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Fanfiction

Accidentally - Eine Frage der Schuld

von Dr. S

Was immer das zwischen ihnen war, James und Louis schienen Angst davor zu haben, dass es kaputt gehen würde, sobald sie Scorpius auch nur eine Minute aus den Augen ließen. Er hatte keine Zeit, um sich diese Situation genauer durch den Kopf gehen zu lassen. Scorpius fühlte sich bedrängt und besonders letzte Nacht komplett ausgeliefert.

Es war nicht schlecht, was sie mit ihm taten; es war nur verstörend, dass sie es gleichzeitig taten. Scorpius hatte gar nicht gewusst, dass mehr als zwei Leute so etwas tun konnten. Hinterher erschien es ihm einigermaßen logisch gewisse Dinge einfach aufzuteilen und da man dadurch das emotionale Erlebnis nicht halbierte, war es wohl auch keine schlechte Idee das einmal auszuprobieren. Und man konnte so viel ausprobieren… Scorpius wurde alleine bei dem Gedanken ganz rot.

„Scorpius?“ Und natürlich fand ihn immer jemand, wenn er rot wurde.

Scorpius drehte den Kopf über die Schulter und sah wie Louis sich gegen den Türrahmen des Salons lehnte. Vor ihm tanzten Staubflocken im Schein der Morgensonne, die den ganzen Tag über den Salon durch die bodenlangen Fenster erleuchtete.

„Was machst du hier?“ Als würde das Licht eine Grenze zwischen ihnen ziehen blieb Louis m Türrahmen stehen und beobachtete ihn aus seinen azurblauen Augen von denen Scorpius sich schnell wieder abwandte. „Scorpius? Redest du nicht mehr mit mir?“

Scorpius hatte sich vor den Kamin gesetzt. Auf dem Boden lag ein weicher Teppich, den seine Mutter einmal mitgebracht hatte und auch auf die Proteste seines Vaters nicht wieder entfernt hatte. Auch wenn es Jahre her war erinnerte Scorpius sich immer noch sehr detailgetreu an den Kleinkrieg, den die beiden über das flauschige Stück Teppich geführt hatten. Seine Eltern hatten sich nie gestritten, zumindest nicht vor seinen Augen, aber sie hatten diskutiert. Sie hatten gerne diskutiert. Manchmal erinnerten James und Louis‘ Streitereien Scorpius an seine Eltern und dann fragte er sich, ob er für sie nicht auch nur so etwas wie ein Kind war.

„James ist grad erst wach geworden. Wir können zusammen frühstücken… oder hast du wieder keinen Hunger?“ Louis sagte das ohne jede Spur Belustigung, aber gerade seine vor Sorge nur so triefende Stimme erinnerte Scorpius sehr an seinen Vater. Manchmal erinnerte Louis ihn sowieso ungemein an seinen Vater, oder so, wie er sich seinen Vater als Teenager vorgestellt hatte – wahrscheinlich irrte er sich da aber gewaltig. Es war nur unglaublich schade, dass er überhaupt keine Vorstellung von seinem Vater als Teenager hatte, geschweige denn von seiner Mutter.

„Scorpius?“ Schritte näherten sich und je lauter sie wurden, desto schneller breitete sich die unangenehme Gänsehaut auf Scorpius‘ Körper aus. Er verspürte das dringende Bedürfnis sich zu schütteln, als Louis‘ Hand sich auf seine Schulter legte. Dabei wollte er Louis‘ Berührungen eigentlich nicht missen. Er musste nur immer daran denken, was diese Hände gestern mit ihm gemacht hatten.

Als Louis sein Unwohlsein aber nicht zu bemerken schien, räusperte Scorpius sich. „Meine Mutter ist nicht hier“, sagte er mit heiserer Stimme. Heiser von all den Geräuschen, die er von sich gegeben hatte, und die ihm jetzt die Schamesröte ins Gesicht trieben. „Die Hauselfen sagen, sie sei gar nicht nach Hause gekommen.“

Louis drückte seine Schulter leicht, spendete ihm so aber genauso wenig Trost, wie als er sich neben ihn auf den Boden setzte. Scorpius rutschte ein Stück weg, wandte den Blick hoch zu den Fotos auf dem Kaminsims, während er aus den Augenwinkeln Louis‘ verwirrten Ausdruck mitbekam.

„Das letzte Mal hab ich sie im St. Mungos gesehen. Vorgestern. Sie war hier, sagen die Hauselfen, ist dann schnell wieder gegangen und hat mir nicht einmal einen Zettel dagelassen.“ Scorpius zog die Beine an, umarmte sie fest und machte sich dadurch ganz klein. „Ich versteh das nicht, Louis.“

„Sie will wahrscheinlich ein wenig für sich sein“, sagte Louis und Scorpius musste ihm nicht einmal ins Gesicht schauen, um zu erkennen, dass er das selbst nicht glaubte. Aber er sagte das, damit Scorpius sich besser fühlte, also nickte Scorpius und presste die Wange gegen seine Knie.

Das Schweigen war Louis scheinbar unangenehm. „Deine Großeltern?“ Er stand auf und griff einen der hölzernen Rahmen, die in immer derselben Ausführung die Familienfotos umschlossen.

Scorpius nickte erneut als Louis ihn ansah. Allerdings drangen die Komplimente über die wenigen Falten seiner Großmutter nur dumpf an seine Ohren. Louis versuchte ihn mit einem Gespräch auf andere Gedanken zu bringen, aber Scorpius‘ Inneres weigerte sich dagegen. Er wollte wenigstens solange nachdenken, bis Louis sich wieder einmal dafür entschied, dass man ihn ja durch Zärtlichkeiten, die nicht mehr wirklich zärtlich waren, ablenken konnte.

