ulysses und Humphrey traten auf Plumbeus zu und ihnen folgten William und Victoria, offensichtlich interessiert daran, was der Junge zu erzählen hatte.
„Was war denn los?“, fragte Ulysses Plumbeus.
Schweigen.
„Plumbeus?“
„Ich habe verschlafen“, antwortete Plumbeus so stockend, als ob er mit einem ganz besonders schwierigen Gedicht kämpfte, das er auswendig gelernt hatte.
„Passiert schon mal“, beruhigte ihn Humphrey.
„Und dann hab ich mich verlaufen“, fuhr Plumbeus lahm fort. Victoria kicherte daraufhin und William sagte: „Das war nicht zu übersehen, Bott. Aber ich frage mich, wie du das geschafft hast. Warst du denn nicht direkt hinter Victoria und mir?“
Plumbeus starrte beschämt auf seine kleinen, dicken Füße. „Falsche Treppe“, murmelte er schließlich in Richtung Erdboden. „Bin in den Kerkern gelandet.“
„Hier gibt es Kerker?“ Victoria war hellhörig geworden. „So mit Folterwerkzeugen und allem?“
Schließlich trat Humphrey vor und überreichte Plumbeus feierlich die Karte. „Das ist eine Abbildung von Hogwarts. Wenn du dich das nächste Mal verläufst, werf einfach einen Blick drauf.“
Plumbeus öffnete den Mund mit einer dramatischen Langsamkeit.
„Du brauchst dich nicht zu bedanken“, versicherte ihm Ulysses.
Plumbeus` Mund öffnete sich weiter.
„Ja, das haben wir gerne gemacht“, fuhr Humphrey gutgelaunt fort.
Plumbeus nieste in einer Lautstärke und mit einer Gewalt, wie es absolut unfassbar war. Ulysses, Humphrey, William und Victoria wurden von einem schleimigen Sprühregen bedeckt. Entsetzt starrten sie Plumbeus daraufhin an.
Plumbeus zog die Nase hoch, betrachtete die Karte in seiner Hand als bemerke er sie erst jetzt, murmelte ein „Danke“ und verschwand trottend aus dem Klassenzimmer.

XXXXXXX

Emilia traf ihren jüngeren Bruder zufällig inmitten eines Gewirrs aus Korridoren, in dem sie gerade selbst fast die Orientierung verloren hätte. Nachdem sie ihre ersten beiden Schulstunden - Zaubertränke - absolviert hatte, hatte sie eigentlich vorgehabt, auf schnellstmöglichen Weg zu dem Klassenraum zu gelangen, in dem das Fach Verwandlungen unterrichtet wurde. Nun jedoch kam sie neben Elicius zum Stehen, der gerade damit beschäftigt gewesen war, aus einem der wuchtigen Fenster hinaus auf die noch immer grüne Landschaft zu blicken.
„Wie war dein Tag bisher?“, erkundigte sich Elicius sogleich.
„Grausam“, murmelte Emilia und musste unwillkürlich seufzen. „Mir ist ein Kessel um die Ohren geflogen und hab deshalb Punkteabzug bekommen … es war peinlich. Naja, trotzdem sollte ich mir das nächste Mal sehr viel mehr Mühe geben. In dem Fach verlangt man schließlich nicht von mir, mit dem Zauberstab herumzufuchteln und das ist natürlich ein Vorteil.“ Emilia betonte ihre Worte nur mit einem kleinen Hauch der Enttäuschung, die sie tatsächlich empfand. Eigentlich hatte sie geglaubt, ein Fach, in dem man bloß Zutaten in einen Kessel warf um diese dann zu verrühren, könnte sich keineswegs als grässlicher Unterricht entpuppen. Ihre Frustration darüber, dass sie den Lehrstoff dennoch nicht bewältigen konnte, war jedoch gering im Vergleich zu der Angst vor dem Bevorstehenden. Als nächstes erwartete sie das Fach Verwandlungen, etwas, das den Umgang mit einem Zauberstab voraussetzte.
„Emil, du hast dein erstes Schuljahr auf Fuglefjell fast komplett geschwänzt“, sagte Elicius mit fester Stimme, die sogleich weicher wurde, als er ihr versicherte: „Du musst einfach eine Menge aufholen um mit den Schülern hier mithalten zu können. Das ist hart, aber nicht unmöglich.“
Emilia hasste es, wenn ihr Bruder begann, den Vernünftigen zu spielen. In ihren Augen war er nicht mehr als ein kleiner, elfjähriger Bruder, um den sie sich Zeit ihres Lebens gekümmert hatte. Sie hingegen war beinahe dreizehn Jahre alt, zu alt also, um sich Elicius` dumme Weisheiten gefallen zu lassen.
