von käfer
Vorab: Vielen Dank an meine ausdauernde Kommischreiberin habblutprinzessin137. Dein Lob geht mir runter wie Sahnetorte!!! Ich hoffe, dass Dir (und auch den vielen Schwarzlesern) der Rest meiner Geschichte auch gut gefällt!
Elfie muss jetzt erst mal ins Ministerium...
Immer wieder gab es Momente, in denen ich Snapes Umsicht bewunderte. Gleich zu Beginn hatte es eine unschöne Szene im Lehrerzimmer gegeben. Snape hatte einige neue Regeln für uns Lehrer verkündet, darunter die, dass keiner mehr den Schülern Strafarbeiten aufgeben durfte. Dieses Recht nahm er für sich allein in Anspruch.
Das hässliche Gesicht von Amycus Carrow verzog sich zu einer Fratze. Alecto zeigte ihren Zorn offen und zischte: „Was soll das?“
Snape antwortete in jenem besonderen, leicht öligen Ton, in den er seine ganze Gemeinheit legte, und sah dabei Minerva an: „Ich will nicht, dass jemand seine Lieblinge zu milde bestraft.“
Amycus grinste, Alecto schaute etwas weniger finster und Minerva fragte: „Severus, warum tust du das?“
Snape fauchte sie an: „Ich verbiete Ihnen, mich zu duzen! Wenn mein Vorgänger solche Vertraulichkeiten erlaubt hat, war das seine Sache! Ich dulde es nicht!“
So, wie Minerva das Gesicht verzog, hatte er ihr etwas Schmerzhaftes aufgehalst. Nun grinste auch Alecto.
Snapes Strafarbeiten waren wider Erwarten human. Drei Zweitklässler, die ihre Schuhe nicht abgeputzt und das Schulhaus verschmutzt hatten, ließ er die Eingangshalle wischen, auf Muggelart und ohne Schrubber. Eine schmächtige Erstklässlerin, die angeblich Amycus Carrow angerempelt hatte, sollte Hagrid helfen, seine Riesenkürbisse auszuhöhlen.
Amycus grummelte: „Pah, Kürbisse aushöhlen! Bei mir hätte sie eine Woche Steine schleppen müssen.“
Ich verstand und hoffte, dass das auch Minerva McGonagall tat.
Obwohl ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte, erhielt ich eine Vorladung vor die Registrierungskommission für Muggelstämmige. Am zweiten September um neun Uhr sollte ich mich im Zaubereiministerium melden. Ich schrieb, dass wohl ein Irrtum vorliege, da ich reinblütig bin und bat um einen anderen Termin, weil ich zu der Zeit Unterricht hatte.
Die Antwort kam eulenwendend. In höhnischem Ton teilte man mir mit, dass alles seine Richtigkeit habe und dass ich mich an den Termin halten müsse. Anderenfalls würde man mich mit Gewalt abholen.
Also blieb mir weiter nichts übrig, als zu Snape zu gehen und um Freistellung zu bitten. Sein Gesicht verfinsterte sich. „Sie haben mir doch erzählt, sie seien reinblütig?“
Ich wusste genau, dass ich in seiner Gegenwart nie über meine Herkunft gesprochen hatte, sagte aber trotzdem „Ja.“
„Haben Sie mich etwa belogen?“ Er runzelte die Brauen noch mehr.
„Nein, ich bin reinblütig. Den letzten Muggel in meinem Stammbaum gab es vor sieben oder acht Generationen.“
„Und warum lädt man Sie dann vor?“
„Ich kann es mir eigentlich nur damit erklären, dass ich eine Muggelstiefmutter hatte.“
„Mochten Sie sie?“
„Nein. Sie hat mich geprügelt, wann immer es ging.“
Snape nickte kurz, dann sagte er: „Gehen Sie hin, ich übernehme Ihre Stunden.“
Ich brach schon sehr früh am Morgen nach London auf, denn ich hoffte, zeitig fertig zu sein, wenn ich schon zu Arbeitsbeginn im Ministerium war. Doch als ich Viertel vor Acht am Besuchereingang ankam, hatte sich dort bereits eine kleine Schlange gebildet, und das waren garantiert keine Muggel, die telefonieren wollten.