„Scorpius, alles okay mit dir?“ Louis hockte sich direkt vor ihn, das Bild von Scorpius‘ Großeltern noch in der linken Hand. Seine Großmutter lächelte nicht, sein Großvater nur auf eine sehr hochnäsige Art und Weise. Als Scorpius ihn ansah schienen sich seine Mundwinkel verächtlich zu verziehen. „Wegen deiner Familie… oder uns?“

„Mit ‚uns‘ meinst du jetzt immer… uns drei, oder?“ Scorpius seufzte auf, als Louis das Foto auf den Boden legte und unter den Blicken der beiden Menschen Scorpius‘ Gesicht umfasste.

„Ich will, dass du damit aufhörst. Es war schön für dich. Behalte das in Erinnerung und es bleibt schön für uns alle“, sagte Louis ernst. Seine Finger gruben sich in Scorpius‘ Wangen, als müsse er ihn mit allen Mitteln festhalten, und eine Spur Verzweiflung schwang in seinem Blick mit. Vielleicht war es auch diese Verzweiflung, die ihn dazu brachte Scorpius nicht mehr alleine zu lassen. Und Angst… Angst, die einzige Möglichkeit zu verlieren, James nahe zu sein, selbst wenn der ihm nur die allernötigste Berührung schenkte.

Scorpius glaubte zu verstehen, warum Louis das tat.

„Möchtest du, dass wir irgendetwas anders machen?“, fragte Louis, als Scorpius stumm blieb. „Wenn dir etwas nicht gefällt, dann musst du es nur sagen.“

Natürlich kam es dabei nur darauf an, was in dem Rahmen lag, dem Louis ihm Freiraum ließ. Die Entscheidung, dass ‚uns‘ jetzt drei beinhaltete, war für ihn gefallen und nicht mehr rückgängig zu machen. Immerhin war das Louis‘ einzige Chance. Er würde Scorpius akzeptieren, weil er James so haben konnte. Und dann machte es ihm scheinbar auch nichts aus, wenn nur Scorpius dabei James‘ Hände, seine Lippen und alles andere spüren durfte.

„Es ist nicht fair.“ Scorpius sah für einen Moment so etwas wie Hoffnung in Louis‘ Augen aufblitzen und fand das Gefühl, diesen gleich wieder auszulöschen, gar nicht so unangenehm. „Dass sie mich hier alleine lässt. Meine Mutter. Ich brauche sie jetzt…“

Louis seufzte erneut und wollte Scorpius in den Arm nehmen, aber der schüttelte den Kopf, damit auch die Hände von seinem Körper. Die Hoffnung in Louis‘ Augen war jetzt komplett ausgelöscht und er wirkte müde, erschöpft und ganz so, als wolle er aufgeben. Scorpius fühlte sich nicht schlecht dabei, Louis zurückzuweisen, aber ihm kam der leise Gedanke, dass es vielleicht nicht nur um James ging. Vielleicht wollte Louis auch das Beste für ihn…

„Komm mit frühstücken“, bat Louis, griff nach Scorpius‘ Schulter und erstarrte einfach, als Scorpius ihm auswich.

„Ich will alleine sein.“ Scorpius rutschte herum, wandte Louis den Rücken zu und spürte seinen Blick dadurch schärfer als zuvor. Er starrte stur auf das Sofa nicht weit von ihm entfernt und hörte Geräusche aus der Eingangshalle, als James die Treppe herunterkam und dabei ganz unpassend fröhlich vor sich hinpfiff.

Ein bisschen erwartete Scorpius, dass Louis ihn nicht einfach sitzenlassen würde, aber kurz darauf hörte er hinter sich das Rascheln von Stoff als Louis sich aufrichtete. Dann rauschte er an Scorpius vorbei in die Eingangshalle.

°°°

„Wie wär’s mit einem ‚guten Morgen‘, Lou?“ James fasste seinen Cousin am Arm, der mit hochkonzentrierter Miene glatt an ihm vorbeigelaufen wäre. Er kam aus dem, was James für das Wohnzimmer hielt, aber davon gab es in diesem riesigen Haus sicher einige. Eigentlich war er nur froh, dass er sich einigermaßen zu Recht gefunden hatte.

Louis schaute hoch zu ihm. James stand noch auf der Treppe und mit einer Stufe Distanz zwischen ihnen kam es ihm gerade fast so vor, als würde er auf Scorpius herunterschauen. Besonders, als Louis‘ Gesichtsausdruck weicher wurde, weckte das ähnliche Gefühle in James. Aber er wollte auch Hundewelpen aus dem Regen tragen, wenn die ihn so verloren ansahen.