Gerade aber, als sie ihn darauf hinweisen wollte, hörten sie einen hässlichen Fluch aus der Jungentoilette dringen, die unweit von Elicius` Fensterplatz entfernt lag.
„Dieser verdammte Bott!“, halte es aus dem Bad. „Oh, kennt der eigentlich keine Taschentücher?!“
Sofort wusste Emilia, dass diese Stimme zu Ulysses Rathburn gehörte, denn er hatte ihn schon häufiger in seinem Elternhaus herumschreien hören. Daher waren ihr seine typischen Wutausbrüche gut bekannt.
Neugierig geworden traten Emilia und Elicius näher und nachdem sie sich vergewissert hatten, dass niemand in der Nähe war, der beobachten könnte, wie sich ein Mädchen in die Jungentoilette schlich, schlüpften sie hinein.
Emilia sah Ulysses über eines der Waschbecken gebeugt, wo er sich soeben exzessiv die Haare schrubbte. Neben ihm standen zwei weitere Jungen und überraschender Weise auch ein Mädchen, allesamt mit pitschnasser Mähne und einem leicht angewiderten Ausdruck im Gesicht.
„Was geht hier vor?!“, fragte Elicius verwundert beim Anblick der vier tropfenden Köpfe, doch seine Stimme schien Ulysses so zu erschrecken, dass dieser zusammenfuhr und sich dabei den Schädel an den Wasserhahn stieß. Es endete wie es enden musste: mit einem lauten Schmerzensschrei.
„Autsch! Verdammt noch mal, so ein Mist!“, jaulte er gequält, die Hände schützend auf die schmerzende Stelle gepresst. Hinter ihm bedachte ihn das blonde Mädchen - es war das Mädchen aus dem Fahrenden Ritter - mit einem schadensfrohen Kichern, dem sich Emilia rasch anschloss.
„Du heulst ja!“, stellte Elicius an Ulysses gewandt fest. Er klang verblüfft.
„Nein, tu ich nicht … ich hab nur was im Auge“, weinte Ulysses, woraufhin sich das Mädchen - Emilia erinnerte sich, dass ihr Name Victoria Knight lautete - vor lauter Lachen den Bauch halten musste. Auch der Junge gleich neben Victoria kam Emilia bekannt vor, auch wenn er nun nicht mehr in zerschlissenen Kordhosen sondern in streng sitzender Schulrobe gekleidet war: Es handelte sich um William Barkley, der Junge, der alleine mit seiner Mutter Dahlia am Rande von Hogsmeade lebte und von dem niemand genau wusste, wer sein Vater war.
„Darf ich fragen, warum ihr euch die Haare wascht? Der Unterricht fängt gleich an“, sagte Elicius und blickte verwirrt von einem zum anderen. Genau wie Emilia konnte er sich scheinbar keinen Reim darauf machten, warum vier Erstklässler die kurze Pause nutzten, um sich ihre Haare zu waschen, anstatt zum nächsten Klassenzimmer zu hetzten.
„Ach, wir wurden von einem gewaltigen Nieser erwischt und mit Rotz voll gesprüht“, erklärte Victoria gelassen. Ulysses war bereits zu keiner weiteren Äußerung mehr fähig, denn er schluchzte ununterbrochen.
„Sollen wir dich zur Krankenstation bringen, Ulysses?“, fragte Elicius vorsichtig.
„Bist du bescheuert?!“, brüllte ihn Ulysses an. „Ich geh doch nicht wegen so einem Kleinkram dorthin! Schon gar nicht am ersten Tag!“
„Stell dich nicht so an“, sagte Elicius. „Die anderen werden dich schon nicht auslachen.“ Das jedoch war eindeutig gelogen, schließlich amüsierten sich Emilia und Victoria ja bereits köstlich.
„Wenn du mich nicht erschreckt hättest, Elicius, wär das auch nicht passiert!“, brummte Ulysses, während er sich mit dem Handrücken möglichst unauffällig die letzten, dicken Tränen aus den Augen wischte.