Der Lift brauchte ewig, bis er wieder nach oben kam, die Reihe der Wartenden wuchs schnell. Alle waren nervös, schauten verstohlen die anderen in der Reihe an, aber keiner sprach ein Wort. Es könnte ja sein, dass der Nachbar in der Schlange ein Spion des Ministeriums, das heißt von Du-weißt-schon-wem war. Mehrere Hexen beäugten mich besonders misstrauisch, wahrscheinlich, weil ich in meinem grauen Kostüm wie ein Muggel aussah und damit anscheinend verdächtig wirkte.
Endlich war ich an der Reihe. Während der Lift nach unten fuhr, machte ich aus dem Kostüm wieder das, was es eigentlich war: eine traditionelle Zunftrobe, wie sie seit hundert Jahren von den Hogwarts-Lehrerinnen getragen wurde.
Als ich aus dem Lift heraustrat, wurde ich von einem grimmig wirkenden Sicherheitszauberer in Empfang genommen und musste eine entnervende Prozedur über mich ergehen lassen. Dann nahm er mir den Zauberstab ab und schickte mich ins Untergeschoss.
In dem düsteren Gang war es kalt. Zusammengesunkene Gestalten hockten trübselig da und warteten. Ich fand eine freie Bank und setzte mich.
Den Grund für Kälte und Trübsinn erkannte ich bald: Dementoren schwebten an der Decke. Ich versuchte, ohne Zauberstab einen Patronus zusammenzubringen, aber mehr als ein mattsilberner Dunst entstand nicht. Immerhin war ich soweit geschützt, dass ich nicht in Traurigkeit verfiel.
Wie lange ich dort gesessen hatte, eher der erste aufgerufen wurde, weiß ich nicht mehr. Mir erschien es wie ein halber Tag. Die Leute, die aus dem Befragungsraum herauskamen, wirkten zutiefst deprimiert und verstört. Einmal erschienen Sicherheitszauberer und brachten jemanden weg, um dessen Hände und Füße sich Fesseln wanden. Mir wurde mulmig zumute.
Obwohl ich glaubte, dass es auf Mittag zugehen musste, hatte ich noch nicht einmal zwanzig Minuten gewartet, als ich aufgerufen wurde.
Mit schweren Füßen ging ich hinein, musste auf dem Stuhl Platz nehmen, auf dem sonst die Angeklagten bei Gerichtsverhandlungen saßen.
In den Ecken des Saales hingen Dementoren und verbreiteten eisige Kälte. Ich hatte die größte Mühe, meinen Patronus aufrecht zu erhalten. Auf einem Podium saßen der Leiter der Abteilung für Magische Strafverfolgung, Yaxley mit Namen, falls ich mich nicht irrte (war es neuerdings ein Verbrechen, Muggel im Stammbaum zu haben?), dazu Mafalda Hopfkirch und eine kleine Hexe, die in pinkfarbige Gewänder gehüllt war, eine alberne Schleife im Haar trug und hässliche Ringe an den Fingern hatte. Ihr Gesicht erinnerte ein wenig an eine Kröte. Das musste Dolores Umbridge sein, die Leiterin der Registrierungskommission. Sie führte das Wort, Mafalda Hopfkirch protokollierte.