„Er will alleine sein“, sagte Louis ungewohnt heiser, räusperte sich und befeuchtete sich die Lippen, bevor er weitersprach: „Heute Morgen, als ich aufgewacht bin, da war er schon wieder weg und als ich ihn endlich finde, da sitzt er vollkommen apathisch vorm Kamin und starrt alte Familienfotos an wie ein Hund einen Schinken!“ Louis verschränkte die Arme vor der Brust, als James lachte. „Lach nicht.“

„Sorry.“ James machte den letzten Schritt von der marmornen Treppenstufe herunter und konnte immer noch direkt über Louis‘ Scheitel in den Salon linsen, sah dort aber trotz der offenstehenden Flügeltüren kein Anzeichen von Scorpius. „Mit alleine meint er damit… dass wir gehen sollen?“

Louis zuckte die Achseln, drehte sich herum und schaute in dieselbe Richtung wie James. „Wie klingt es, wenn Scorpius Malfoy einen rauswirft?“

„Er ruft den Hauselfen“, sagte James und schüttelte bei Louis‘ fragendem Blick nur den Kopf. Allzu gerne erinnerte er sich nicht daran, wie er das letzte Mal Malfoy Manor verlassen hatte. „Wahrscheinlich will er nur einen Moment nachdenken. Hat ihn doch schon ganz schön überfordert gestern… Hätte ich gewusst, dass du ihm nicht wirklich erklärt hast –“

„Jetzt schieb das nicht auf mich!“, unterbrach Louis ihn zischend. „Ich bin eben der Meinung, dass es am einfachsten ist, ihn mit der Situation zu konfrontieren, damit er sich daran gewöhnen kann. So hat er das immer schon gemacht. Oder habt ihr groß über euer erstes Mal geredet?“

„Äh, darüber muss ich mit dir gar nicht reden“, gab James zurück. „Als ob ihr über euers geredet hättet…“

„Wir haben’s geplant“, behauptete Louis, aber so wie James ihn kannte, hatte sein Cousin es so ziemlich alleine geplant und Scorpius einfach mit der Situation konfrontiert.

„Oh!“ Betont demütig faltete James die Hände und ging etwas in die Knie, damit Louis verächtlich auf ihn herunterschauen konnte. „Das berühmte Sofa-Intermezzo! Romantischer geht’s gar nicht.“

„Sagte der Kerl, der beim ersten Date ins nächstbeste halbzerfallene Gebäude gehopst ist.“ Louis lächelte süßlich und bei den schnellklimpernden Wimpern konnte James ihm nicht lange böse sein und winkte einfach ab.

„Was machen wir jetzt mit Scorpius? Nochmal vergewaltigen?“ James konnte sich seinen leicht vorwurfsvollen Unterton nicht verkneifen, auch wenn er natürlich selbst voller Elan dabei gewesen war.

Louis tat James‘ Kommentar auch einfach mit einem Augenrollen ab. „Vielleicht später. Und auch nur, wenn ich diesmal nach hinten darf.“

„Oh, komm schon… Du willst doch, dass James glücklich ist.“ Mit vorgschobenen Lippen lehnte James sich vor und versuchte Louis ebenfalls mit klimpernden Wimpern rumzukriegen, aber dafür kassierte er nur einen kräftigen Schlag gegen die Lippen. Fluchend presste James sich eine Hand gegen den Mund, während Louis sich auf die Treppe setzte.

„Er macht sich Sorgen um seine Mutter. Oder fühlt sich vernachlässigt…“ Louis rutschte ein Stück zur Seite, damit James sich zwischen ihn und das Geländer quetschen konnte. „Wenigstens klebt er nicht mehr an dieser Urne, aber…“

„Astoria Malfoy wirkt nicht gerade wie eine Supermama“, sagte James. Mit den Fingern fuhr er über das Geländer; edler Marmor mit dunklem Holz als Zierde, verschnörkelt und glatt poliert, sodass man gar nicht anders konnte, als den Drang zu verspüren von ganz oben herunterzurutschen.

„Draco war jetzt auch kein überdurchschnittlich vorbildlicher Vater, aber aus Scorpius‘ Augen sieht das eben ganz anders aus. Sie haben ihm eine heile Welt vorgespielt…“ Louis seufzte auf. „Oder vielleicht war sie heile, gerade weil seine Eltern diesen Stress mit der Liebe nicht gehabt haben. So oder so war schon ihre Trennung richtig heftig für Scorpius. Er hat die kaum verkraftet und muss jetzt mit etwas fertig werden, das viel schlimmer ist.“

„Deine Eltern haben sich auch getrennt“, sagte James nachdenklich. „Und du hast kaum mit der Wimper gezuckt.“

„Ich bin auch nicht Scorpius“, war Louis‘ Antwort. Erst James‘ Schweigen brachte ihn dazu weiterzureden. „Du weißt, was ich von der Beziehung meiner Eltern gehalten hab. Vor allem seit du wiedermal gespannt hattest.“

James zögerte kurz und schlug Louis dann aufs Knie. „Bring die Bilder nicht wieder in meinen Kopf.“ Er ließ seine Hand liegen, konnte seine Finger aber nicht dazu bringen tröstend zuzudrücken, besonders, als Louis seinen Blick stur und irgendwie erwartungsvoll auf James‘ Hand richtete. „Manchmal da frag ich mich nur, was passieren muss, damit du… nicht mehr so gefühlskalt wirkst.“

„Ich bin nicht gefühlskalt.“ Louis‘ Wange berührte seine Schulter und James schluckte hart, ließ aber zu, dass Louis sich gegen ihn lehnte. „Ich versuche eben nur rational zu bleiben.“

„Ja, aber… Ach, Louis… du warst doch nicht immer so. Oder hab ich nur nicht gemerkt, dass du Menschen umbringen kannst?“ Er sagte das so locker, aber James konnte damit genauso wenig umgehen wie mit Louis‘ plötzlichem Kuschelbedürfnis. Besonders, als er deutlich merkte, wie Louis‘ Lippen seinen Hals streiften, als er den Kopf hob.

„Möchtest du, dass ich das ändere, James? Soll ich den lieben langen Tag romantischen Tagträumen nachhängen damit du mich magst?“ Louis schaute ihn ganz ernst an, als James ihm in die Augen sah, ihre Nasenspitzen nur Millimeter voneinander entfernt.