Der korpulente Junge neben Ulysses warf einen raschen Blick auf seine Armbanduhr. „Wir sollten uns allmählich beeilen. Der Unterricht beginnt in fünf Minuten.“
„Du hast recht, Humphrey“, nickte Victoria, schritt zu einem der Waschbecken hinüber und wrang sich ihre tropfnassen, langen Haare behelfsmäßig aus, ehe sie ihre Mähne in einem lockeren Zopf bändigte. „Es ist unser erster Tag, da müssen wir uns schließlich Mühe geben!“ Sie sagte es mit einem vorwitzigen Grinsen im Gesicht und Emilia beschlich das Gefühl, dass ihre Sorge in Bezug auf die Pünktlichkeit eher dem blanken Sarkasmus zuzuordnen war.
Doch ehe Emilia, Elicius, Ulysses, Victoria, William und Humphrey die Toilette verlassen konnten, stürmten vier Jugendliche grölend hinein.
„Was für ein Tag, Kumpels!“, rief der eine, dessen Gesicht Emilia unangenehm bekannt vorkam. „Habt ihr gesehen, wie dumm die olle Sprout aus der Wäsche geguckt hat? Das war es alle mal wert, was?“ Der Jugendliche verstummte sofort, als er die Kinder bemerkte, in die er voller Übermut beinahe hineingerannt wäre. Auch das geierhafte Lachen seine drei Kumpanen klang augenblicklich ab, während sich die beiden Gruppen - die Jugendlichen und die Kinder - überrascht beäugten.
„Gar nicht im Unterricht?“, erkundigte sich einer der älteren Schüler und klang hämisch. Er war groß, muskulös und verfügte über volles, blondes Haar, durch das sein böse dreinblickendes Gesicht etwas von seiner dramatischen, ja fast angst einflößenden Wirkung verlor. In der Tat hätte er sogar sehr gut aussehen können, hätte er sich nicht darauf beschränkt, die Jüngeren so gemeingefährlich wie möglich anzustarren. Emilia hatte den Blonden noch nie zuvor gesehen, erkannte jedoch dafür endlich denjenigen Jugendlichen, der als erster in die Toilette hineingestürmt war: Es war Garm McKinstry, der ruppige Kerl, der Imperia Malfoy gestern im Expresszug wie ein Hund gefolgt war und sie dabei mit verliebten Blicken geradezu überschüttet hatte.
Garm McKinstry trat näher an die Kinder heran und betrachtete sie kritisch, musternd. „Seid Frischlinge, wie?“, fragte er schließlich. „Erstklässler?“
Hinter ihm nährten sich seine drei Kumpanen wie Schatten und der Blonde fuhr sich mit wenig überzeugender Nachdenklichkeit über sein Kinn, während er sinnierte: „Die Frischlinge sind gerade dabei, den Unterricht zu verpassen, Garm. Vielleicht sollten wir vorbildliche Schüler sein und uns darum kümmern, dass sie dennoch etwas lernen. Wir könnten ihnen beispielsweise unsere Tarife erklären.“
„Tarife?!“, platzte es aus Victoria heraus. „Wovon redet ihr?“
„Wovon redet ihr?“, äffte Garm sie nach, ehe er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und in geschäftlichem Ton fortfuhr: „Wir bessern unser Taschengeld auf, indem wir dem Hausmeister und seinen Gehilfen dabei unterstützen, gegen die anhaltende Verschmutzung unserer geliebten Schule vorzugehen.“ Es klang, als würde er die Worte aus einem Buch vorlesen. Während er seine kleine Rede vortrug, schritt er hoheitsvoll an den Kindern vorbei und hinüber zu den Waschbecken, die er kurz in Augenschein nahm. „Aha, bereits der erste Verstoß gegen die Schulordnung!“, triumphierte er schließlich und seine drei Kumpels lachten gierig. Garm fuhr fort: „Es wurden vier Waschbecken benutzt und niemand hat sich die Mühe gemacht, die Wasserflecken am Rand und auf dem Boden wegzuwischen. Es tut mir Leid, aber wir müssen dafür Strafgelder kassieren.“
Das war der Moment, in dem Emilia realisierte, dass die vier Jugendlichen nicht wirklich im Dienst der Schule handeln konnten, sondern sich nur deshalb die Aufseher spielten, um kleinen, dummen Schülern Angst zu machen und ganz nebenbei auch deren Taschengeld abzuluchsen. In einem Anflug ritterlichen Mutes trat sie daher vor und zischte: „Wer seid ihr wirklich? Ich glaube kaum, dass ihr echte Ordnungshüter seid!“