Umbridge schoss Frage um Frage auf mich herab: Wann und wo ich geboren war, wer meine Eltern waren, woher ich meinen Zauberstab hatte und… und… und…
Plötzlich stand sie auf und beugte sich vor. Ein Medaillon, das sie um den Hals trug, schwang vor, ich konnte deutlich ein S auf dem Deckel erkennen. Irgendwie kam mir das Ding bekannt vor…
„Sie lügen! Ihre Mutter war ein Muggel und hieß Dorothy, nicht Kate!“
Die Dementoren kamen näher. Mein Patronus zerfloss und mit ihm mein Mut und meine Hoffnung. Leise sagte ich: „Dorothy war meine Stiefmutter und die war tatsächlich ein Muggel übelster Sorte. Meine leibliche Mutter hieß wirklich Kate und war eine Hexe. Mein Vater entstammte einer Nebenlinie der Selwyns. Allerdings gab es Ende des neunzehnten Jahrhunderts keine männlichen Nachkommen, so dass der Name in diesem Zweig der Familie unterging.“
„Beweisen Sie es!“, forderte Umbridge.
Meine Papiere befanden sich in meiner Handtasche, aber an die kam ich nicht heran, da meine Arme an den Stuhl gefesselt waren.
Yaxley rief die Tasche zu sich und leerte sie vor Umbridge aus. Als sie sich vorbeugte, um die Sachen zu begutachten, sah ich wieder das Medaillon. Jetzt fiel mir wieder ein, woher ich es kannte: Ende Juli hatte ich genau so ein oder genau dieses Ding bei Mundungus Fletcher gesehen. Der weithin bekannte Dieb und Hehler hatte es in der Winkelgasse feilgeboten.
Die Fesseln lösten sich, Hopfkirch reichte mir meine Tasche und den zerwühlten Inhalt über die Barriere, Umbridge drückte mir einen Fetzen Pergament mit der Aufschrift: „Blutstatus: Noch zulässig“ unter meinem Namen in die Hand und zischte: „Verschwinden Sie!“
Nichts lieber als das. Eiligst holte ich mir meinen Zauberstab zurück und verließ das Ministerium.
Ich fragte mich, was Snape wohl in meinen Unterrichtsstunden gemacht hatte. Mit den Siebtklässlern hatte ich begonnen, Gilderoy Lockharts „Ratgeber für Haus und Garten" auseinander zu nehmen. Damit hatte Snape bestimmt nicht weitergemacht.
Ich schätzte das Buch nicht nur, weil es das perfekte Beispiel dafür war, welchen Schaden man mit einem seriös erscheinenden stümperhaften Ratgeber erleiden oder verursachen konnte, sondern auch, weil sein Erscheinen das Ende meiner Beziehung zu Gilderoy bedeutet und mich vor Schlimmerem bewahrt hatte.
Ungefähr ein halbes Jahr habe ich mit dem begnadeten Schriftsteller zusammengelebt. Gilderoy tat nichts als schreiben; gelegentlich ging er auf eine Lesetournee. Von mir erwartete er, dass die Mahlzeiten pünktlich auf dem Tisch standen und sein Schrank voller sauberer moderner Kleider hing. Das schaffte ich neben meiner Beschäftigung als Privatlehrerin nur, indem ich den Haushalt mit dem Zauberstab erledigte.
Als Gilderoy mir seinen Ratgeber mit folgenden Worten überreichte: „Hier, meine Liebe, damit du weißt, wie man es richtig macht“, war ich ganz schön vergnatzt.
Als ich in dem Buch blätterte und feststellte, dass er die eine Hälfte seiner Ratschläge aus den alten Handbüchern meiner Großmutter abgeschrieben hatte und die andere Hälfte schlichtweg falsch war, war ich richtig sauer.
Wir stritten uns heftig, dann packte ich meine Sachen und zog aus.
Später hörte ich hinter vorgehaltener Hand, dass Lockhart impotent war und eine Frau nur als Dekoration und Hauselfe brauchte. Ich machte in Gedanken drei Kreuze an den Kalender und hakte die Episode ab. Den „Ratgeber“ allerdings nutzte ich recht gerne als Unterrichtsmittel.