„Ich mag dich doch, Louis. Du bist mein bester Freund. Mit niemand sonst hätte ich… tun können, was wir eben getan haben.“ James errötete leicht und wartete vergeblich darauf, dass sich die Belustigung in Louis‘ Gesicht ausbreitete, aber das schien sich nicht zu verändern, sondern einfach nur näher zu kommen.

„Du magst mich aber nicht genug, um mir wenigstens einen Blick zu schenken… geschweige denn eine simple Berührung.“ Louis‘ Hand krallte sich in James‘ Seite. Nicht mehr schmerzhaft, aber dafür tat es viel mehr weh zu fühlen, wie sehr Louis sich nach ihm verzehren musste. Trotzdem trug diese Gewissheit auch einen ganz und gar nicht bitteren Beigeschmack mit sich.

James legte die Hand auf Louis‘ Wange. Lange, dichte Wimpern flatterten zu und ließen das funkelnde Azurblau verschwinden, was sicherlich der Grund dafür war, dass James sich abwenden konnte. Er hörte Louis enttäuscht seufzen, als er die Hände jetzt fest in seinem Schoß verknotete, damit sie nicht wieder dumme Sachen machten.

„Ich hab eben noch ein wenig Moral“, murmelte James. „Du bist mein Cousin.“

„Und kann ich schwanger werden und ein irgendwie verkorkstes Kind zur Welt bringen?“ Louis schüttelte den Kopf. „Das ist eine lahme Ausrede.“

„Es fühlt sich komisch an! Das ist meine Ausrede.“ James zog sich am Geländer hoch und schaute auf Louis herunter. „Es tut mir leid, aber du hast mir versichert, dass zwischen uns nichts laufen muss.“

„Ja, aber… es überfordert Scorpius doch, wenn wir beide trotzdem weiterhin an ihm zerren. Ich glaube, dass ihm das arg zu schaffen macht“, sagte Louis, aber James kaufte ihm das nicht wirklich ab.

„Ich glaube, dass ihm der Verlust seines Vaters arg zu schaffen macht“, sagte James scharf. „Lass nochmal was anderes in deinen Kopf, als…“

„Als dich?“ Louis schaute ihn wieder so traurig an. „James, wie soll ich denn dafür sorgen, dass Scorpius ein bisschen Ablenkung findet, wenn er ständig glaubt, ich hätte nur dich im Kopf. Und das tut er“, sagte Louis schnell, als James den Mund für einen Protest öffnete. „Ich hab’s ihm angesehen. Er denkt, dass ich das nur tue, um an dich ranzukommen.“

„Und dann vor seiner Nase mit mir rumzumachen ändert das zum Positiven?“ James schüttelte ungläubig den Kopf.

Louis hob die Schultern. „Wenn es ihm zeigt, dass es mir nichts bedeutet…“

James lachte auf und machte einen Schritt nach hinten. „Aber es bedeutet dir was!“

Fast genervt verdrehte Louis die Augen, strich sich das blonde Haar aus der Stirn und stand ebenfalls auf. „Scorpius bedeutet mir deswegen nicht weniger.“ Mit einer Hand fasste er das Treppengeländer und verlagerte sein Gewicht, stand ganz locker da, während James sich fühlte, als hätte jemand seine Wirbelsäule mit einem Besen ausgetauscht. „Wenn er versteht, dass er von uns Sicherheit und…“

Warum Louis plötzlich stoppte, verstand James zuerst nicht. Erst, als er sich umdrehte, sah er einen Hauselfen auf sie zuwuseln. Er verbeugte sich tief und deutete in Richtung der Eingangstür. Hatte es geklingelt? James hatte nichts gehört. Und warum kam der Hauself dann zu ihm.

Oder eher gesagt zu Louis…

„Mr. Weasley, Ihre Schwester wartet am Tor“, piepste der Hauself.

Fragend schaute James über die Schulter. Louis sah genauso konfus aus, wie er sich fühlte. „Hast du Bescheid gesagt, dass du hier übernachtest?“

Louis schüttelte den Kopf, sah aber nicht schuldbewusst aus. „Ich sag nie Bescheid, wenn ich über Nacht wegbleibe.“

„Nie?“ James fühlte, wie sein Magen sich zusammenzog. „Wie oft bleibst du denn über Nacht weg?“

„In den Ferien?“ Louis grinste ihn vielsagend an, wandte sich dann dem Hauselfen zu. „Kannst du sie herbringen?“ Der Hauself nickte hastig und verschwand mit einem lauten Knall.

„Und waren das immer dieselben Orte an denen du fremdübernachtet hast?“, presste James zwischen aufeinander mahlenden Kiefern hervor.

Louis seufzte. „James, wir wissen beide, dass ich nicht grundlos mehr Ahnung von Sex hab als du und Scorpius zusammen. Und versuch gar nicht erst es abzustreiten. Ich hab immerhin hingesehen und alles genau analysiert.“

James‘ Magen drehte sich in richtige Knoten. „Ich… war nur lange auf Entzug.“ Louis‘ Blick war ihm mehr als unangenehm und er war froh, dass er sich nicht noch in größere Verlegenheit bringen konnte, als Dominique regelrecht auf sie zustürmte. James ignorierte sie vollkommen und verpasste Louis auch eine Dosis Peinlichkeit, als sie sich ihm um den Hals warf, als wäre er Jahre verschwunden gewesen.