„Kleine“, seufzte Garm, „vergiss es. Das ist zu hoch für dich. Merk dir folgendes: Lass uns unseren Kram machen und halte dich daraus.“
„Denn wenn du dich einmischt“, fügte der dritte Jugendliche, ein kleiner, übergewichtiger Kerl mit unzufriedener Miene, hinzu, „gibt's Strafstunden. Strafstunden laufen bei uns anders als bei den Lehrern. Wir sind nämlich vier sehr kreative Köpfe und können uns wirklich gemeine Dinge ausdenken.“
„Ganz recht, Erebus“, nickte Garm dem Dicken zu, ehe er sich wieder an Emilia wandte und ihr mit dem Zeigefinger gegen die Stirn schnipste. „Wenn du also keine Lust auf unsere Bestrafungen hast, dann raus mit dem Geld. Vier nasse Waschbecken kosten euch bloß schlappe vier Sickel. Aber wenn du lieber weiter rumpöbeln willst, kann ich gerne noch mal zehn Sickel drauflegen.“
Der vierte und letzte Jugendliche im Bunde war ein drahtiger Kerl mit unangenehmem, etwas fahrigem Dauergrinsen. Als er vortrat, und sich dabei an dem dicken Erebus und dem stattlichen Blonden vorbeidrängte, packte er Humphrey bei den Schultern. Mit aller Kraft, die seine lange, sehnige Hand aufbringen konnte, übte der Jugendliche schmerzhaften Druck auf Humphreys Schulter aus, so dass der Junge das Gesicht verziehen musste.
„Ohne blaue Flecken kommt ihr nicht an uns vorbei!“, stellte der Dauergrinsende klar. „Wir machen euch das Leben schwer, wenn ihr nicht ko - kooo - koopiert.“ Ein fragender Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit, als er über das letzte Wort seiner dramatischen Ansprache immer wieder stolperte. Ratlos blickte er den großen Blonden an. „Veikko?“, fragte er kleinlaut und diesmal ohne Grinsen im Gesicht. „Wie heißt dieses verfluchte Wort noch gleich?“
Veikko würdigte seinem Kumpanen keines Blickes, doch durch seine geschlossenen Zahnreihe hindurch zischte er: „Es heißt `kooperiert´, Prester.“
Augenblicklich kehrte das Grinsen in Presters Gesicht zurück „Kooperiert, richtig!“ Dabei schüttelte er Humphrey, der noch immer in seiner Gewalt war, ordentlich durch und der Junge quiekte leise vor Schmerzen.
Emilia, Elicius, Ulysses und Victoria sahen sich wie auf ein geheimes Zeichen hin verunsichert an. Nur William Barkley, der seine Arme locker vor der Brust verschränkt hielt, schien unbeeindruckt und starrte unverwandt auf Garm McKinstry, als hoffte er, alleine seine kühlten Blicke könnten töten. Auch Garm schien sich dessen bewusst zu werden und offenbar betrachtete er William von da an als ein quälgeistiges, aufmüpfiges Insekt, das es verdiente, augenblicklich zertreten zu werden.
„Was willst du?“, schnarrte Garm selbstsicher in Richtung William, der jedoch keine Mine verzog.
„Was soll ich schon wollen?“, gab er gelangweilt zurück. „Vielleicht, dass ihr eure albernen Methoden Geldzuverdienen aufgebt und eure Mütter einfach um mehr Taschengeld bittet?“ William sagte die Worte mit einer Kälte und Klarheit, die Garm sichtlich verblüfften. Im ersten Moment schien der Jugendliche sogar gehemmt auf Grund der Selbstsicherheit eines Elfjährigen, der mehr als einen Kopf kleiner war als er selbst und längst nicht über die selbe Körperkraft wie er verfügte. Im zweiten Moment jedoch - Garm schien zu begreifen, dass er die Worte einfach nicht auf sich sitzen lassen konnte - trat er vor, holte aus und boxte William in die Magengrube.
Victoria keuchte entsetzt auf, Elicius schrie empört. William wurde durch die Kraft des Schlages gegen die Waschbecken geworfen und das Geräusch war dumpf, als der schmale Rücken des Jungen gegen das harte, massive Porzellan krachte.