Zu meiner allergrößten Überraschung hatte Snape damit weitergemacht und das Thema „Plagegeister im Garten“ abgehandelt.
An jenem Tag brachte der „Abendprophet“ die peinliche Meldung, dass am Vormittag zur Hauptarbeits- und Besuchszeit Eindringlinge ins Zaubereiministerium gelangt waren. Sie hatten das magische Auge gestohlen, das Dolores Umbridge an ihrer Tür gehabt hatte und im Untergeschoss die Muggelstämmigen, die auf ihre Befragung warteten, heimgeschickt. Es war ihnen trotz sofort eingeleiteter Absperrmaßnahmen gelungen, unerkannt zu entkommen. Gerüchten zufolge war der Unerwünschte Nummer eins unter den Eindringlingen gewesen.
Für den nächsten Morgen versprach die Zeitung weitere Informationen. Und die kamen.
Für den Tumult im Untergeschoss und im Atrium war ein Mitarbeiter der Zauberei-Zentralverwaltung verantwortlich, der im Allgemeinen für seine Treue zum neuen Regime bekannt war: Albert Runcorn. Allerdings war Runcorn an diesem Morgen in aller Herrgottsfrühe beim Zaubereiminister erschienen und hatte sich für sein Fernbleiben am vergangenen Tag entschuldigt, er hätte schreckliches Nasenbluten gehabt.
„Aber – ich habe doch gestern morgen mit Ihnen gesprochen“, wunderte sich Thicknesse. Runcorn schwor, daheim gewesen zu sein. Und schon meldete sich der eine oder andere zu Wort, dem aufgefallen sein wollte, dass sich Runcorn gestern ungewöhnlich benommen hatte.
Mit Malfalda Hopfkirch war es ähnlich, auch sie entschuldigte sich wegen Krankheit und war doch bei der Arbeit gewesen. Und jemand, der ganz gewiss nicht betrunken war, hatte Reg Cattermole doppelt gesehen. Und alle waren sie nach dem Tumult verschwunden gewesen: Cattermole, Hopfkirch und Runcorn. Yaxley hatte die möglicherweise falsche Mafalda noch beim Disapparieren packen können und war am Grimmauldplatz 12 herausgekommen, dem Haus, das Harry Potter gehörte. Aber Harry Potter war verschwunden.
Ein Interview mit Dolores Umbridge nahm eine ganze Spalte ein. In der ersten Hälfte äußerte sie ihren Unmut darüber, dass „So etwas“ überhaupt passieren konnte, dann folgte eine minutiöse Schilderung der Vorgänge im Verhörraum. Das letzte, an das Umbridge sich noch erinnern konnte, bevor sie von einem Fluch getroffen das Bewusstsein verlor, war, dass die falsche Mafalda Hopfkirch sie nach ihrem Medaillon gefragt hatte. „Ein altes Familienerbstück, wissen Sie, von den Selwyns her.“
Mir blieb die Spucke weg. Abgesehen davon, dass Umbridge das Medaillon erst kürzlich von Fletcher gekauft hatte – das S darauf war keinesfalls das „Selwyn-S“.
Zu anderen Zeiten hätte ich vielleicht die Magische Strafverfolgung informiert, aber so, wie die Dinge jetzt standen, ließ ich das lieber sein.
Ich las den Beitrag noch einmal sorgfältig durch. Anscheinend war der Tumult im Atrium ausgebrochen, unmittelbar nachdem ich das Zaubereiministerium verlassen hatte. Ich hatte nichts Verdächtiges gehört und gesehen und musste also auch nicht hingehen und „Angaben machen“. Bloß gut. Als Lehrerin in Hogwarts zu sein mit Snape als Chef bedeutete schon genug Ärger.
Im nächsten Kapitel gibt´s noch ein paar Einblicke in den Hogwarts-Lehrer-Alltag unter Snapes Fuchtel...
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