„Scheiße, Lou, hast du sie noch alle?“ Im krassen Kontrast zu der stürmischen Umarmung schubste sie ihn jetzt so fest sie konnte von sich und schlug gegen seine Brust. „Hast du einmal daran gedacht, dass ich mir auch Sorgen um meinen kleinen Bruder machen könnte?“

Louis strich sich die Falten, die seine Schwester in sein Hemd gebracht hatte, wieder glatt und schaute dann eisig auf sie herunter. Dominique war groß, alle Frauen in Louis‘ Familie hatten diese Modelmaße, und sogar auf flachen Schuhen war sie eindeutig zwei, drei Zentimeter größer als Scorpius, aber Louis sah sich dadurch trotzdem nicht gezwungen sie anzusehen, als wären sie ansatzweise ebenbürtig.

„Hast du nicht aus erster Hand erfahren, dass es mir gut geht?“ Warum Louis so eiskalt mit seiner Schwester sprach, verstand James ganz und gar nicht. Bei Victoire hätte er es noch nachvollziehen können, aber Louis‘ Verhältnis zu Dominique war immer freundlich und warm gewesen, was durchaus an dem weitaus geringeren Altersunterschied liegen mochte.

„Papa ist –“

„Ich rede nicht von Papa“, unterbrach Louis sie genervt und sogar eine Spur ungeduldig. „Sondern von deinem Boss. Immerhin hat seine Monsterbestie mir fast die Kehle durchgebissen.“

James sah wie eine ungewöhnliche Blässe die vielen Sommersprossen auf Dominiques Wangen hervorstechen ließ. Sie senkte den Blick. „Du weißt gar nicht, ob das wahr ist…“

„Ja, ich hab mir ausgedacht, dass Onkel George seine schmierigen Finger überall drin hat und dabei auch keine Rücksicht auf seine Familie nimmt“, erwiderte Louis mit einer unnötigen Dosis Sarkasmus in der Stimme.

Dominique hatte sich nach ihrem Abschluss in Georges Labor verkrochen und war da nur noch selten wieder herausgekommen. James hatte immer gedacht, dass es zu ihr passen würde, sich einen Beruf auszusuchen, in dem sie nicht viel mit Menschen zu tun haben musste. Auch wenn sie stets freundlich war fehlte ihr doch einfach das gewisse Etwas, das sie mehr als die personifizierte Langeweile sein ließ.

„Was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun? Meinen Job hinschmeißen, weil mein Bruder glaubt, er würde die Hauptrolle in einem Mafia-Film spielen?“ Das hätte Dominique nicht sagen sollen. Auch wenn Louis genauso wenig Ahnung davon hatte, was die Mafia sein sollte, wie James, konnte er den Grundgedanken doch herausfiltern.

„Du weißt ganz genau, dass ich mir das nicht ausgedacht habe.“ Louis‘ Stimme wurde lauter, aber mit einem Blick zum Salon senkte er sie wieder. „Ich dachte, du magst Scorpius. Und gegen Draco hattest du auch nichts. Wie kannst du einfach ignorieren, was den beiden passiert ist? Scorpius wäre fast gestorben. Draco ist es! Und das nur, weil George ein rachsüchtiger Bastard ist. Was hält denn Papa davon? Kannst du ihm überhaupt in die Augen schauen, wenn du nach Hause kommst?“

„Louis, ernsthaft… Können wir das ein anderes Mal besprechen?“ Dominique verschränkte gleichzeitig mit ihrem Bruder die Arme vor der Brust. „Es geht mich nichts an, wenn du wiedermal einfach so verschwindest, aber… Wie kannst du Onkel George vorwerfen, seine Familie wäre ihm egal, wenn du keine Sekunde für deinen Vater da bist? Wir brauchen dich zu Hause.“

Kurz glaubte James einen Hauch von schlechtem Gewissen über Louis‘ Gesicht wehen zu sehen. „Scorpius braucht mich auch.“

„Und er ist dir wichtiger?“

„Er hat weniger Menschen, die sich um ihn kümmern!“ Louis‘ Stimme entglitt ihm unbeabsichtigt wieder und hallte von den hohen Wänden wider. „Papa ist ein erwachsener Mann mit einer riesigen Familie. Und Maman wird schon wieder angekrochen gekommen. Da will ich wirklich nicht dabei sein.“

Dominique schnaubte auf, als müsse sie mit einem kleinen Kind reden – und ehrlich gesagt benahm Louis sich für seine Verhältnisse gerade alles andere als erwachsen. Ein Zeichen dafür, dass ihn diese Sache wirklich nicht kalt ließ.

„Jetzt schau mich nicht so an“, erwiderte Louis in einem fast wölfischen Knurren, das ein heißes Brennen auf James‘ Rücken verursachte. „Du weißt ganz genau, was ich von diesem heile-Welt-Scheiß halte. Ich geh doch jetzt nicht zurück und tue mir an, wie wieder alle so tun, als wären wir die harmonischste Familie auf der ganzen Welt. Papa findet seinen Trost schon, aber ich will nicht zusehen in wessen Armen.“

Jetzt entfuhr Dominique tatsächlich ein Lachen und so wie sie ihren Bruder musterte, musste der sich wirklich wie ein Kind fühlen. James war aber nicht der Einzige, der wusste, wie wenig Louis das leiden konnte. Aber weil Louis nur dann so niedlich schmollte, sagte James lieber nichts.