Garm warf seinen Kopf in den Nacken und lachte aus vollem Halse, während William sich mühte, standhaft zu bleiben und nicht gen Boden zu stürzen. Emilia sah ihm deutlich an, dass der Aufprall ihm große Schmerzen verursacht haben musste, doch William hielt sich wacker, würgte den Schmerz hinunter und fixierte Garm mit einem eisigen Blick.
„Das war nicht einmal halbe Kraft, Junge!“, feixte Garm und er musste laut sprechen, denn hinter ihm gackerten seine drei Freunde, Veikko, Erebus und Prester noch immer voller Schadensfreude. „Und jetzt gebt uns endlich die vier Sickel, wenn ihr euch weiteren Ärger ersparen wollt. Seid vernünftig und akzeptiert, dass sechs drollige, kleine Kinder nichts gegen uns ausrichten können. Was wollt ihr schon tun? Uns mit einem Wingardium Leviosa bedrohen?“
„Wahrscheinlich nicht mal das, Garm“, lachte Veikko. „Was lernt mal denn schon großartig am ersten Schultag? Sie könnten uns höchstens mit einem Vortrag über die richtige Pflege von Schulbüchern zu Tode langweilen.“
Inzwischen schienen zumindest Ulysses und Humphrey bereit, den Jugendlichen einfach die vier Sickel auszuhändigen, wahrscheinlich aus Angst vor Schlägen oder weiteren Kosten. Emilia jedoch widerstrebte es, irgendwem auch nur einen Knut in die Hand zu drücken, denn im Gegensatz zu Ulysses, der aus gutem Hause stammte, war sie mit der Empfindung aufgewachsen, dass jede einzelne Münze etwas Wertvolles war. Wie oft hatte sie in einem Muggel-Supermarkt eine Packung Nudeln oder eine Konservendose klauen müssen, im Anbetracht dessen, dass sie meist nie Geld besessen hatte, es jedoch ihre Aufgabe war, für Elicius und sich selbst etwas Essbares aufzutreiben? Nein, lieber hätte Emilia einen Schlag in den Magen kassiert, als nach der Nase von Halunken zu tanzen.
Also trat sie ein weiteres Mal vor und diesmal war sie den Jugendlichen so nah, das ein jeder von ihnen sie mit einem Faustschlag ohne Probleme hätte treffen können. Garm, Veikko, Erebus und Prester blinzelten milde verblüfft zu ihr hinunter und erst jetzt fielen Emilia die Abzeichen an ihren Schulroben auf: Alle vier trugen sie das silbergrüne Emblem Slytherins, das auch ihre eigene Brust zierte. Ein etwas mulmiges Gefühl stieg in ihr auf und unwillkürlich fragte sich Emilia, ob es für das Haus Slytherin üblich war, übles Gesindel und Raufbolde hervorzubringen. Hatte Emilias Vater, ebenfalls ein Slytherin, zu seiner Zeit eine ähnliche Karriere verfolgt? Hatte auch er versucht, jüngeren Schülern das Geld abzunehmen und hatte er Skrupel gehabt, Kindern Magenschläge oder Schlimmeres zu verpassen?
„Was willst du schon wieder, vorlaute Göre?“, riss Garm sie aus ihren Gedanken. Emilia schreckte auf, konnte sich jedoch augenblicklich wieder auf die Worte konzentrieren, die ihr schon seit einigen Sekunden brennendheiß auf der Zunge lagen. „Keiner von uns“, begann sie langsam, „wird euch irgendetwas bezahlen. Ihr könnt uns verprügeln. Meinetwegen. Aber ihr könnt uns nicht töten. Also wird uns nichts und niemand davon abhalten, bei der erstbesten Gelegenheit zu einem Professor zu gehen und euch zu verpfeifen. Wir werden immer das letzte Wort haben.“
Emilia war sich sicher, dass Ulysses hinter ihrem Rücken laut schluckte, doch sie achtete nicht weiter auf ihn. Viel interessanter war schließlich die Reaktion von Garm McKinsty, der sie zwar aus hasserfüllten dunklen Augen heraus finster anstarrte, aber dennoch etwas bleich um die Nase geworden war. Hinter ihm kaute Prester unruhig auf seiner Unterlippe, versäumte es jedoch nicht, Humphrey ein weiteres Mal das Schlüsselbein zu quetschen.