„Romantische Seite entdeckt, Louis? Wo bleibt dein Einwand, dass es doch viel besser für Papa läuft, wenn er keinen Malfoy liebt?“ Dominique zählte an der linken Hand ab: „Sein Ruf bessert sich, er bekommt seinen Job wieder, sogar einen besseren, weil sein Vorgesetzter gekündigt hat, Maman kommt wieder nach Hause, wir werden wieder eine richtige –“

„Dann geh doch jetzt einfach zu dem verlogenen Haufen zurück, den du Familie nennst!“, schnauzte Louis so laut dazwischen, dass James sich sicher war, Scorpius würde sie endlich einmal bemerkt haben. Aber wenn, dann schien er es nicht für nötig zu halten, auf sich aufmerksam zu machen. „Ich bleibe hier. Bis Scorpius mich rauswirft.“ Seiner Schwester einen letzten, fast hasserfüllten Blick zuwerfend drehte Louis sich auf der Stelle um und lief in Windeseile die Marmortreppe nach oben, verschwand hinter der Ecke.

Dominique seufzte schwer auf, wandte sich hilfesuchend James zu, der aber nur die Schultern zucken konnte. „Ich würde an deiner Stelle lieber gehen“, sagte er.

„Er denkt nicht wirklich, dass wir verlogen sind, oder?“ Dominique schien das vorher nicht einmal in Betracht gezogen zu haben – oder sie verdrängte es, wie sie alles immer gut hatte verdrängen können.

„Er könnte es dir bestimmt besser erklären als ich, Nicci“, sagte James und deutete in Richtung der Tür. „Besser, du gehst jetzt.“

Dominique schüttelte den Kopf. „Ich würd noch gern kurz nach Scorpius sehen. Dann bin ich auch weg, keine Sorge…“ Sie lächelte James an. „Du kannst doch solange nach Louis sehen. Sonst macht er wieder irgendetwas Dummes.“

James war irgendwie nicht wohl bei dem Gedanken sich jetzt um Louis zu kümmern und Scorpius ganz alleine zu lassen. Auch wenn Dominique die Freundlichkeit in Person war hatten die vergangenen Ereignisse ihn doch noch misstrauischer gemacht, als er ohnehin schon war. Aber das musste er wohl ablegen, wenn er wieder zur Normalität zurückkehren wollte. Also nickte er, winkte seiner Cousine zum Abschied und machte sich an den Aufstieg der Treppen.

Die Flure waren trotz des Tageslichtes düster. Schwere Samtvorhänge hingen zurückgezogen an den Seiten der bodenlangen Fenster, die irgendwann einmal neu in die alten Mauern eingesetzt worden waren. Das Anwesen war älter, als James es sich vorstellen konnte. Überall knarrte es, selbst wenn man sich nicht bewegte, und ab und an stieß man auf Wände, die sich plötzlich als Türen entpuppten. Was sich in all den geheimen Kammern verbarg interessierte James nicht besonders. Aber Louis war da ganz anders. Und Malfoy Manor war zu vollgestopft mit schwarzer Magie, als dass es gut für ihn wäre.

Louis lehnte an einem Fenster im Westflügel des Hauses, schaute mit verschränkten Armen hinaus in den Garten und beobachtete die Pfauen beim Aufplustern ihres Gefieders.

„Keine Tür zum Knallen gefunden?“ James stemmte die Hände auf der Fensterbank auf und ließ den Blick kurz über den Garten schweifen. Von oben sah der eigentlich relativ überschaubar aus, aber James hatte gestern gemerkt, wie schnell man sich dort verlaufen konnte. Vogelzwitschern drang an ihre Ohren, als James das Fenster öffnete und ein bisschen frische Luft in die alten Gemäuer ließ. Der Himmel über ihnen verdunkelte sich. Graue Wolkenberge zogen heran und brachten einen gänsehautverursachenden Wind mit sich.

„Es ist so ungerecht“, sagte Louis. „Jeder andere Mensch wäre in Askaban gelandet, für das, was Onkel George getan hat. Aber weil er ein Ohr im Krieg verloren hat und mit Harry Potter verschwägert ist, kann er natürlich umbringen lassen, wen immer er will, ohne Konsequenzen tragen zu müssen. Und das Schlimmste ist, dass er auch noch bekommt, was er will. Alles wird wieder genauso scheiße wie früher…“

James richtete sich auf und legte die Hände auf Louis‘ Schultern, drehte ihn zu sich um. „Du hast Draco wirklich gemocht, oder?“

Tränen blitzten in dem Azurblau von Louis‘ Augen auf. „Ich hab gemocht, dass er meinen Vater glücklich gemacht hat. Er sah immer so traurig aus… Ich dachte, alles würde gut werden. Dass sich etwas verändern würde. Stattdessen bleibt alles genauso, wie es immer war.“ Er griff in seine Hosentasche und zog einen Umschlag heraus, hielt James das Pergament hin. „Der Brief, den Nott uns für meinen Vater mitgegeben hat.“

James nahm den Brief seufzend aus Louis‘ Händen. Der obere Rand war nicht einmal unauffällig aufgerissen worden. „Du hast ihn gelesen?“

Louis zuckte mit den Schultern. „Wen stört’s?“

„Kein Liebesbrief an deinen Vater?“ James lächelte schief. Louis erwiderte das nicht und nahm James den Brief wieder weg, als der keine Anstalten machte ihn zu lesen.

„Ganz im Gegenteil.“ Louis rieb das Pergament beinahe nervös zwischen den Fingern und fixierte sich auf einen Punkt an der Wand, während er weitersprach: „Er muss den geschrieben haben, als er sein Testament gemacht hat. Bevor er sich mit meinem Vater versöhnt hat. Da drin steht nur, wie sehr es ihn verletzt hat…“ Louis holte tief Luft und richtete den Blick an die Decke in der Hoffnung, dass seine fast überlaufenden Augen so die Tränen noch eine Weile zurückhalten konnten. „…als er ihn mit seinem Sohn im Arm begegnet ist. Weißt du, was das heißt, James?“

„Dass er dich nicht für ein süßes Baby gehalten hat?“ James versuchte wieder zu lächeln, aber er hielt nicht lange durch, als Louis den Kopf hängen ließ.