Es fiel Garm sichtlich schwer, sein triumphierendes Lächeln wiederzufinden und als er endlich so etwas wie ein Grinsen zustande gebracht hatte, wirkte es eher wie eine schmerzverzerrte Grimasse. „Du weißt nicht, was Prügel sind“, sagte er leise und fuchtelte mit dem Zeigefinger von Emilias Stirn. „Ihr werdet es schwer haben von nun an! Denkt ihr ernsthaft, wir lassen uns von solch blöden Drohungen beeindrucken?!“
Emilia zwang sich, den nötigen Mut zu zeigen und Garms Frage mit einem frechen Nicken zu beantworten.
„Na schön!“, zischte er, inzwischen rasend vor Wut. Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung wandte er sich an den dicklichen Erebus, der hinter ihm stand. „Erinnere mich daran, dass wir von diesen sechs Wickelkindern demnächst die doppelten Preise verlangen. Für Klobesuche den dreifachen.“
„Es gibt übrigens Vergünstigungen, wenn ihr euer eigenes Klopapier mitbringt!“, mischte sich Prester in einer unpassend gutgelaunten Tonlage ein.
Auf Garms Stirn pochte eine zornige, kleine Ader, als er zischte: „Nein Prester, in diesem Fall streichen wir die Vergünstigungen.“
„Oh.“
„Also was ist jetzt?“, erkundigte sich Veikko. Er trat schon seit einer geraumen Zeit ungeduldig von einem Fuß zu anderen und rieb sich dabei unentwegt die Fäuste. „Lass uns die Kinderchen endlich verprügeln!“
Nun hätte die Situation natürlich unangenehm ausgehen können, wenn nicht plötzlich ein Mann die Toilette betreten hätte, wahrscheinlich alarmiert durch Veikkos unnötig laute Kampfansage. Bei dem Mann handelte es sich um Argus Filch, den hageren Lehrling von Hausmeister Mr. Pringle, und Filchs Augen wurden groß beim Anblick des Szenarios. Die Augen eines Menschen, der soeben den Fang des Tages gemacht hatte.
„Na, wen haben wir denn hier?“, lächelte Filch dunkel und umkreiste dabei die Jugendlichen lauernd. „Unser Chorknabe Garm McKinstry ist also auf kriminellen Abwegen, ja?“
Garm lief rot an und binnen weniger Sekunden hatten seine Wangen eine knallrote Farbe angenommen, die Emilia stark an die hässlichen Lippenstifte ihrer Mutter erinnerten. Der peinliche Moment wurde von Victoria Knight gekrönt, die bei Erwähnung des „Chorknaben“ in schallendes Gelächter ausgebrochen war.
„Ich hab schon eine Menge über dich gehört, McKinstry“, fuhr Filch gemächlich fort, genoss aber offensichtlich den Augenblick des Triumphes. „Der alte Mr. Pringle hat mir viel von dir erzählt. Auch von deinen drei Kumpels.“ Voller Häme wandte er sich Garms Freunden zu, die sich hinter dem Rücken ihres Anführers zusammengescharrt hatten wie verängstigte Tierkinder. „Da hätten wir also Veikko Johnson, richtig?“ Filch nickte dem Blonden zu. „Und Erebus Nott und Prester Perkins. Ja, ja, ich bin schon längst über euch vier im Bilde. Hab meine Hausaufgaben gemacht, wisst ihr? Hab mir eure Akten angesehen und den Geschichten des verzweifelten Mr. Pringles gelauscht, der mir von euern Untaten erzählt hat.“
Nun ganz kleinlaut geworden starrten die vier Jugendlichen gen Boden und freiwillig entließ Prester schließlich auch Humphrey aus seinem Griff, als hoffte er, dadurch eine mildere Strafe zu bekommen.
„Mr. Pringle wird begeistert sein“, sagte Filch. „Ihr dürft gleich mit in das Büro kommen und euch eure Strafarbeiten abholen.“ Er nickte den Jugendlichen zu, die sich schließlich langsam in Bewegung setzten und der Reihe nach aus der Toilette trotteten. Auf ihren Fersen folgte Filch lauernd, nicht ohne sich jedoch noch einmal zu Emilia und den anderen umzudrehen und ihnen unwirsch mitzuteilen: „Ab mit euch zum Unterricht, ehe ich euch wegen frechen Herumtrödelns auch noch eine Strafe aufhalse!“
Da jeder von ihnen bezweifelte, dass Filch in dieser Hinsicht nur große Töne spuckte, beeilten sie sich, die Jungentoilette ebenfalls zu verlassen. Im Korridor und außer Sicht- und Hörweite von Filch, wagten sie es kurz innezuhalten.