„Es ist meine Schuld“, sagte er tonlos, die Finger tief in dem Pergament des Briefes verkrallt. „All diese Jahre, wenn Papa mich so traurig angesehen hat, dann musste er daran denken. Hat darüber nachgedacht, was wohl passiert wäre, wenn er mich einfach nie in die Welt gesetzt hätte. Irgendwie sowas…“

„Dein Vater liebt dich“, sagte James, weil es stimmte, und weil Louis das öfter mal zu vergessen schien.

„Ja, weil er muss“, antwortete Louis spöttisch. „Aber zum Dank, dass er für mich jemanden aufgegeben hat, der ihn wirklich glücklich gemacht hat, bin ich nicht einmal zu dem Sohn geworden, den er sich immer gewünscht hat. Ich hab kein Talent für Quidditch, immer Angst davor mich schmutzig zu machen, nichts für Abenteuer übrig und ich bin ein undankbares, arrogantes Arschloch, das in seinen Cousin verknallt ist. Natürlich wartet er sehnsüchtig darauf, dass ich vorbeikomme und ihn tröste.“

James schob die Hand in die Hosentasche, suchte vergeblich nach einem Taschentuch, als Louis sich eine Träne von der Wange wischte. Da würden sicherlich noch mehr kommen, auch wenn Louis sich noch zurückhalten konnte.

Erste Regentropfen flogen in seinen Rücken.

„Deswegen dieses ganze Theater eben?“, fragte James vorsichtig. „Weil du Angst davor hast, deinem Vater zu begegnen?“

Louis schaute ihn an, die Augen aufgequollen und gerötet, als hätte er schon stundenlang nur geweint. Seine fest aufeinander gepressten Lippen zogen sich zu so etwas wie einem Lächeln.

„Ich bin der feigeste Gryffindor auf der Welt“, presste Louis hervor.

„Du weißt, dass der Hut nur noch Scheiße sortiert.“ James legte wieder eine Hand auf Louis‘ Schulter, die zwar angespannt war, aber nicht zitterte. „Bill würde dich nicht rausschmeißen.“

„Ja, aber… ich will nicht…“ Louis presste die Hand gegen die Stirn und atmete tief durch, brauchte einen Moment um genug Kraft zu sammeln, damit er weiterreden konnte, und auch dann klang seine Stimme schwach: „Ich will nicht in seine Augen sehen und erkennen, dass er nur daran denken kann, wer Draco diesen Fluch aufgehalst hat.“ Es donnerte, als Louis‘ Stimme verstummte.

„Komm mal her…“ James zog Louis mit einem Arm an sich und ließ ihn das Gesicht in seiner Schulter vergraben. Als hätte man einen Schalter umgelegt, fing Louis so versteckt endlich zu weinen an. Wie lange, das konnte James nicht sagen, aber irgendwann wurde der Schmerz von Louis‘ Fingern, die sich tief in seine Seiten gruben, äußerst unangenehm.

Der Wind fegte pfeifend durch das offene Fenster und durch die Gänge, brachte heftigen Regen mit herein, der den schweren Teppich durchnässte. Die Korridore wirkten noch düsterer, als die Sonne hinter dunklen Gewitterwolken verschwand. Blitze zuckten über den Himmel und erleuchteten die Umgebung in einer Art und Weise, die gut in einen Horrorfilm gepasst hätte.

„So“, sagte James, als Louis sich allmählich beruhigte, nur noch leise schniefte und nicht mehr schluchzte. „Jetzt hörst du aber auf dir die Schuld zu geben, okay? Du hast keine Schuld.“

„Der Brief sagt was anderes…“ Louis steckte das Pergament aber wieder in seine Hosentasche, bevor James nachsehen konnte.

„Es ist ein Brief. Geschrieben von einem Menschen, der zugegebenermaßen einen gewissen Hang zum Pathos hatte. Natürlich macht das auch nicht vor einem unschuldigen Baby Halt, das eben zur falschen Zeit am falschen Ort war“, sagte James, legte erst eine Hand auf Louis‘ Wange und dann noch die andere, als sein Cousin ihn immer noch nicht ansah.

„Du verstehst das nicht, James“, murmelte Louis. „Ich bin nicht dazu bestimmt glücklich zu werden. Oder jemand anderen glücklich zu machen… Ich hätte ahnen müssen, dass da immer mehr hinter steckte, als ein bisschen Pech.“

„Hey…“ James lehnte sich vor und die plötzliche Nähe ließ Louis gar keine andere Wahl, als ihn endlich anzusehen. „Du hast jetzt Scorpius und mich um glücklich zu werden. Wir kriegen das hin, okay?“ Und dann küsste er Louis. Warum genau, das wusste er nicht. Er fühlte sich einfach danach. Und Louis würde ihn auch niemals zurückstoßen. Stattdessen krallte er sich wieder fest und erwiderte den Kuss sanft aber entschlossen…

°°°

„Scorpius?“ Es dauerte einen Moment, bis Scorpius die sanfte weibliche Stimme erkannte. Dann bemerkte er auch Dominique Weasleys Beine aus dem Augenwinkel, drehte sich aber nicht zu ihr und regte sich auch nicht, als sie sich neben ihn hockte, so wie ihr Bruder zuvor.