„William, alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte sich Victoria sorgenvoll. Es war nicht zu übersehen, dass Garms Faustschlag dem Jungen noch immer Schmerzen bereitete, denn William presste sich seine Hand schützend auf den Bauch und Emilia fand, dass er deutlich blasser geworden war.
„Hm“, machte William. „Ich werde nicht umkommen, mach dir keine Gedanken, Victoria. Es ist nur so, dass ich wirklich nicht glaube, dass Garm McKinstry nur mit halber Kraft zugeschlagen hat.“
„Das war garantiert nicht halbe Kraft!“, knurrte Elicius wütend. „Der Schlag hat sich angehört, als hätte er dir deine Innereien zu Brei gequetscht.“
„Elicius, halt den Mund.“ Emilia verdrehte die Augen, konnte ein Schmunzeln jedoch nicht ganz verbergen. „Wenn du weiter von Brei und Innereien redest, kotzt er am Ende noch.“
William schien anderer Meinung, denn er warf ihr einen trotzigen Blick zu. Wie zum Beweiß, dass sie ihn vollkommen unterschätzte, nahm er die Hand von seinem schmerzenden Bauch und richtete sich zur vollen, stattlichen Größe auf.
„Leute“, mischte sich Humphrey drängend ein. „Laut meiner Uhr sind wir schon zehn Minuten zu spät zum Unterricht. Wir sollten uns besser beeilen, ehe wir wirklich noch Strafarbeiten aufgedrückt bekommen.“
Zugegeben, Emilia hatte den Unterricht völlig vergessen und die Erinnerung daran ernüchterte sie schlagartig. Der Gedanke an erfolglosem Herumgefuchtel mit ihrem Zauberstab - und das würde sie im Fach Verwandlungen garantiert erwarten - verflog auch das letzte bisschen Adrenalin in ihrem Blut.
Und so sorgte Humphreys kleine Zeitansage dafür, dass sich die Wege der sechs Kinder schnell wieder trennten. Die Ravenclaws Ulysses, William, Victoria und Humphrey machten sich auf den Weg zu Zauberkunst, zusammen mit Elicius, der als Slytherin die Doppelstunde mit ihnen gemeinsam abzusitzen hatte. Emilia folgte als einzige den Korridor in eine andere Richtung und fühlte sich kaum besser als ein geprügelter Hund, als sie endlich den Klassenraum betrat, dem Lehrer eine Entschuldigung zumurmelte und sich alleine auf den hintersten Platz des Raumes setzte. Der Gedanke, dass sie dem Drang zum Schwänzen nicht nachgegeben hatte, war nunmehr wie eine Plage: Im Anbetracht des nachfolgenden Unterrichts wünschte sie sich, sie wäre dem Klassenraum fern geblieben.

XXXXXXX

Für Ulysses endete der erste Schultag mit zwei Unterrichtstunden Kräuterkunde, geleitet von Professor Sprout, einer drallen, kleinen und gutmütigen Frau. Zu Beginn war Ulysses guten Mutes, schließlich hatte er sich gerade beim Mittagessen Kartoffeln und Steak schmecken lassen und er fand, dass es sicherlich einfacher sein würde, mit vollem Magen zu lernen als mit leerem.
Professor Sprout erzählte den Erstklässlern - erneut bestand die Klasse aus Ravenclaws und Slytherins - von einem Zuchtprojekt, das sie gerne mit ihnen in Angriff nehmen wollte. Zwar hatte sie ein solches Projekt noch nie mit so jungen Schülern durchgeführt, doch ganz nach dem Motto „Probieren geht über Studieren“ zierte sie sich nicht davor, es dennoch zu versuchen. Ulysses fand, dass Sprouts Vorstellungen durchaus interessant und reizvoll klangen: So sollten sich die Schüler in drei Gruppen aufteilen, bis zum Ende des Jahres einen Keim zu einer Pflanze heranzüchten und diese dann den übrigen Gruppen vorstellen. Extrapunkte gab es für besonders seltene und schwer zu züchtende Pflanzen, und Sprout wurde nicht müde zu betonen, dass sie eine selbst herangezogene Butterblume definitiv nicht als Erfolg werten würde.