Was sie wohl hier machte… Scorpius hoffte, dass Louis ihr nicht gesagt hatte, was sie gestern mit ihm gemacht hatten. Aber wahrscheinlich sah man ihm sowieso alles an. Er fühlte sich auch, als würde eine hartnäckige Dreckschicht an ihm kleben.

„Wie geht’s dir, Kleiner?“, fragte Dominique und klang noch eine Spur besorgter. „Du bist ganz blass.“ Er war immer blass. Im Gegensatz zu Louis bekam er in der Sonne nicht einmal Sommersprossen, sondern wurde nur rot. Nicht, dass das jemand bemerken würde, da er sowieso ständig rot wurde.

„Redest du nicht mehr mit mir?“ Das hätte sie nicht sagen sollen. Genau wie Louis. Jetzt würde Scorpius definitiv nicht antworten. Fing er an zu reden, dann würde man seinen Mund sowieso bald wieder verschließen und einem Mädchen wollte er ganz bestimmt nicht so nahe kommen.

Scorpius wandte sich ab, als Dominique versuchte ihm in die Augen zu sehen. Sein Blick fiel auf das Foto seiner Großeltern. Er hatte nicht mit ihnen gesprochen, seit die Nachricht vom Tod ihres Sohnes sie erreicht hatte. Gewollt hatte er es, aber sein ganzer Plan für den gestrigen Tag hatte sich einfach so in Luft aufgelöst. Jetzt wurde es auch schon wieder Mittag und er hatte nichts Vernünftiges getan.

„Sind das deine Großeltern?“ Schon wieder genau, was Louis gesagt hatte. Dominique betrachtete das Bild mit einem Lächeln, das dem ihres Bruders so gar nicht ähnlich war. „Vielleicht solltest du ein wenig Zeit mit ihnen verbringen? Allein in diesem großen Haus… Das ist doch nur deprimierend.“

Er war ja nicht allein. Trotzdem fühlte er sich so. Genau das war das Problem.

„Bist du hier um Louis mitzunehmen?“, krächzte Scorpius, immer noch so heiser, dass Sprechen wehtat.

„Ich wollte, aber er will nicht“, sagte Dominique. Ihr Lächeln wurde traurig. „Mein Vater würde sich sicher besser fühlen, wenn das Haus wieder voller wäre, aber ich kann Louis natürlich nicht zwingen. Er würde aber sicherlich vorbeikommen… wenn du ein wenig Zeit bei deinen Großeltern verbringen wirst. Denk mal drüber nach.“

Scorpius schaute auf das Bild, das sie neben ihn stellte, und beachtete nicht, wie Dominique aufstand und ihm noch ihr herzlichstes Beileid aussprach. Bei so viel Egoismus konnte er das nicht wirklich ernstnehmen.

Ein Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus, merkwürdigerweise von seinem Brustkorb aus. Woher es plötzlich kam, das wusste Scorpius nicht, aber es erinnerte ihn an das wunderbar warme Gefühl, das sein erster Kuss in ihm ausgelöst hatte. Seine Mundwinkel zuckten leicht, als er glaubte, das Geräusch von Regen hören zu können.

Aber so schnell konnte die strahlende Sonne nicht verschwinden…

Scorpius griff das Bild seiner Großeltern. Vielleicht sollte er ihnen wirklich einen Besuch abstatten. Oder sie hierher einladen. Lucius Malfoys Anwesenheit ließ selbst Babygeschrei verstummen, also würde es James und Louis auch davon abhalten an ihm herumzufummeln, wenn er lieber nachdenken wollte. Aber war das wirklich, was er wollte? Abstand?

Scorpius zuckte zusammen, als ein kräftiger Windzug ein Fenster aufschlug. Die Vorhänge blähten sich im Wind auf und waren schon nach kurzer Zeit vollkommen durchnässt. Scorpius machte keine Anstalten sich aufzurichten und das Fenster zu schließen.

Stattdessen seufzte er auf. Das Kribbeln in seinen Venen verwandelte sich in kaum zu ertragende Hitze. Seine Lungen schienen nicht mehr genug von der schweren Gewitterluft aufnehmen zu können und seine Atmung beschleunigte sich. Es blitzte und donnerte kurz darauf.

Scorpius lehnte sich haltsuchend gegen das Sofa und legte das Bild seiner Großeltern darauf, scheiterte aber sich selbst hochzuziehen. Er fühlte sich nicht schlecht, nicht krank, aber seine Beine waren zu weich um sein Gewicht zu halten. Wahrscheinlich weil er solange in einer Position verharrt hatte.

„Master Scorpius?“ Die piepsende Stimme ließ ihn aufschauen. Große Augen musterten ihn besorgt. Das Fenster war geschlossen worden. „Geht es Master Scorpius gut?“

„Wo sind…“ Scorpius presste sich eine Hand auf sein schnell klopfendes Herz. „Taffy, meine Freunde… wo…“

„Master Scorpius‘ Freunde sind im Westflügel. A-Alleine“, piepste der Hauself.

Statt einem verstehenden Geräusch entfuhr Scorpius ein Stöhnen, das den Hauself zurückweichen ließ. „So ist das…“

„Kann Taffy irgendetwas für Master tun?“, fragte der Hauself demütig.

Scorpius stieß sich nach vorne, rutschte in Richtung des Kamins. „Ich muss weg hier“, keuchte er, die Brust voller Gefühle, die nicht ihm gehörten. „Schick mir ein paar Sachen nach zu meinen Großeltern.“ Damit griff er nach dem Flohpulver und verschwand kurz darauf in grünen Flammen.


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