Bei der Aufteilung der Gruppen hielt sich Ulysses an die Kinder, die ihm bereits bekannt waren und nach kurzer Zeit bestand sein Team aus den Ravenclaws Humphrey Belcher, Victoria Knight, William Barkley, der Krötenliebhaberin Rubeta Cox und den drei Slytherins Elicius Eliassen, Rubetas Zwillingsschwester Arachne Cox und Coco Mahiri, einem drolligen, kaffeebraunem Mädchen mit löwenähnlicher Frisur.
„So, die Gruppen sind aufgeteilt?“, zwitscherte Sprout nach einiger Zeit. Kollektives Nicken war die Antwort und während Sprout daraufhin hin und her flitzte, um sich die Namen aller Gruppenmitglieder zu notieren, schlug sie vor: „Bevor ihr euch für ein Zuchtprojekt entscheidet, werden wir unsere ersten beiden gemeinsamen Stunden dazu nutzen, etwas über das Hegen und Pflegen von Pflanzen zu erfahren. Es soll schließlich Leute geben, die ihre Schützlinge nicht einmal richtig gießen können und das soll uns ja nicht passieren, oder?“
Ulysses beschloss, dass es an dieser Stelle besser wäre zu Schweigen und im Stillen seiner ersten und einzigen Zimmerpflanze zu gedenken, die er alleine auf diese Weise in den frühen Tod getrieben hatte.
„Und deshalb“, fuhr Sprout mit herzlichem Lächeln fort, „schnappt ihr euch nun eure Gruppenmitglieder und erledigt ein paar hübsche und abwechslungsreiche Aufgaben, damit ihr ein Gefühl für die Pflanzenwelt bekommt.“ Dabei hielt sie drei Pergamentseiten hoch, wedelte feierlich damit und drückte jeder Gruppe schließlich eine davon in die Hand. Wie vermutet befand sich auf dem Pergament von Ulysses` Gruppe nicht mehr als eine kleine Liste, die so alltägliche Dinge enthielt wie: Füttert eine Fleischfressende-Pflanze; gießt das Alraunenbeet, entstaubt die Blätter des Nesselbaumes.
Insgesamt hielt die Liste zwanzig dieser kleiner Aufgaben bereit und ganz unten hatte Professor Sprout auf das Pergament geschrieben: Viel Erfolg und noch mehr Spaß!
Ulysses hatte in diesem Moment nicht das Gefühl, die Sache könnte in einem regelrechten Desaster enden, doch genau so kam es. Wie sich nämlich herausstellte, war nicht nur Ulysses gänzlich untalentiert im Umgang mit Pflanzen, sondern auch fast sein gesamtes übriges Team. Und so fiel Ulysses nach kurzer Zeit kopfüber in eine blutsaugende Wildrosenhecke als er gerade dabei war, diese zu begießen; Humphrey Belcher wurde bei der darauf folgenden Rettungsaktion ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen; Coco Mahiri bekam wegen Ulysses` und Humphreys Unfall einen so maßlosen Lachanfall, dass sie minutenlang nicht mehr zu gebrauchen war; Rubeta Cox zertrat einige Setzlinge, als sie ihrer Kröte Mona hinterher jagte; Rubetas Schwester Arachne - die ihre Vorliebe für schreckliche Haustiere teilte - musste zusehen, wie ihre haarige Spinne aus unerfindlichen Grund wertvolle Setzlinge verspeiste; und Elicius schaffte es nicht, eine Riesen-Venusfliegenfalle zu füttern, ohne dass diese ihm fast die Finger abbiss. Einzig Victoria und William erledigten ihre Aufgaben ohne spektakuläre Unfälle, Blutvergießen und Tränen, doch ihre guten Leisten reichten nicht, um das katastrophale Unvermögen der sechs anderen zu überstrahlen.
Am Ende des Unterrichts starrte Professor Sprout Ulysses und das restliche Team mit versteinerter Miene an, als überlege sie ernsthaft, sie für immer aus den Gewächshäusern zu verbannen.
„Kräuterkunde ist irgendwie nicht so unser Ding“, gestand Ulysses überflüssigerweise an Humphrey gewandt, während er sich einen Dorn aus der Handfläche zog.

Fortsetzung folgt…

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Kommentar: Danke für die Reviews.
Wie ihr vielleicht bemerkt habt, ist Professor Binns in meiner Geschichte noch kein Geist …


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